Duisburg. Dieter Stradmann lebt seit der Geburt an der Feuerwache in Marxloh. Nach 51 Jahren beendete er den Einsatzdienst jetzt als Stadtbrandinspektor.

Viele Male gab es für Dieter Stradmann neue Schulterklappen. Drei silberne Balken schmücken heute die Uniform des Duisburgers, der Ende des Jahres zum Stadtbrandinspektor ernannt wurde – der höchste Dienstgrad, den die Freiwillige Feuerwehr verleiht. Gleichzeitig ist er nach 51 Jahren aus dem allgemeinen Einsatzdienst ausgeschieden – eine so lange Zeit hat vorher noch kein ehrenamtlicher Feuerwehrmann in Nordrhein-Westfalen geschafft.

Die Feuerwache Marxloh ist Dieter Stradmanns Zuhause. Zeit seines Lebens wohnt er auf dem Gelände der Grundschule Sandstraße – wie schon sein Vater und sein Großvater arbeitete er dort bis zu seinem Ruhestand als Hausmeister. Auf dem Schulhof, direkt vor Stradmanns Wohnung, befindet sich die Wache. „Die roten Feuerwehrwagen haben mich schon als Kind fasziniert“, erinnert sich der heute 68-Jährige.

Dieter Stradmann war NRWs jüngster Brandmeister

Dutzende Lehrgänge und noch viel mehr Einsätze haben aus ihm einen erfahrenen Feuerwehrmann gemacht. Stradmann hat im Laufe der Jahre viele Funktionen ausgefüllt: „Mit 23 war ich der jüngste Brandmeister in NRW. Dann wurde ich zum Gruppenführer gewählt, später zum Zugführer.“ Als Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr in Duisburg vertrat er deren Interessen nach außen, auch gegenüber der Berufsfeuerwehr.

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Sich gegenüber den hauptberuflichen Kameraden zu behaupten, war lange schwierig. „Es gab Zeiten, da war die Freiwillige Feuerwehr nur zum Schläuche aufrollen da. Auch die Ausstattung war schlecht. Wir mussten die alten Lederjacken der Berufsfeuerwehrleute auftragen.“ Zum Glück seien die Abteilungen im Laufe der Jahre aneinander angeglichen worden. Nicht nur die Ausstattung ist heute für alle Einsatzkräfte gleich.

Die Ehrenamtlichen sind für die Feuerwehr von unschätzbarem Wert. Sie sind nicht nur eine numerische Verstärkung, sondern bringen auch viel Expertise mit. „Wir haben die gleiche Ausbildung wie die Berufsfeuerwehr und verfügen darüber hinaus noch über die Kenntnisse aus unseren Berufen“, sagt Dieter Stradmann. Viele Handwerker engagieren sich etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr und können da ihre ganz individuellen Fähigkeiten einbringen.

Belastende Erfahrungen für Duisburger Feuerwehrmann

So mancher Einsatz hat Stradmann sehr belastet. Das Erlebte musste er nicht nur selbst verarbeiten, sondern als Zugführer auch den Kameraden beim Verarbeiten helfen. „Ich musste oft den Harten machen“, sagt Stradmann, „habe aber natürlich auch selber mal zwei, drei Tage gebraucht, um einen Einsatz mit mir selbst auszumachen. Vor allem, wenn Kinder verunglücken, geht einem das als Familienvater nahe.“

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Immer im Gedächtnis bleiben wird ihm ein Häuserbrand in Marxloh, als parallel ein Stadtteilfest stattfand. „Wir waren am Feiern, und plötzlich sah und roch man eine Rauchwolke, keine 300 Meter entfernt.“ Wenig später mussten Stradmann und sein Team vier tote Kinder aus einem Haus an der Kaiser-Wilhelm-Straße bergen.

„Nach solchen Einsätzen machen sich die Jungs auch manchmal Vorwürfe. Da muss ich ihnen helfen. Man ruft auch mal einen Pastor oder Seelsorger. Und manchmal hilft auch einfach etwas Gesellschaft und ein kleines Bier.“ Wichtig sei aber auch, dass der Einsatzleiter schon vorher weiß, was er welchen Kameraden zutrauen kann.

Niemand verlässt die Freiwillige Feuerwehr

Bei allen Belastungen habe er immer viel Kraft aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit gezogen. „Man bekommt von der Bevölkerung viel zurück, gerade bei Ereignissen wie Sturm oder Starkregen, bei denen wir ausrücken.“ Ein Kaffee oder eine Brühe wärmt dann im Winter nicht nur den Körper, im Sommer hilft eine kalte Cola. „Wir alle arbeiten acht Stunden pro Tag in unseren normalen Berufen“, so Stradmann, „ und in der Freizeit helfen wir anderen Menschen. Es ist schön zu spüren, wenn die Leute das auch sehen.“

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Am wichtigsten ist ihm freilich die Kameradschaft untereinander. Die sei so eng, dass nahezu niemand die Freiwillige Feuerwehr von sich aus verlässt: „In meiner Zeit sind Kameraden fast nur durch den Tod ausgeschieden.“

Und Stradmanns Löschzug hat zum Abschied alles gegeben, damit er mit viel Wehmut auf das halbe Jahrhundert zurückblickt. Immer wieder ging an seinem letzten Tag der Pieper. Im Einsatzwagen fuhr er mit den Kameraden durch Marxloh; per Funk wurden sie zu immer neuen Orten gerufen – es waren Einsatzorte der letzten 20 Jahre. Und das war der Überraschung nicht genug: In der Zwischenzeit bereitete ein weiterer Teil des Teams an der Wache ein Fest vor. Dieses Mal musste Stradmann nicht „den Harten machen“, und durfte den Emotionen freien Lauf lassen. „Ein toller Tag, für den ich den Kameraden sehr dankbar bin.“

>>MARXLOH BRAUCHT EINE NEUE FEUERWACHE

• Der Freiwilligen Feuerwehr will Dieter Stradmann auch ohne Einsätze treu bleiben. Das Amt des Sprechers führt er weiter aus: „Das mache ich gerne mit 100 Jahren noch.“ Und auch um die Elektronik auf der Wache und die Fahrzeuge kümmert sich der Elektrikermeister weiter.

• Für die Zukunft der Feuerwehr in Marxlohwünscht sich Stradmann, dass möglichst bald die dringend benötigte neue Wache kommt – er persönlich würde einen Standort an der Rhein-Ruhr-Halle begrüßen, sollte diese abgerissen werden. An Zielen mangelt es dem Stadtbrandinspektor nicht: „Ich würde außerdem gerne eine Kinderfeuerwehr gründen, für Kinder zwischen vier und zehn Jahren.“