Holger Ellerbrock, Peter Jacques, Gisela Walsken und Erich Hennen beziehen Stellung
Holger Ellerbrock, FDP-Landtagsabgeordneter aus Huckingen, ist der "Liebling" der CO-Pipeline-Gegner. Denn er hat sich von Beginn an entschieden für das Projekt ausgesprochen, wenn es erhöhten Sicherheitsanforderungen entspricht. Über die aktuelle Diskussion zum Veenker-Gutachten sprach Mitarbeiter Martin Kleinwächter mit ihm.
Der Rat der Stadt Duisburg fordert Sie auf, sich für einen sofortigen Baustopp einzusetzen. Werden Sie das tun?
Ellerbrock: Nein. Der Beschluss ist an Heuchelei kaum zu überbieten, ist doch die Leitung zu 80 % schon fertig, in Duisburg nahezu vollständig.
Und wie sieht es mit der Rücknahme des Enteig-nungsgesetzes aus?
Ellerbrock: Nein, es ist doch vor kurzem mit großer Mehrheit zum zweiten Mal vom Landtag bestätigt worden. Für die Vernetzung der nordrhein-westfälischen Chemie-Standorte sind solche Leitungen zwingend. Sonst hat dieser Standort nämlich im globalisierten Wettbewerb keine Chance mehr. Forschung und zukunftsorientierte Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung würden sonst wegfallen. Diese Arbeitsplätze aber sind die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Sozialsysteme und unseren hohen Lebensstandard in Zukunft halten können.
Aber das Gutachten wirft doch einige Fragen auf. Macht Sie das nicht nachdenklich?
Ellerbrock: Ich kenne das Gutachten bisher doch nur aus der Presse. Eine Stellungnahme der verantwortlichen Bezirksregierung oder von Bayer gibt es doch auch noch nicht. Erst wenn diese Positionsbestimmungen gemeinsam vorliegen, kann verantwortlich sachgerecht abgewogen werden. Deshalb halte ich ja auch das Vorgehen der Stadt Duisburg für populistisch, jetzt schon eine abschließende Bewertung zu treffen. Da fragt man sich, wie eine Industriestadt wie Duisburg mit Unternehmen künftig umgehen will. Eine Werbung für den Industriestandort Duisburg ist das jedenfalls nicht.
Aber die Bedenken zur Geogridmatte und zur Wahl der Trasse sind doch nicht von der Hand zu weisen, oder?
Ellerbrock: Meines Wissens nach soll die Matte mit den Warnbändern zusammen vorzugsweise nur auf den Verlauf der Leitung hinweisen. Aber auch das wird noch genau zu überprüfen sein. Was die Trasse angeht, so haben doch die Stadtwerke Duisburg im Raumordnungsverfahren im Jahre 2005 genau auf diese Trasse durch Ungelsheim hingewirkt, weil das südlich davon gelegene Wasserschutzgebiet nicht tangiert werden sollte. Wo hat hier die Stadt Duisburg denn warnend den Finger erhoben? Wenn Stadtdirektor Dr. Peter Greulich sich heute an die Spitze der Bürgerinitiative stellt, dann ist das an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Oder leben da alte Deindustrialisierungsvorstellungen auf Seiten der Grünen wieder auf?
Von Störfall-Szenarien irritiert
Peter Jaques aus Ungelsheim: Gutachten bestätigt leichtfertige Planung
"Das Gutachten ist bei mir etwas ambivalent (doppelwertig - d. Red.) angekommen", sagt Peter Jacques aus Ungelsheim. Er hatte die öffentlichen Proteste gegen die CO-Pipeline seinerzeit angestoßen. "Die Analyse bestätigt: Das Ding ist nicht state of the art (Stand der Technik - d. Red.)".
Mit dem vom Büro Dr. Veenker verfassten Teil könne er leben. Die Frage, wie leicht kann die Leitung kaputt gehen, habe eine "erschreckend hohe Wahrscheinlichkeit" durch Eingriffe von außen, etwa einen Bagger, ergeben. Und dabei seien Defekte wie Korrosion, Verarbeitungs- und Bedienungsfehler oder unsachgemäße Wartung noch gar nicht berücksichtigt. Nicht plausibel sei dagegen in dem von niederländischen Experten verfassten zweiten Teil für ihn die Frage beantwortet, was bei einem Leck passieren könne.
"Die Geogrid-Matte ist immer ein Feigenblatt gewesen"
Danach verursache nur jeder 70. Störfall ein Todesopfer. Die Problematik der Bündelung sei dabei wieder außer Acht gelassen, sagt Jacques. "Die Altleitungen übersteigen das Risiko der neuen Leitungen vielleicht um das Zehnfache", befürchtet er. Vor allem im politischen Raum sei die Risikobündelung in Wohngebieten noch nicht angekommen. "Für eine Stadt wie Duisburg ist das prekär." Dass es alleine auf Duisburger Gebiet 50 problematische Stellen gebe, sei ja nur "the best case" (der günstigste Fall - d. Red.). Die Feststellung gehe nämlich von einem Betriebsdruck von 13,5 bar aus. Genehmigt seien aber 40 bar. Davon werde im Moment zurückgerudert. "Denn bei 40 bar tatsächlichem Druck kriegen sie auf der gesamten Trasse vielleicht noch 50 Stellen, wo die Leitung okay ist." Fast jeder Punkt der Leitung liege dann im roten Bereich. "Die Geogrid-Matte ist immer ein Feigenblatt gewesen", sagt Peter Jacques zu der angeblich reißfesten Kunststoffmatte, mit der die Leitung abgedeckt werden soll. Im Versuch mit einem Bagger hatte sie keinen Widerstand ergeben. Und dass das Veenker-Gutachten beim TÜV-Gutachten jetzt das Fehlen einer quanitativen Risikoanalyse bemängele, hätten Kritiker von Anfang an beklagt. "Die Bezirksregierung hat da aggressiv die Augen geschlossen", so Jacques. Wenn Bayer gewollt hätte, hätte man noch rechtzeitig umplanen können. Nur hätten die Sermer und die Rahmer nichts davon gehabt. mkw Peter Jacques löste die öffentlichen Proteste aus.
Führung der Trasse kann kippen
Gisela Walsken: Neue Maßstäbe anlegen
"Wenn klar ist, dass es nach wie vor Probleme mit der Sicherheit gibt, dann darf durch diese Pipeline kein CO-Gas fließen." So reagierte die SPD-Landtagsabgeordnete Gisela Walsken gestern auf das Veenker-Gutachten. Nachdem nach den Professoren Falkenhain und Muckel mit Dr. Veenker ein dritter Gutachter Bedenken geäußert habe, "müssen nun neue Maßstäbe im Verfahren angelegt werden", so Walsken. Auch der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung könne nun in Teilen gekippt werden - etwa betreffend die Trassenführung durch die Wohngebiete. Gisela Walsken: Neue Maßstäbe anlegen.
Es geht nicht um den Normalfall
Erich Hennen: ("COntra Pipeline"): Regierungspräsident versteht Problematik nicht
Nach Ansicht von Erich Hennen von "COntra Pipeline" versucht Regierungspräsident Jürgen Büssow mit seiner Auslegung des Veenker-Gutachtens (siehe Bericht in dieser Ausgabe), von den schweren Versäumnissen seiner Behörde abzulenken. So hätten, anders als Büssow es darstelle, Hinweisschilder und das Trassenwarnband rein informatorische Bedeutung, keine Schutzfunktion. Auch die Fragestellung des Gutachtens habe Büssow offensichtlich nicht begriffen: "Es geht nicht um den Normalfall, also dass ein Baggerfahrer nur dort gräbt, wo er eine Genehmigung hat. Es geht um jene zehn Prozent der Fälle, wo ein Baggerfahrer eben ohne Erlaubnis oder außerhalb des genehmigten Bereichs arbeitet und mit der Pipeline in Berührung kommt." Und es gehe um so sensible Stellen wie die Braunlager Straße in Ungelsheim, wo die Leitung gleich zweimal hintereinander eine 90-Grad-Kurve aufweist. "Da helfen auch Markierungen nicht." Weil aber Schutzvorkehrungen wie der Geogridmatte in der Pipeline-Genehmigung so großer Stellenwert zukommt, habe Dr. Veenker wissen wollen, wie es denn ohne sie um die Sicherheit stehe. "Und dabei hat sich eben gezeigt, dass es selbst bei nur 13,5 bar Betriebsdruck im Duisburger Süden schon 50 unsichere Stellen geben würde." Bei 40 bar, wie genehmigt, sei fast keine Sicherheit mehr gegeben, ausgenommen etwa am Rheindüker." Wenn Büssow behaupte, durch Bauüberwachung sei ja sichergestellt, dass auch entsprechend der Genehmigung gebaut worden sei: "Wieso konnte dann eine 60 statt 80 Zentimeter breite Geogridmatte verlegt werden?", fragt Hennen. Es sei schlicht falsch, wenn Büssow jetzt behaupte, auch sie habe nur Warnfunktion. Hennen: "Warum soll sie dann reißfest sein?" Büssow sollte sich besser selbst einen Eindruck vor Ort verschaffen. Die verwendete Geogridmatte sei nicht nur nicht reißfest. Die Baggerführer würden sie als Hinderniss nicht einmal wahrnehmen. Und die Kabel mit den Steuerleitungen als Hindernisse für den Bagger anzuführen, sei ebenso lächerlich. Erstens würden sie nur seitlich an den Rohren verlaufen. Und zweitens durchschlage die Baggerschlaufel, die diese Kabel durchtrenne, dann auch das Rohr selbst.