Düsseldorf/Duisburg. . Anwälte der Angeklagten im Prozess um die Loveparade-Katastrophe zweifeln die Verwertbarkeit der Expertise des Panikforschers Keith Still aus formalen Gründen an. Bekämen sie recht, würde der Prozess platzen. Die Einwände weisen die Ankläger in einem Bericht an den Justizminister zurück.
Im Streit um ein zentrales Gutachten zur Loveparade-Katastrophe hat die Staatsanwaltschaft Duisburg Zweifel an dessen gerichtlicher Verwertbarkeit zurückgewiesen. Es treffe nicht zu, dass der britische Wissenschaftler Prof. Keith Still die Mitwirkung Dritter an seiner wissenschaftlichen Expertise nicht kenntlich gemacht hätte, heißt es in einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts, den NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) Dienstag dem Rechtsausschuss des Landtags zuleitete.
Der brisante Hintergrund des Berichts: Hätte der renommierte Panik-Forscher Still über die volle Urheberschaft seines Gutachtens getäuscht, könnte sich die zuständige Strafkammer des Landgerichts Duisburg gegen dessen Verwertbarkeit für das Hauptverfahren entscheiden – und damit den gesamten Loveparade-Prozess zum Platzen bringen.
Innenminister Jäger wollte Fragen der Veranstaltungssicherheit klären
Still sei im April 2011 bei der Staatsanwaltschaft Duisburg förmlich als Sachverständiger beauftragt und zur Verschwiegenheit verpflichtet worden, heißt in den Ausführungen für Justizminister Kutschaty. Bei diesem Termin sei auch die Wissenschaftlerin Sabine Funk verpflichtet worden. Sie sollte auf Bitten des Briten als „Kontaktvermittlerin und Übersetzerin“ eingesetzt werden. Ihre Einbindung „als Hilfskraft des Professors“ sei auf eigenen Wunsch Mitte Januar 2012 wieder zu Ende gegangen. Auch ihre Nachfolgerin sei bekannt gewesen und zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Die Duisburger Ermittlungsbehörde betont zudem, dass Funk „zu keiner Zeit an der eigentlichen Gutachten-Erstellung beteiligt gewesen“ sei.
Das Herausstellen der allenfalls nachrangigen Dienstleiterrolle Funks hat einen besonderen Grund: Die Wissenschaftlerin wirkte zwischen 2011 und 2013 auch noch „ehrenamtlich und unentgeltlich“ in der Arbeitsgruppe „Sicherheit und Großveranstaltungen im Freien“ des NRW-Innenministeriums mit. Nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und 652 zum Teil schwer verletzten Besuchern wollte Innenminister Ralf Jäger (SPD) darin praktische Fragen der künftigen Veranstaltungssicherheit klären lassen.
Chronik einer Katastrophe
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Gab es einen Interessenkonflikt?
In Funks zeitweiliger Doppeltätigkeit als rechte Hand des staatsanwaltschaftlichen Sachverständigen Still und als Gremienmitglied bei Minister Jäger erkennen einige Anwälte der Beschuldigten einen nicht hinnehmbaren Interessenkonflikt. Unter den zehn Angeklagten befindet sich schließlich kein einziger Vertreter der Polizei, die wiederum Innenminister Jäger untersteht.
Das Still-Gutachten gilt als sehr bedeutsam in der Gesamtschau der mehr als 37.000 Seiten Verfahrensakten. Im Februar hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen mit der Vernehmung von 3400 Zeugen abgeschlossen und dem Landgericht eine 556-seitige Anklageschrift mit zehn Beschuldigten aus der Stadtverwaltung Duisburg und den Reihen des Veranstalters vorgelegt. Mit der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.
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