Duisburg.

Rechtsanwalt Uwe Tegtmeyer erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft, weil die nach dem Loveparade-Unglück nicht gegen OB Sauerland und Lopavent-Chef Schaller ermittelt. Er hat juristische und persönliche Gründe.

Den Oberbürgermeister seiner Stadt schätzte er lange als Mann der Tat, als einen „Duisburger Jung“, der viel in Bewegung gebracht hat. Und dennoch wagt der Duisburger Rechtsanwalt Uwe Tegt­meyer nun einen ungewöhnlichen Schritt: Weil die Staatsanwaltschaft wegen des Unglücks auf der Loveparade nicht gegen OB Adolf Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller ermittelt, erhebt er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Behörde.

Als die Loveparade ihren Anfang nahm, am Samstag, dem 24. Juli, saß er auch hier, in seinem Büro mitten in der Innenstadt. Er hörte die Musik, er sah den Zug der Feiernden vorbeiziehen. Und weil er in all dem Getöse nicht arbeiten konnte, stand er auf von seinem Schreibtisch, ging in die Stadt, einen Kaffee zu trinken. Nichts ahnend, was auf ihn, was auf seine Stadt noch zukommen würde. Heute, ein halbes Jahr danach, bemüht er sich um Sachlichkeit. Laute Töne sind nicht sein Stil. Aber empört ist er dennoch über die kürzlich veröffentlichten ersten Ergebnisse der Staatsanwaltschaft. So, wie viele, die das in Duisburg auf die simple Formel bringen: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“.

Brief an Sauerland

Seine Verärgerung, die begann bereits am Tag nach der Loveparade. Davor, da war die Sorge um seine beiden Söhne, die 27-jährigen Zwillinge Marius und Claas. Die stundenlange Unsicherheit, ob ihnen etwas passiert sei. Das Warten. Schließlich der erlösende Anruf.

Am Morgen danach zog es Tegtmeyer Richtung Rathaus, in der Erwartung einer von Hunderten, vielleicht von Tausenden zu sein. Doch außer ihm waren da vor allem die Medien, und so verfolgte er in einem WDR-Übertragungswagen die inzwischen zigfach in Filmausschnitten gezeigte Pressekonferenz nach dem Unglück. „Das waren grausame Statements. Sie waren so schlecht vorbereitet. Sie zeigten so wenig Feingefühl!“, sagt der Anwalt kopfschüttelnd.

So verärgert war er, dass er sich spontan hinsetzte und einen Brief an Sauerland schrieb: „Sie haben für die Stadt Duisburg Gutes getan. Tun Sie der Stadt Duisburg einen letzten wichtigen, den wichtigsten Dienst in ihrem Leben, übernehmen Sie die politische Verantwortung und treten Sie noch heute zurück.“

Bekanntlich tat der das bis heute nicht. Mit Folgen, die Tegtmeyer ihm schon Ende Juli voraussagte.: „. . . wenn Sie sich nicht politisch und gesellschaftlich demontieren und atomisieren lassen wollen.“ Wie nahe er der Realität kommen würde, konnte der Anwalt nur erahnen. Bis heute verweigern sich die Bürger der Stadt immer wieder, mögen sie nicht „als Staffage“ für Sauerlands öffentliche Auftritte herhalten. Uwe Tegtmeyer: „Ich glaube, er wurde von seiner Partei schlecht beraten!“

Tegtmeyers Söhne waren auf dem Weg zur Party in die Massenpanik geraten, kamen wie viele traumatisiert zurück. Sie setzten ein Gedächtnisprotokoll auf, ihr Vater erstattete Strafanzeige gegen unbekannt. Dass die Staatsanwälte keine sechs Monate nach dem Unglück erste Ergebnisse vorweisen können, dass sie sich durch Berge von Akten, Videos und Hunderte von Zeugenaussagen wühlten, schätzt er als „beachtliche Arbeit“. Dennoch kann er nicht verstehen, dass ausgerechnet gegen jene beiden Männer, die für ihn die politische Verantwortung trugen bzw. Initiator der Party waren, „nicht einmal ein Anfangsverdacht“ bestehen soll.

Unterschrieb er nichts?

Tegtmeyer geht sogar soweit, eine Parallele zu den Nürnberger Prozessen der Nachkriegsjahre zu ziehen: „Politisch Verantwortliche können sich nicht aus der strafrechtlichen Verantwortung ziehen und sich verteidigen, sie hätten nichts unterschrieben“. Sollte der OB als Chef der Verwaltung tatsächlich nichts unterschrieben haben, dann „hat er sich auch nicht gekümmert, was ein grobes Unterlassen gebotenen Handelns darstellt“, so der Anwalt. Gerade weil die Stadt Bochum die Veranstaltung wegen der Risiken abgesagt hatte, hätte sich Sauerland der Gefahr bewusst sein müssen.

Uwe Tegtmeyer agiert als Vater, als Jurist, als Bürger Duisburgs. Und selten hat er so viel Zuspruch, so viele Briefe, Anrufe, Schulterklopfer bekommen wie in diesen Tagen.