Duisburg. Beulen im Schleusentor, Wasser sprudelt durch Spundwände: Die Infrastruktur rund um Duisburgs Hafen ist in einem schlechten Zustand. Ortsbesuch.
Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen, dass die Schleuse Meiderich in Duisburg laut Google Maps „vorübergehend geschlossen“ ist. Aktuell kann man hier durchaus vom Hafenkanal in den Rhein-Herne-Kanal wechseln. Auf Komfort muss allerdings verzichtet werden: Schon von weitem leuchten Warnschilder: „Schwimmpoller außer Betrieb“. Seit 2015.
Und so wird das zu schleusende Schiff auf dem Weg nach oben oder unten alle Meter neu vertäut, statt einmal an einem mitsteigenden Schwimmpoller. Aus den Spundwänden vor der Schleuse spritzt vielfach Wasser heraus, an manchen Stellen wie aus einem Feuerwehrschlauch.
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Die rostig gewellten Stahlwände begrenzen den Deich, der den Hafenkanal von der höher gelegenen Ruhr trennt. Hier drückt also Ruhrwasser durch, erklärt Gerit Fietze, Referent des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). „Man weiß nicht, was dahinter steckt, ob sich da schon Blasen gebildet haben, die plötzlich aufbrechen“, ergänzt der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Börner bei einem Ortsbesuch per Schiff. Fakt ist: Da dürfte nichts heraussprudeln.
Schleusen-Aus: Häfen in Mülheim, Essen und Dortmund wären abgeschnitten
Für den Bundesverband ist ein Totalausfall von Schleusen ein durchaus mögliches Szenario angesichts des Alters und der Schäden. Dann wären die Häfen in Mülheim, Essen und Dortmund plötzlich abgeschnitten, sagt BDB-Referent Fietze. Die Ersatzroute über den Wesel-Dattel-Kanal dauert jedenfalls eine Woche länger. Mindestens. Denn rheinabwärts gibt es weitere Baustellen. Hier beschäftigt das Wasserschifffahrtsamt Duisburg an der Schleuse Friedrichsfeld bereits seit 2018 einen sogenannten „Festmacherdienst“: Menschen also, die 24/7 an den Kammern der Schleuse im Wesel-Datteln-Kanal stehen und die Leinen der Schiffe annehmen und während des Schleusungsvorgangs festmachen. Ursächlich für diese Beschäftigungsmaßnahme sind nicht mehr zugfeste Nischenpoller, an denen normalerweise Schiffe festmachen.
Fietze betont, dass „das westdeutsche Kanalsystem das zweitwichtigste Wassernetz nach dem Rhein ist“ und rechnet vor: Ein Fünftel aller Güter in Deutschland werde auf dem Wasser transportiert, rund 200 Millionen Tonnen. 40 Millionen davon seien auf dem Westdeutschen Kanalsystem unterwegs. „Das ist die große Ost-West-Magistrale“.
Mit Blick auf den Umweltschutz und die nötige Verlagerung von Verkehren sagt Fietze, dass der Rhein „noch 80 Prozent seiner Kapazitäten frei hat“. Hinzu komme, dass die Bundesregierung im „Masterplan Binnenschifffahrt“ den Anteil von neun auf zwölf Prozent anheben wolle. „Dafür braucht es aber leistungsfähige Wasserstraßen“. Zum Vergleich: Ein Binnenschiff kann rund 150 Lkw ersetzen.
Binnenschiffer befürchten eine „hoch dramatische“ Situation im Kanal-Netz
Problematisch ist, dass Sanierungen zeitaufwendig sind. Die Erneuerung eines Schleusentors an der Schleuse Henrichenburg habe sechs Jahre gedauert, so lange sei der Hafen in Dortmund nur eingeschränkt erreichbar gewesen, erinnert Fietze. In Meiderich, wo beide Schleusentore deutliche Spuren von Kollisionen mit Schiffsbugs zeigen und entsprechend verzogen sind, müsste gar das Torhaus abgebaut werden, um das Tor darunter auszutauschen.
Schon 2018 beschrieb der BDB, der rund 100 Mitgliedsunternehmen wie etwa den Logistiker Rhenus vertritt, eine „hoch dramatische“ Situation im Kanal-Netz. Im Bundesverkehrswegeplan tauchen die westdeutschen Wasserstraßen durchaus auf. Der Rhein soll demnach etwa bis 2030 vertieft werden, auch Düker oder Spundwände sollen hier und da erneuert werden.
350 Millionen Euro für Sanierungen in deutschen Wasserstraßen
Für die Sanierung der Kammerwände in der 100 Jahre alten Ruhrschleuse läuft gerade zumindest ein europaweites Ausschreibungsverfahren. Insgesamt sollen ab 2022 rund 350 Millionen Euro für Sanierungen in Deutschlands Wasserstraßen investiert werden. Dem gegenüber stehen 1,3 Milliarden Euro, die jährlich für den Unterhalt gebraucht werden. „Jede zweite Schleuse in Deutschland ist vor 1950 gebaut worden, jede fünfte sogar vor 1900!“, betont Fietze.
Für die nötigen Sanierungsmaßnahmen fehlt es nach Ansicht von Börner und Fietze nicht an Geld, sondern an Personal, vor allem im Wasserschifffahrtsamt. Schon bei der Planung hake es bei der Bundesbehörde, weil vor einigen Jahren 26 Ingenieure aus Duisburg verliehen worden seien, um den Elbe-Lübeck-Kanal mit auszubauen. Sie fehlen immer noch. In das Klagelied stimmte vor einigen Jahren auch der Chef der WSA ein. Zu unattraktiv sei der öffentliche Dienst in Zeiten des Baubooms.
Hafenvorstand und Landespolitik sind gefragt
SPD-Landtagsabgeordneter Frank Börner bedauert, dass „der alte Hafenchef Staake nie laut wurde, um Modernisierungen einzufordern“. Dieser habe mehr auf Digitalisierung gesetzt und sein Augenmerk auf den Hafen gelegt, nicht auf den Weg dorthin. Jetzt sei der neue Vorstand gefragt. Ausfallende Schleusen haben vielfache Auswirkungen - etwa auf die über 2000 Beschäftigten im Chemiepark Marl, die in Kurzarbeit müssten, wenn ihnen das Material ausgeht, beschreibt Börner. Deshalb sei auch die Politik gefragt, findet der Duisburger, der als EDV-Leiter bei einem Hafen-Logistiker beschäftigt war und eine gewisse Nähe zum Thema spürt.
Mit der letzten Landesregierung und dem damaligen Verkehrsminister Michael Groschek hat Börner die Schleusen schon mal bereist. Passiert ist dann aber nichts. Personalmangel. Auch den aktuellen Verkehrsminister Wüst habe er eingeladen, bislang allerdings vergebens.
>>DAS SIND DIE DUISBURGER SCHLEUSEN
- Die Schleuse Meiderich wurde 1980 gebaut. Die Kammerschleuse ist 190 Meter lang und knapp zwölf Meter breit. Die durchschnittliche Fallhöhe, also die Höhe, die ein Schiff zwischen zwei Kanalstufen überwinden muss, beträgt 7,35 Meter.
- Die Ruhrschleuse ist 100 Jahre alt. In die 311 Meter Backsteingemäuer passen knapp zwei Binnenschiffe. Die Liste der Defekte in der Schleusenkammer ist allerdings lang, eine Reparatur gerade ausgeschrieben.