Duisburg-Meiderich. Für die „Stadtteilhistoriker“ arbeitet Künstler Eugen Schilke zum Duisburger Papageienhaus. Mit dem verbindet ihn seine eigene Lebensgeschichte.
Unter dem Tapeziertisch projiziert ein Beamer ein Bild in eine Pappbox: Darin buddelt ein Mann mit einem Spaten auf einer Brache, die sich die Natur zurückerobert hat. Auf dieser Brache in Obermeiderich stand früher einmal das Papageienhaus, und der Mann, der da buddelt, ist Künstler Eugen Schilke. Im Rahmen des Projekts „Stadtteilhistoriker“ der Bürgerstiftung Duisburg und der GLS Treuhand erforscht Schilke künstlerisch die Geschichte des Papageienhauses, das früher Heim für Gastarbeiter, Kriegsflüchtlinge und Aussiedler war – und damit auch seine eigene Lebensgeschichte.
An der Wand von Eugen Schilkes Atelier im Kultur- und Freizeitzentrum Rheinhausen hängen Zettel über Zettel, gefüllt mit Notizen, Zeichnungen und Skizzen des Künstlers. „Ich befinde mich in einem Prozess, ich weiß jetzt noch nicht, wie ich meine Recherche im nächsten Jahr präsentieren will“, erklärt Schilke. Eine L-förmige Zeichnung taucht immer wieder auf, dieselbe Form, die auch die Pappbox unter dem Tisch hat: Es ist der Grundriss eines typischen Zimmers im Papageienhaus, dessen Namensursprung Schilke übrigens nicht kennt. Tür an Tür wohnten zwei Familien in jeweils einem dieser Zimmer und teilten sich das Badezimmer auf dem Flur.
Duisburger Künstler vertraut auf den Prozess seiner Arbeit
Diese Informationen hat Eugen Schilke nicht von irgendwem, sondern aus seinem eigenen Erfahrungsschatz. Der heute 35-jährige, studierte Künstler ist 1994 mit seinen Eltern und seinem Bruder aus Russland nach Deutschland gekommen – gelebt haben sie bis Mitte 1995 im Papageienhaus. „Ob das eine gute oder schlechte Zeit war, kann ich jetzt noch gar nicht sagen“, grübelt Schilke, wie beim gesamten Projekt vertraut der Künstler auch bei diesem sehr persönlichen Urteil auf den Prozess seiner Arbeit.
Ungefähr 144 Zimmer habe es nach seinen Berechnungen gegeben, erklärt Eugen Schilke. Auf dem Tapeziertisch zeigt er mehrere Pappmodelle, von den markanten L-Räumen, aber auch von den Hauseingängen, die sich in sein Gedächtnis gebrannt haben. Wenn er demnächst anfange, ehemalige Bewohner des Hauses zu interviewen, überlegt der Künstler, könnten diese Pappmodelle wohl wieder zum Einsatz kommen.
„Ich will keine klassischen Interviews führen, mit Fragebögen oder sowas. Und filmen will ich die ehemaligen Bewohner auch nicht“, sagt Eugen Schilke. Denn die Menschen sollen in ihrer Erinnerungsreise ins Papageienhaus ganz frei sein, so frei, wie es auch der Künstler war, als er seine ersten Notizen machte. Deswegen bekommen die Bewohner – „vielleicht“, betont Schilke – jeweils ein Pappmodell, mit dem sie sich erinnern können, wer wo geschlafen hat, wo welches Möbelstück stand, an das Leben zu dieser Zeit eben.
Ausstellung zum Meidericher Papageienhaus ist 2021 zu erwarten
Wie die Exponate der Ausstellung im Sommer 2021 aussehen werden, weiß Eugen Schilke noch nicht, „das entwickelt sich alles noch“. Mit Blick auf die bisherige Arbeit des Künstlers und anhand der nahezu greifbaren Leidenschaft für das Thema dürfte aber eine faszinierende Ausstellung zu erwarten sein, nicht bloß für geschichtsinteressierte Duisburger.
Schon jetzt freut sich Eugen Schilke, überhaupt die Möglichkeit zu haben, an dem Projekt zu arbeiten. „Ich will der Kulturszene und der Stadt meinen Dank aussprechen, aber auch der Bürgerstiftung und der GLS, mich als ‘nicht echter’ Duisburger mit dem Thema auseinandersetzen zu können“. Bis zum Ende des 18-monatigen Projekts buddelt Schilke jedenfalls weiter, nach Erinnerungen und Gefühlen – auf fremden Äckern und auf seinem eigenen.