Duisburg-Overbruch. Der Duisburger Stadtteil-Check zeigt, dass sich die Menschen im kleinen Overbruch richtig wohl fühlen. Der Grund: Sie sind Grenzgänger.
Ganz bewusst hat Nadine Gillmann in Duisburg-Overbruch jetzt eine Familie gegründet, weil sie mit Ehemann Mike dort seit rund fünf Jahren glücklich lebt. Für die 31-Jährige bietet ihre Wahlheimat das Beste aus Großstadt- und Dorfleben. Auch die Ergebnisse des Stadtteil-Checks bilden viele Wohlfühlfaktoren des Paares ab. Sie liegen in vielen Kategorien über dem stadtweiten Mittel und in den übrigen zumindest nah dran. Auffällig ist dabei jedoch, dass die Overbrucher ihrem Stadtteil mit Befriedigend plus (2,55) eine deutlich bessere Gesamtnote geben würden, als im tatsächlich errechneten Durchschnittswert aller Kategorien (3,27).
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Über diese Diskrepanz wundert sich Nadine Gillmann und vermutet dahinter die Lage des Stadtteils. Denn sie selbst ist Grenzgängerin, umso mehr seit sie regelmäßig mit den drei Monate alten Zwillingstöchtern Mailin und Lisa im Kinderwagen unterwegs ist. Nach kurzen Spaziergängen ist sie bereits in Vierlinden, Alt-Walsum oder in Dinslaken.
Die Menschen in Duisburg-Overbruch sind vor allem Grenzgänger
„Wir brauchen nicht alles vor der Haustür, solange es gut erreichbar ist“, findet sie und meint damit etwa die Gastronomie (Note: 3,56). So gibt es in der Nachbarschaft einen Bäcker, eine Dönerbude, einen Imbiss, Pizzerien und sogar Duisburgs ältestes Gasthaus „Am Rubbert“. Der nahe China-Imbiss liegt jedoch schon eindeutig jenseits der Grenze zu Vierlinden. „Die beste Pizza der Welt gibt es sowieso in Holten“, behauptet Gillmann entschieden, und das Pizzataxi liefere auch zu ihr nach Hause. Die erste Adresse für Hamburger seien dagegen die Burger Nerds in Aldenrade.
Zum Einkaufen (2,68) muss die junge Mutter ihren Stadtteil nicht verlassen, obwohl der Edeka-Markt an der Barbarastraße seit Januar geschlossen ist. Der sei ohnehin „superklein“ gewesen, „mit dem Kinderwagen wäre ich nicht durch die Gänge gekommen“. Denn Overbruch hat einen Netto, und frisches Fleisch, Obst und Gemüse kaufen die Menschen im Viertel im türkischen Supermarkt. Der Auswahl wegen spaziert Nadine Gillmann aber lieber wenige Minuten länger zum Franz-Lenze-Platz in Vierlinden, wo Edeka, Aldi und Rossmann alle an einem Ort sind.
Ähnlich grenzüberschreitend und pragmatisch geht die Familie zwar auch mit Ärzten, Physiotherapeuten oder Apotheken um, doch hält sie grundsätzlich die relativ gute Bewertung für die örtliche medizinische Versorgung (2,56) für gerechtfertigt.
Bei der Qualität des Nahverkehrs scheiden sich die Geister
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Deutlich schlechter schneidet der Nahverkehr (3,56) ab, den Mike Gillmann jedoch höher bewerten würde. „Mit Bussen kommt man gut in die Innenstadt oder nach Dinslaken“, sagt der 30-Jährige, selbst die Straßenbahn sei fußläufig zu erreichen und das Umsteigen zwischen Bus und Bahn ohnehin problemlos möglich. Die Haltestelle Watereck der Bahnlinie 903 liegt tatsächlich an der Grenze zwischen Vierlinden und Overbruch.
Dieses kleine Loblied auf den ÖPNV will Nadine Gillmann als eingefleischte Autofahrerin jedoch nicht mitsingen. So braucht der Schnellbus 40 auf direktem Weg zum Hauptbahnhof zwar nur gut 40 Minuten und schlägt damit andere Verbindungen, allerdings fährt er nur einmal pro Stunde. „Mit dem Schnellbus im Berufsverkehr über die Autobahn zu fahren ist Horror, gerade im Sommer“, erinnert sie sich an schlechte Erfahrungen. Diese möchte sie mit ihren zweieiigen Zwillingen nicht wiederholen. Für sie ist klar: „Wer hier hinzieht, braucht ein Auto.“
Ideale Wohngegend für junge Familien
Doch das Hinziehen lohnt sich. „Wir fühlen uns wirklich wohl, alle sind freundlich und hilfsbereit“, sagt der Ehemann. Ein Wohlfühlfaktor ist auch die nahe Rheinaue, wo die Familie gerne Zeit verbringt. Auch als Ausgleich vom Arbeitsstress (Freizeit: 3,59) sei die Natur vor der Haustür ideal, ebenso zum Joggen. Nadine Gillmann schnürt statt Laufschuhen lieber Inlineskates – und dadurch sei ihr der tolle Zustand der Straßen aufgefallen. Zudem lobt sie allgemein die Sauberkeit im Viertel. Dass sie nur mit 3,31 bewertet wurde, liege daran, dass viele Overbrucher diesbezüglich hohe Ansprüche haben. „Ich sehe hier jedenfalls nie Müll und auch keine überquellenden Mülleimer.“
Ebenso wenig habe sie sich als junge Frau im Stadtteil jemals unsicher gefühlt oder von Überfällen, Einbrüchen oder aufgebrochenen Autos gehört, weshalb Sicherheit (2,78) für sie zurecht eine der Topkategorien ist. Das erinnert sie an ihre Jugend im Münsterland.
Bereut haben Nadine und Mike Gillmann ihren Umzug von Oberhausen nach Overbruch keinen einzigen Tag und mögen ihre Wahlheimat mehr und mehr. „Wir sind in der Großstadt, leben aber wie auf dem Land“, schwärmt Nadine Gillmann. Weder Lärm noch Hektik, stattdessen Ruhe und die Rheinauen. Kurzum: die ideale Gegend, um Kinder groß zu ziehen.
>> MIESE POLITIK-NOTE ZIEHT DAS GESAMTERGEBNIS RUNTER
● Wie gut die Infrastruktur in Overbruch für Kinder (3,18) tatsächlich ist, das müssen Mike und Nadine Gillmann, die erst seit drei Monaten Eltern sind, erst noch herausfinden. Denn ihre Töchter sind noch nicht im Kindergarten. Über die Kitas und Spielplätze im Stadtteil freut sich das Paar, weiß aber auch, dass es dort keine weiterführenden Schulen gibt.
● Als Bankangestellte können Gillmanns gut mit Zahlen und sehen sofort, dass der miese Wert für Politik (4,25) den Durchschnittswert runterzieht. Sie sind weder in Parteien noch Vereinen aktiv, können aber bestätigen, dass politische Ansprechpartner in der Nachbarschaft nicht präsent und außer Oberbürgermeister Sören Link auch gar nicht bekannt sind.