Duisburg. Erstmals auch in der Kernverwaltung. Bei den Wirtschaftsbetrieben wurden in Spitzenzeiten bis zu 200 Leiharbeiter beschäftigt. Deren Zahl ist mittlerweile gesunken. Insgesamt steigt die Zeit- und Leiharbeit in Duisburg stark an. Sie gilt mittlerweile als „Normalität“.

Am Montag vergangener Woche verkündete ein Rathaussprecher noch, die Kernverwaltung beschäftige keine Leiharbeiter. Tags drauf wurde öffentlich, dass sie fünf Zeitkräfte ordern will, um einen Berg offener Rechnungen für Rettungsfahrten der Feuerwehr abzuarbeiten. „Das ist der Hammer“, sagt ein altgedienter Gewerkschafter. Leiharbeit im öffentlichen Dienst ist in Duisburg ein sehr spezielles Thema.

Man muss bundesweit lange suchen, um so viel Leiharbeit im öffentlichen Dienst zu finden, wie hier. Insbesondere die Wirtschaftsbetriebe (WBD) haben das Instrument intensiv genutzt. Bis zu 200 Beschäftigte kamen zu Spitzenzeiten vor sechs bis acht Jahren von Leihfirmen, bei insgesamt 1700 Mitarbeitern, berichtet Verdi-Personalrat Marcus Drewes, der auch um die Besonderheit weiß, dass der öffentliche Dienst in Duisburg auf Leihkräfte setzt: „In anderen Städten kennen viele dieses Thema nicht.“

Duisburger Phänomen "aus Not und Elend geboren"

Dieses Duisburger Phänomen sei „aus Not und Elend geboren“, urteilt Thomas Keuer, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Niederrhein. „Die Stadt baut Personal ab und wenn neue Aufgaben zu bewältigen sind, bricht wilde Hektik aus.“ Dass Lücken dann mit Leihkräften gestopft werden können, belohne die Stadt und viele andere Arbeitgeber nur dafür, dass sie nicht rechtzeitig genug Nachwuchskräfte ausbilden, so der Gewerkschafter.

In langen und zähen Verhandlungen konnte die Personalvertretung bei den Wirtschaftsbetrieben die Zahl von 200 Leiharbeitern immerhin herunter handeln auf heute um die 30. „Das sind immer noch 30 zu viel“, sagt Drewes. „Wir drängen immer wieder darauf, die Leiharbeit bei den Wirtschaftsbetrieben ganz zu beenden. Da sind befristete Verträge ja noch besser.“

Gründe: Die nur gemieteten Kollegen werden oft wesentlich schlechter bezahlt als die Stammkräfte. Bei der Straßenreinigung soll es Kollegen gegeben haben, die mit 950 Euro netto nach Hause gingen. Sie hätten bei der Leihfirma unterschreiben müssen, dass sie ihre Verträge niemandem zeigen. Für die Entleiher sei Leiharbeit unterm Strich zudem teurer, weil die Verleihfirmen an den Arbeitern verdienen, so Drewes. Volkswirtschaftlich sei es auch besser, wenn Leihkräfte mehr Gehalt in der Tasche haben.

Die Wirtschaftsbetriebe indes beteuern, sie benötigten Leiharbeiter, um Spitzen abzudecken, etwa im Grünbereich für Aufräumarbeiten nach Pfingststurm Ela oder zur Vertretung von Dauerkranken, berichtet WBD-Sprecher Volker Lange. Wie viele Zeitkräfte einen Dauerjob bei den Wirtschaftbetrieben gefunden haben, ist nicht zu ermitteln. „Es sind aber einige“, sagt Lange. Denn auch die gemieteten Kollegen könnten sich intern bewerben.

Beschäftigung von Zeit- und Leihkräften seit 2010 von 5300 auf 7200 gestiegen 

Die Beschäftigung von Zeit- und Mietkräften nimmt in Duisburg zu. 5300 waren es im Sommer 2010, aktuell zählt das Jobcenter rund 7200 Beschäftigte in solchen Anstellungsverhältnissen. 6200 davon sind bei Zeitarbeitsfirmen angestellt, um anderen Arbeitgebern kurzfristig überlassen zu werden.

Für das Jobcenter ist der Bestand an Leiharbeitern vor allem ein Konjunkturbarometer: Wenn Wirtschaft und Arbeitsmarkt anziehen, steige auch die Zahl der Leiharbeiter, erklärt Behördensprecher Michael Pfeifer. Jobcenter-Chef Norbert Maul ergänzt: „Leiharbeit ist mittlerweile Normalität. 40 Prozent der offenen Stellen bei uns in Duisburg sind heute Zeit- und Leiharbeit.“

Vom ursprünglichen Gedanken ist indes wenig übrig geblieben. Als die Zeitarbeit mit den Hartz-Reformen eingeführt wurden, hofften die Agenda-Politiker auf „Klebeeffekte“, also dass Chefs ihre Leihkräfte nach guten Erfahrungen behalten. Die damals überall gegründeten Personalservice-Agenturen (PSA) mit öffentlichen Trägern wie Städten, manchmal sogar Kirchen, sind aber mittlerweile Geschichte. Das Geschäft mit den Leiharbeitern machen vor allem private Firmen. Und in Duisburg auch städtische Töchter wie die Servicegesellschaft Octeo oder die Gesellschaft für Beschäftigungsförderung GfB mit Unterfirmen.

Die Gewerkschaft Verdi am Niederrhein sieht Leiharbeit grundsätzlich kritisch. In Gegenden mit starker Beschäftigungsquote mag sie vielleicht helfen, feste Jobs zu finden. „Für Duisburg mit 40 000 Arbeitslosen und 2000 offenen Stellen ist Leiharbeit völliger Quatsch“, sagt Verdi-Bezirkschef Thomas Keuer. Sie biete Arbeitslosen keine Perspektive. Keuer: „Wir müssen zurück zu normalen Arbeitsverhältnissen mit normalen Probezeiten.“