Duisburg. Spaziergänger beobachten unfreiwillig eine Treibjagd an der Schleuse Meiderich. Eine Frau spricht später von einem „Blutbad“ und „Massaker“.

Die Spaziergänge ab der Meidericher Schleuse, mit ihrem Ehemann, Bruder und den Hunden, genießt Claudia Franke sehr. Doch bei dieser kleinen Familientradition wurde sie vor knapp anderthalb Wochen „zutiefst erschreckt“. Eine Jagdgesellschaft hatte sich samstags mit rund 20 Autos dort am Parkplatz getroffen und beendete auf der benachbarten Wiese gerade eine Treibjagd. Die Spaziergängerin beschreibt diese Szene als „Blutbad“ und „Massaker“.

„Auf der Wiese, für jedermann deutlich sichtbar, lagen unzählbare tote Tiere, unter anderem Füchse, Wildgänse, Enten und Hasen. Um die toten Tiere herum hatten sich die Jäger mit ihren Waffen versammelt“, schildert Franke. Die Jagdhunde seien bereits in den parkenden Autos gewesen. „Die vorbeifahrenden Radfahrer mit ihren Kindern mussten das Massaker mit ansehen“, beklagt Claudia Franke. Eine Mutter habe immerhin ihrem Kind sofort den Blick versperren können.

An der Ruhrschleuse in Duisburg-Meiderich haben Jäger nach einer Treibjagd eine alte Tradition gepflegt und das erlegte Wild auf der Wiese zusammengelegt – zum Entsetzen von Spaziergängern, Fahrradfahrern und Kindern.
An der Ruhrschleuse in Duisburg-Meiderich haben Jäger nach einer Treibjagd eine alte Tradition gepflegt und das erlegte Wild auf der Wiese zusammengelegt – zum Entsetzen von Spaziergängern, Fahrradfahrern und Kindern. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Dass die Jäger erst gar nicht versuchten, die geschossenen Wildtiere diskret zusammenzulegen, sondern in aller Öffentlichkeit, ärgert die Duisburgerin auch heute noch. Sie bemerkte weder Absperrungen noch Warnschilder. Warum mussten sie und andere „diesen schrecklichen Anblick erdulden“? Das sei gerade für Mädchen und Jungen „eine schreckliche Erfahrung“ und für alle übrigen unfreiwilligen Beobachter ebenso unzumutbar.

„Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und musste mich übergeben, weil ich einen Schock hatte“, sagt Claudia Franke im Gespräch mit der Redaktion. Das Ende einer Treibjagd hatte sie zuvor noch nie mitbekommen und diese Premiere hat einen so nachhaltigen Eindruck bei ihr gemacht, dass sie keine weitere miterleben möchte. Daher beschwerte sie sich bei der Stadt Duisburg über die Geschehnisse.

Stadt Duisburg sieht kein Fehlverhalten bei den Jägern

Im Rathaus können die Fachleute der Unteren Jagdbehörde jedoch kein Fehlverhalten der Jäger erkennen und haben auch an der Jagd in diesem Bereich der Ruhr grundsätzlich nichts auszusetzen.

Vielmehr sei an der Meidericher Ruhrschleuse eine alte Tradition gepflegt worden: das sogenannte „Strecke Legen“ nach einer Treibjagd. Dabei wird das tote Wild nach Art getrennt und aufgereiht. „Die Jäger erweisen den erlegten Tieren hierdurch Ehre und zollen dem Geschöpf der Natur Achtung und Respekt“, erläutert Stadtsprecher Malte Werning. Anschließend wird für jede Tierart eine eigene Melodie auf den Jagdhörnern gespielt, im Fachjargon also „die Strecke verblasen“, und viele Beteiligte verneigen sich dann vor dem erlegten Wild.

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Das bestätigt Winfried Michels, Vorsitzender der Kreisjägerschaft (KJS) Duisburg: „Auf dem Sammelplatz erweisen wir den Tieren die letzte Ehre und gedenken der Kreaturen.“ Zudem regelt das Gesetz streng, wer in einem Revier wann und zu welchem Zweck die Jagd ausüben darf. Sie dient laut Michels dem Naturschutz, indem sie den Wildbestand gesund und niedrig halte und damit langfristig die Artenvielfalt erhalte. „Gerade haben wir ein erhebliches Problem mit Wildgänsen, zum Beispiel an der Sechs-Seen-Platte“, so Michels. Probleme können zudem entstehen, heißt es aus dem Rathaus, wenn Wildtiere technische Bauten an den Wasserstraßen beschädigen.

Keinesfalls schießen die Jägerinnen und Jäger jedoch auf alle Wildtiere, die ihnen die Hunde vor die Flinte treiben, betont Michels. Die Schützen sind gut ausgebildet, auf Sicherheit bedacht und töten nur solche Arten, die vorab festgelegt wurden. Da sind sich die Stadt und die KJS einig.

Kreisjägerschaft Duisburg: „Die Jagd findet in der Öffentlichkeit statt“

Beide halten auch nichts davon, eine Jagd oder die Tradition des Strecke Legens unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu praktizieren. Zumal es nach dem Gesetz nicht notwendig ist, so Stadtsprecher Malte Werning, eine Jagd anzumelden oder das Gebiet abzusperren. Der Jagdpächter im vorliegenden Fall habe jedoch, was in Duisburg nicht unüblich ist, vorsorglich die Polizei über den Termin informiert.

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Darüber hinaus könne man gerade Kindern und Jugendlichen gut den Grund und Nutzen einer Jagd erklären, findet Winfried Michels. Man solle sie bei Fragen ruhig ansprechen. Er schätzt darin auch den Bildungsaspekt: „Das Fleisch kommt nicht aus der Kühltheke, sondern stand mal auf der Wiese.“ In Großstädten, wo Hausschlachtungen inzwischen sehr selten sind, werde das kaum noch an Kinder vermittelt. Dies würden sie bei der Kreisjägerschaft ebenso lernen wie den Kreislauf des Lebens oder die Wichtigkeit von Insektenhotels sowie von Vogelnistkästen.

Dies alles kann Claudia Franke nicht überzeugen. Von den blutigen Beobachtungen will sie sich aber ihre Familientradition nicht kaputtmachen und geht weiterhin dort spazieren. Früher habe sie bei diesen Spaziergängen durchaus auch Füchse gesehen. Jetzt bedauert sie: „Seit der Jagd sind keine mehr da.“

>> DIE JAGD WIRD BEI FRAUEN IMMER BELIEBTER

● Die Kreisjägerschaft Duisburg bemerkt ein stetig wachsendes Interesse an der Jagd, insbesondere bei Frauen. Derzeit bremse Corona jedoch neue Ausbildungskurse aus. Die staatliche Prüfung für den Jagdschein kann man ab dem Alter von 15 Jahren ablegen.

● Die Jagd hat aus Sicht der Stadt Duisburg eine „große Bedeutung, um zum Beispiel übermäßige Wildschäden in Landwirtschaft und im Wald zu vermeiden. Ein gesunder Wald kann nur existieren, wenn sichergestellt ist, dass es eine angepasste Wilddichte gibt“, wie Sprecher Malte Werning erläutert.

● Demnach muss der Bestand, so Werning weiter, von Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind, nicht selten durch die Jagd gesichert werden. Ein Beispiel ist der Große Brachvogel, den der Waschbär bedroht.

● Beschwerden über Jagden sind in Duisburg übrigens selten. Im Rathaus gehen etwa zwei oder drei Beschwerden pro Jahr ein.