Duisburg-Meiderich. Die Von-der-Mark-Straße, der „Meidericher Knochen“ ist Lebensader und Sorgenkind zugleich. Wie trotz A-59-Ausbau Leerstand verhindert werden soll.

Sie ist die Lebensader von Meiderich. Eine große Einkaufsstraße, die auch über die Stadtteilgrenzen hinaus die Menschen anzieht. Aber die Von-der-Mark-Straße ist auch ein Sorgenkind. Der Verfall habe bereits begonnen, beklagt die rot-grüne Mehrheit im Stadtbezirk. Dieser werde durch den Ausbau der Autobahn nur noch schlimmer. Doch die Bezirksvertreter wollen die beliebte Einkaufsstraße noch nicht aufgeben.

Als „Meidericher Knochen“ ist die Von-der-Mark-Straße seit vielen Jahrzehnten bekannt, weil man sie von beiden Seiten gleichermaßen abnagen, also nutzen konnte. Dort holte man sich den Lohn ab, kaufte Lebensmittel, besuchte den Fachhandel und traf sich mit Freunden in Cafés oder Restaurants. „Das Konzept hat gut funktioniert, aber jetzt wird der Knochen unattraktiv“, sagt der grüne Fraktionschef Stefan Ossenberg. Einen Grund sieht er im Rückzug der Geldinstitute. Sparkasse, Deutsche Bank, Postbank, Santanderbank und die ING-Diba zählt er auf, haben Filialen geschlossen.

Sorgen sich um die Meidericher Einkaufsstraße und fordern ein neues Versorgungskonzept: Stefan Ossenberg (Grüne, von links), Bezirksbürgermeister Peter Hoppe und Udo Winkler (beide SPD).
Sorgen sich um die Meidericher Einkaufsstraße und fordern ein neues Versorgungskonzept: Stefan Ossenberg (Grüne, von links), Bezirksbürgermeister Peter Hoppe und Udo Winkler (beide SPD). © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die Sparkasse hat zwar nur ihre Zweitfiliale aufgegeben und ihre andere am Bahnhof zum Flaggschiff für den Bezirk ausgebaut. Nun bilden sich dort an Lohnzahltagen regelmäßig sehr lange Menschenschlangen, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Winkler beobachtet hat. Er verweist auch auf viele Beschwerden älterer Meidericher. Für sie sei oft der Weg zum nächsten Bankschalter beschwerlich und Online-Banking zu kompliziert.

Rewe und Aldi in Meiderich sollen dem A-59-Ausbau weichen

Geschlossene Bankfilialen holt niemand so schnell zurück – wenn überhaupt. Doch die rot-grüne Kooperation sorgt sich um einen künftigen Domino-Effekt, der auch Geschäfte aus dem Stadtteil herausschlagen könnte. So sind Rewe und Aldi für die Menschen beides wichtige Anlaufpunkte an der Autobahn, nahe des Meidericher Knochens. Beide müssten neue Standorte finden, so Ossenberg, sobald die A 59 ausgebaut wird. Dafür spiele keine Rolle, ob der Ausbau mit Hochtrasse oder mit Tunnel passiert.

Auch interessant

Doch wie ansprechend und lebendig ist die Von-der-Mark-Straße, wenn Rewe und Aldi fort sind und in Meiderich ab 2026 jahrelang an der Autobahn gebaut wird? Reichen dann Edeka am Bezirksamt und der nahe gelegene Netto-Markt aus? Das wollen die beiden Fraktionen nicht dem Zufall überlassen und fordern für die Bauphase ein neues Versorgungskonzept für Meiderich. Da sehen sie alle demokratischen Kräfte in der Bezirksvertretung gleichermaßen gefragt. „Unsere Basarstraße muss modern bleiben und wir müssen die Geschäfte halten“, benennt Udo Winkler das Ziel, das sich die Sozialdemokraten und die Grünen gesetzt haben.

Großer Zusammenschluss soll weitere Leerstände verhindern

Der Weg dorthin führt für die Lokalpolitiker nur über „einen großen Zusammenschluss in Meiderich“, an dem die Stadtverwaltung, die Politik, die Geschäftsleute, die Hauseigentümer sowie die Bewohnerinnen und Bewohner beteiligt sind, ebenso die Bundes- und Landesregierung wegen des A-59-Ausbaus. Ossenberg ist überzeugt: Der Tod der Von-der-Mark-Straße ohne die früheren Bankfilialen und künftig ohne Aldi und Rewe lässt sich noch aufhalten. „Das schafft man aber nur gemeinsam und im Dialog“, so der Grüne.

Denn nicht nur eine Sogwirkung durch Leerstände soll verhindert werden, auch bei Neueröffnungen lohnt sich demnach eine gemeinsame Stoßrichtung. So sind Hauseigentümer natürlich froh, wenn sie ein leeres Ladenlokal wieder vermieten können. Aber Bezirksbürgermeister Peter Hoppe (SPD) gibt zu bedenken, dass beispielsweise „weitere Bäckereien oder Friseurläden“ ein bestehendes Überangebot noch vergrößern und die Basarstraße nicht gerade attraktiver machen würden.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Daher wollen die Bezirksvertreter demnächst Gespräche mit allen Beteiligten suchen und mit den Menschen, die am Meidericher Knochen einkaufen. „Wir wollen die Auswirkungen aus verschiedenen Perspektiven nachvollziehen“, sagt Stefan Ossenberg und ordnet ein: „Das ist eine hochkomplexe Problematik, die Auswirkungen auf den gesamten Stadtteil hat.“ Zunächst geht es ums Zuhören. Doch ein tragfähiges Konzept müsse stehen, bevor der Meidericher Knochen durch den Autobahnausbau seine wichtigsten Anlaufpunkte verliert.

>> WICHTIGER STANDORTFAKTOR

● Meiderich wächst. Derzeit sind viele neue Wohnquartiere geplant. Die Von-der-Mark-Straße als Einkaufsstraße, wo auch die medizinische Versorgung abgedeckt ist, gilt als ein wichtiger Standortfaktor für Menschen, die in Meiderich leben oder dorthin ziehen wollen. Auch deshalb will Rot-Grün den Meidericher Knochen erhalten.

Nach aktuellem Zeitplan der Autobahn GmbH soll der Planfeststellungsbeschluss und damit die Genehmigung für den A-59-Ausbau im Jahr 2024 erfolgen. So könnte im Folgejahr mit den entsprechenden Vorarbeiten und 2026 zunächst mit dem Ersatzbau der Berliner Brücke begonnen werden.

Die Stadt Duisburg wehrt sich gegen den Ausbau per Hochtrasse und will notfalls im Planfeststellungsverfahren gegen das Vorhaben klagen, um stattdessen die Tunnellösung durchzusetzen.