Duisburg. . Privateigentümer enteignen, damit ein Unternehmen daraus Vorteile zieht, das gehe nur unter engen Bedingungen. Dieser Ansicht ist Prof. Dr. Stefan Muckel, der sich schon lange mit der umstrittenen CO-Pipeline von Bayer befasst. Er geht davon aus, dass die Karlsruher Richter das Gesetz kassieren.
Mehr als 150 Gutachten sind verfasst worden zur umstrittenen CO-Pipeline des Bayer-Konzerns. Letztlich werden wohl nicht vermeintliche Mängel an Technik, Sicherheit und Trassenwahl den Ausschlag geben, sondern die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes für die Rohrleitung, das der Landtag 2006 erließ. Prof. Dr. Stefan Muckel hat darauf bereits 2007 in seinem Gutachten für die Stadt Monheim hingewiesen. Über den OVG-Beschluss und das weitere Verfahren in Karlsruhe sprachen wir mit dem Kölner Verfassungsrechtler.
Wie war Ihre Reaktion auf den OVG-Beschluss in Münster?
Stefan Muckel: Ich sehe mich in meiner Ansicht auf der ganzen Linie bestätigt. Das Gesetz ist verfassungswidrig. Privateigentümer enteignen, damit ein Unternehmen daraus Vorteile zieht, geht nur unter sehr engen Bedingungen. Ich hatte allerdings gehofft, dass es anders ausgehen würde.
Warum das?
Muckel: Ich habe erwartet, dass das OVG in Fragen der Sicherheit, des Trassenverlaufs und auch zur Abwägung größere Bedenken äußert. Ich hätte mir eine Entscheidung in Münster gewünscht.
Warum der OVG-Beschluss nicht reicht, sondern das Verfassungsgericht entscheiden muss, verstehen viele nicht.
Muckel: Berührt ist § 14 des Grundgesetzes, ein Verfassungsrecht. Da obliegt Karlsruhe immer die Entscheidung. Aber juristisch ist das eine knifflige Sache.
Wie lautet Ihre Erklärung?
Muckel: Die Voraussetzung für die Vorlage des Gesetzes beim Verfassungsgericht in Karlsruhe ist, dass es auf die Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes ankommen muss. Juristisch darf nur diese eine Frage entscheidend sein. Das bedeutet aber im Umkehrschluss für die Kläger: Im Sicherheits- und Planungsrecht ist nichts zu holen.
Im Planfeststellungsbeschluss, also der Baugenehmigung, ist Nachbesserung möglich und auch gesetzlich vorgesehen, hat das OVG ausgeführt. Ist Nachbesserung auch bei einem verfassungswidrigen Gesetz möglich?
Muckel: Theoretisch wäre das möglich. Der Gesetzgeber könnte versuchen, ein Gesetz zu erlassen, dass den Anforderungen entspricht. Der Gemeinwohlbelang müsste gesichert werden durch eine klare Bindung etwa an Laufzeiten, an Arbeitsplätze.
Gibt es Präzedenzfälle?
Muckel: Ja. Das Boxberg-Urteil, in dem Enteignungen für den Bau einer Auto-Teststrecke gescheitert sind. Und den Bau des Airbus-Werkes in Hamburg-Finkenwerder. Dort war die Bindung an Arbeitsplätze aber vergleichsweise leicht herzustellen. Bei der CO-Pipeline ist das schwierig – der Bayer-Vorstand hat schließlich schon laut über eine Trennung von dieser Sparte nachgedacht.
Wie kommt ein Gesetz mit solchen Mängeln in den Landtag ?
Muckel: Da hat Bayer gewiss gute Lobbyarbeit geleistet. Dass es Kontakte zwischen Unternehmen und Politik gibt, ist üblich und auch notwendig. Allerdings war klar, dass hier Grundrechte berührt sind. Da hätten in den beteiligten Ministerien die Warnlampen angehen müssen.
Was, wenn Ihre Prognose nicht zutrifft?
Muckel: Wenn es schiefgeht in Karlsruhre, dann brechen verfassungsrechtliche Dämme. Aber ich bin mir meiner Sache völlig sicher.