Duisburg. . Der österreichische Bildhauer Erwin Wurm ist mit seinen abstrakten Skulpturen im Lehmbruck-Museum zu Gast: Was auf den ersten Blick wie ein Witz erscheint, hat Humor und Hintersinn.

Schon die erste Ausstellung des Zyklus „Sculpture 21st“, die das Lehmbruck-Museum im nördlichen Teil der großen Glashalle anlässlich des 50-jährigen Bestehens gezeigt hat, verführte die Besucher des Kant-Parks zu neugierigen Blicken. Das war die bewegte Skulptur „Kiss“ von Tino Sehgal, eine Choreographie mit einem Tanzpaar, das sich in inniger Umarmung scheinbar endlos küsste und dabei Kuss-Darstellungen aus der Kunstgeschichte zitierte. Auch Erwin Wurm zeigt einen Kuss. Aber weil diese beiden Figuren, die sich da küssen, aus Würsten zusammengesetzt sind, wirkt das erstmal wie ein Witz.

Tatsächlich arbeitet der 1954 in Österreich geborene Künstler, der bereits 1983 im Lehmbruck-Museum mit Figuren aus zusammen genagelten Brettern in der Ausstellung „Bella Figura“ zu sehen war, mit Wurstformen: Die dicke, kurze Bockwurst steht für Rumpf und Kopf, die sozusagen miteinander verschmelzen, die schlanke „Wiener“, die in Österreich „Frankfurter“ heißt, stellt Arme und Beine dar. Oder auch Finger, wie eine „Hand“ aus fünf Würstchen zeigt.

Die in Bronze gegossenen Würste werden entweder fleischfarben mit Acrylfarbe bemalt, was sie absolut echt erscheinen lässt, oder glänzend poliert, was ihnen eine edle Ausstrahlung verleiht. Seltsam widersprüchlich, kennt man die Wurst doch als alltägliches Lebensmittel von zartem bis knackigem Biss. Metallisch glänzend und in menschlicher Pose, schlüpft sie in die Rolle einer Skulptur zwischen Figur und Abstraktion.

Wurst macht Kunst heiterer und leichter

Menschen zu Skulpturen macht Wurm in seinen „One Minute Sculptures“, wenn er mutige Museumsbesucher veranlasst, sich auf kreuzförmig ausgelegte Apfelsinen zu legen oder Liegestütze auf Kaffeetassen zu machen oder sich einen Kleiderbügel mit Hemd in den Mund zu hängen. Das war das Konzept der Ausstellung, die bis Mitte Juli im Frankfurter Städel Museum zu sehen war.

Seit einem Jahr beschäftige er sich mit der Wurst, so Wurm. Er habe mit ihr einen Alltagsgegenstand gefunden, der sowohl einen Bezug zum Körperlichen hat als auch eine andere Perspektive auf den Menschen erlaubt als die schweren, wuchtigen und heroischen Abbildungen, mit denen er aufgewachsen sei. Die Wurst mache die Kunst heiterer, leichter und erträglicher. „Meine Kunst hat immer eine politische Aussage“, betont Wurm. Ein Thema seien etwa Schönheitsideale wie das vom neuen Mann, dessen Körper als muskulöser Macho-Typ gefragt sei.

Wenn Wurm kleinere Skulpturen dann auch noch auf alten Möbelstücken platziert, wird das Skurrile weiter gesteigert. Der „Turm der Sozialistischen Internationale“ steht auf einem weißen Hocker.