Duisburg-Vierlinden. Johannes Brakensiek (34) ist mitten in Corona als neuer Pfarrer nach Vierlinden gekommen. Was er in der evangelischen Gemeinde so alles vorhat.

Er suchte eine Kirchengemeinde, die Lust hat, die Zukunft zu gestalten und hat sie in Duisburg gefunden. Johannes Brakensiek ist der neue Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Walsum-Vierlinden. „Die Corona-Pandemie trifft uns als Gemeinde ins Mark und ins Herz“, sagt der 34-jährige Theologe, der jedoch nicht vor dieser Herausforderung zurückschreckt.

Wenngleich das Virus „große Einschnitte für das Gemeindeleben“ bedeutet, hat Brakensiek doch bereits eine Gemeinde kennengelernt, die er als sehr engagiert lobt. „Gottesdienst passiert im Alltag der Menschen“, findet er und fordert daher von Christen, aufmerksam zu sein, den Glauben mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden und aktive Nächstenliebe zu zeigen. Für ihn ist das eine Haltungsfrage und „christlicher Glaube ist immer politisch“, weil es dabei auch um Menschenwürde geht.

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„Das wird hier aber bereits vorgelebt“, betont Brakensiek und meint etwa die Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe sowie Integrationsprojekte. Aber auch, dass während des Lockdowns oder einer Quarantäne Gemeindemitglieder für alleinerziehende Mütter oder Senioren da sind.

Pfarrer Brakensiek will die Jugend wieder fürs Gemeindeleben interessieren

Neben Corona sieht Johannes Brakensiek insbesondere den Strukturwandel als große Herausforderung und will die Jugend wieder für das Gemeindeleben interessieren. „Die Seniorenarbeit ist wichtig, aber ohne Kinder und Jugendliche hat die Kirche keine Zukunft.“ So verwundert es nicht, dass der Familienvater Brakensiek, der mit seiner Frau und seinen drei Kindern ins Pfarrhaus der Johanniskirche gezogen ist, seinen Schwerpunkt in der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit sieht – und dafür auch bewusst von der Kirche eingestellt wurde.

Dass seine neue Gemeinde, in der er jetzt seine erste richtige Pfarrstelle angetreten hat, überhaupt den Mut hat, solche Schwerpunkte zu setzen, freut ihn. Eine zweite Pfarrstelle, die sich besonders um Senioren und Behinderte kümmern soll, ist derzeit vakant und ausgeschrieben.

Gemeindearbeit muss sich künftig mehr spezialisieren

„Wir können nicht mehr alles machen“, sagt der junge Theologe mit Blick auf die Mitgliederzahl und düstere Prognosen. Laut einer Studie der Evangelischen Kirche wird sich die Zahl aller Protestanten in Deutschland in den nächsten 40 Jahren halbieren. Derzeit zählt die Gemeinde, zu der auch Gläubige aus Alt-Walsum und Overbruch gehören, gut 4900 Menschen. „Wir schrumpfen auch“, so Brakensiek und dieser Trend lasse sich nicht durch die bereits sehr gute Jugendarbeit in Vierlinden aufhalten, die er ebenso weiter ausbauen möchte wie die Ökumene.

Dem Mitgliederschwund sei es geschuldet, dass sich die Gemeindearbeit noch mehr spezialisieren müsse. „Wir müssen bewusst Schwerpunkte setzen, uns dabei aber an den Wünschen der Menschen orientieren.“ Dieser Herausforderung will er sich stellen und ist dabei regelrecht zuversichtlich: „Unsere Gemeinde ist sehr gut aufgestellt.“

Corona verlangsamt das gegenseitige Kennenlernen

Nicht zuletzt deshalb ist er für seine neuen Aufgaben voller Tatendrang und würde am liebsten sofort einen großen Jugendgottesdienst mit Band, Musik und digitalen Medien auf die Beine stellen – wäre da nicht Corona. Doch dieses Vorhaben hat der 34-Jährige, der früher viel Heavy Metal, heute aber lieber Jazz hört, nur verschoben und nicht aufgegeben.

Durch das Virus konnte Johannes Brakensiek, was er schade findet, bisher noch nicht viele Protestanten aus Vierlinden kennenlernen, weil etliche Gruppen und Kreise sich noch nicht wieder in der Johanneskirche treffen können.

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Offiziell stellt er sich aber an diesem Sonntag mit einem Freiluftgottesdienst am Martin-Niemöller-Haus der Kirchengemeinde vor. Danach wird er wohl nicht mehr unerkannt durch seine neue Heimat laufen können – und anders würde er es der gebürtige Velberter auch nicht wollen. Denn er will für alle ansprechbar sein. „Ich mag den Charme des Ruhrgebiets, seine ehrlichen, bodenständigen Menschen – und ihre Offenheit.“

>> MIT FESTGOTTESDIENST WIRD ER AM SONNTAG EINGEFÜHRT

  • Johannes Brakensiek ist in Velbert aufgewachsen und hat in Theologie in Mainz, Tübingen und Riga studiert und seine Vikariat in Essen absolviert, wo er dann auf verschiedenen Vertretungsstellen arbeitete.
  • Er wird am Sonntag, 20. September, in der Ev. Gemeinde Walsum-Vierlinden mit einem Festgottesdienst von Superintendent Friedhelm Waldhausen in seinen Dienst als neuer Pfarrer eingeführt. Geplant ist um 14 Uhr ein Freiluftgottesdienst am Martin-Niemöller-Haus (Canarisstraße 9). Bei schlechtem Wetter geht es in die Johanneskirche am Franz-Lenze-Platz.
  • Solange die zweite Pfarrstelle vakant ist, unterstützt Pfarrerin Elke Voigt vertretungsweise die Gemeindearbeit. Sie wird auch demnächst offiziell eingeführt.