Duisburg-Marxloh. Die Schlafcontainer am Petershof in Marxloh sind voll. Bald öffnet Pater Oliver für Obdachlose wieder die Kirche. Darin bestärken ihn Fachleute.

Die Sonne scheint an diesem Herbstmittag auf den Petershof in Duisburg-Marxloh und die Kirche St. Peter. Doch Pater Oliver Potschien weiß, dass die kalten Nächte nicht mehr fern sind. „Wir haben alle Angst vor dem Winter“, sagt der Ordensbruder, der mit seinem Team und der Kirchengemeinde längst wieder Decken und warme Kleidung für Obdachlose sammelt. „Wir lassen niemanden auf der Straße erfrieren“, betont er.

Doch die Notschlafcontainer an der Kirche seien „durchgehend voll“, auch schon im Frühjahr und Sommer. Dabei sind sie nur als Provisorium gedacht. Tatsächlich hatte die Stadt Duisburg die Container mit 16 Plätzen leergezogen und alle Obdachlosen in Unterkünften einquartiert. Kaum einen Monat später waren sie jedoch zurück.

Je kälter es wird, desto mehr Hilfesuchende kommen. „Jetzt bleibt uns nur noch, wieder die Kirche zu öffnen“, sagt Pater Oliver. Wie bereits 2018 – vor den Containern – werden bald wieder Feldbetten im Kirchvorraum stehen, damit nachts draußen niemand den Kältetod sterben muss.

Bei der Obdachlosenhilfe in Marxloh fallen viele Menschen durchs Raster

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Auf die Stadt möchte er nicht mehr setzen. „Die städtischen Strukturen leisten gute Arbeit, die vielen Menschen hilft“, räumt der Geistliche ein, „aber es fallen auch immer Menschen durchs Raster.“ Viele davon übernachten am Petershof, wo sie eng betreut werden. Für diese Betroffenen fordert der Petershof seit Jahren vergeblich ein Hilfskonzept von der Stadt Duisburg.

Das Team vom Petershof berichtet in einem neuen Buch über sein Engagement in Marxloh. In weiteren Fachaufsätzen vergleichen Experten die Situation etwa mit der Obdachlosenhilfe in Berlin und Frankfurt.
Das Team vom Petershof berichtet in einem neuen Buch über sein Engagement in Marxloh. In weiteren Fachaufsätzen vergleichen Experten die Situation etwa mit der Obdachlosenhilfe in Berlin und Frankfurt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Ob jemand durchs Raster fällt, sieht Sandra Hankewitsch, die am Petershof die Obdachlosenhilfe leitet, auch als eine Frage der Herangehensweise. Wenn Obdachlose aus Polen, Rumänien oder Bulgarien keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, sei das zwar eine immense Herausforderung und dort die Europapolitik gefordert, „aber wir müssen helfen“.

Das soll, ergänzt Schwester Ursula Preußer, ganz nah am Menschen sein, sehr pragmatisch und so wenig dogmatisch wie möglich – nicht zuletzt, weil viele Obdachlose süchtig und psychisch krank seien.

Die Dankbarkeit der Betroffenen sieht sie zwar als Bestätigung, dass das Team vieles richtig mache, „aber wir sind da unvorbereitet reingestürzt und haben gelernt“, erinnert sich Schwester Ursula an die ersten frierenden Menschen, die im Winter 2018 plötzlich vor der Kirchtür standen. „Wir wollen die Leute da abholen, wo sie stehen und ihnen mit enger Betreuung die Hilfen geben, auf die sie sich gerade einlassen.“

Buch über die Arbeit des Petershofs macht schwierige Lage der Betroffenen deutlich

Doch ist das auch der richtige Weg? Das wollten die Hauptamtlichen und Ehrenamtler um Pater Oliver und seine Stellvertreterin Schwester Ursula wissen. Ebenso wie sie die Situation für die Obdachlosen besser machen können. Dafür haben sie sich mit Fachleuten zusammengetan, ihre Arbeit ganz transparent geschildert und die Expertinnen und Experten um Einschätzung gebeten.

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Daraus ist jetzt ein Fachbuch mit vielen Aufsätzen geworden, mit dem der Petershof seine Erfahrungen aus Marxloh weitergeben will und in dem aber auch zahlreiche Fachleute zu Wort kommen – die auch die Situation im Stadtteil mit armen Vierteln in Berlin und Frankfurt vergleichen.

Wie schwierig die Lage für die Betroffenen tatsächlich sein kann, hat Schwester Ursula am Beispiel eines minderjährigen Mädchens aufgeschrieben. Die Südosteuropäerin kommt hauptsächlich wegen der Kleiderkammer, ist aber schwanger, hat Schulden, ist straffällig geworden und lebt jetzt auf der Straße. Mit solch einem Fall seien die Behörden meist ebenso überfordert wie das Mädchen mit Behördenschreiben – die zu verstehen das Petershof-Team dann hilft.

Die Ordensschwester kennt aber noch viele weiter Beispiele, etwa die Obdachlose, die aus einer städtischen Unterkunft, dem Haus Salm, geflogen ist, weil sie gegen die nächtliche Anwesenheitspflicht verstieß. Doch die Frau arbeitet nachts als Prostituierte.

Das Team um Pater Oliver fühlt sich jetzt in seinem Engagement bestärkt

„Wir fühlen uns bestärkt“, sagt Pater Oliver nach dem fachkundigen Feedback. „Wir müssen uns weiter um jeden einzelnen Menschen kümmern, ganz niederschwellig, aber das ist der Weg.“ Dennoch bleibt die Hoffnung, dass künftig die Notschlafcontainer und die Feldbetten in der Kirche nicht mehr nötig sind.

>> IMMER MEHR BEDÜRFTIGE KOMMEN ZUM PETERSHOF

● Das neue Buch des Petershofs heißt: „Geh und handle genauso – Optionen für die Menschen“. Es wird von Pater Oliver Potschien herausgegeben und ist Marius, Darek und Zibby gewidmet, die 2020 in den Notschlafcontainern starben. ISBN: 978-9-403-62394-8. Preis: 21,90 Euro.

● Seit Beginn der Corona-Krise, so beobachtet es Pater Oliver, ist die Armut und Not in Marxloh gewachsen. Derzeit kommen bis zu 30 Obdachlose, die regelmäßig in einem der 16 Container-Betten übernachten. Diese Zahl werde im Herbst und Winter bestimmt noch wachsen.

● Rund 60 Menschen versorgt der Petershof an der Mittelstraße 2 mittags bei der Armenspeisung, deutlich mehr als vor der Pandemie. „Wir werden überrannt“, so der Geistliche, ohne externe Unterstützer sei das gar nicht mehr zu schultern.

● Doch es gibt auch gute Nachrichten: Mithilfe der Postcode-Lotterie konnte der Eingangsbereich umgestaltet werden. Es gibt jetzt ein kleines Café mit kostenloser Kaffeeküche, Schließfächer für Taschen und einen Fernseher, wo mal zusammen Fußball geschaut wird oder Kinder an der Playstation spielen.