Essen/Duisburg.. Es wird scheppern, dass man denkt die alten Tage der Schwerindustrie sind zurück. Für die letzte Triennale-Saison unter Heiner Goebbels lässt eine Installation in Duisburg an lärmige Stahl-Zeiten denken. Und im Museum Folkwang gilt ein üppiger Bilderbogen der Welt der Arbeit.

Ganz Auge und Ohr zu sein, reicht bei der Ruhrtriennale des Heiner Goebbels nicht. Das Festival der Bühnenkünste mit dem 13-Millionen-Jahresetat aus der Landeskasse fordert auch in diesem Jahr sein Publikum – zu neuen Erfahrungen, zur Selbst- und Welterforschung, zu sinnlichen und Sinnsucher-Erlebnissen.

Am lautesten geschieht dies in der aktuellen Saison unterm Hochofen 2 im Duisburger Landschaftspark Nord. Unter dem 33 Meter hohen Trumm, aus dem früher Tag für Tag 800 bis 1100 Tonnen flüssiges Roheisen flossen, hat das brasilianische Künstlerduo „cantoni crescenti“ 50 Aluminiumplatten auf insgesamt 1800 Federn installiert.

70 Meter Kunst auf der Hochofenstraße

„Betreten verboten“? Das gilt allerdings nicht für die 70 Meter lange Installation auf der Hochofenstraße – im Gegenteil: Hier sollen die Besucher hinüberlaufen, sollen die Schwankungen der Platten aufnehmen, sollen ein Gefühl für den Raum entwickeln und spüren, wie die anderen auf der Platte sich bewegen.

Rejane Cantoni, die weibliche Hälfte des Duos, hat bei ersten Tests bereits festgestellt, dass fast allen Menschen, die sich auf diese spiegelnde Wackelpiste begeben, unwillkürlich ein Lächeln übers Gesicht huscht. Leonardo Crescenti, die andere Hälfte des Künstlerduos, verwies bei der Eröffnung am Freitag darauf, dass die spiegelnde Oberfläche der Installation auch an den Fluss des Roheisens erinnere, der hier früher zu sehen war. Das mag so sein, in jedem Falle wird es – bei steigendem Publikumszuspruch – mit der Installation unter dem Titel „Melt“ („Schmelze“) wieder so laut wie früher unterm Hochofen. Spötter führten schon den Begriff „Rudelhüpfen“ im Munde.

„Eine Einstellung zur Arbeit“

Sehr viel stiller, auch nachdenklicher ist dagegen die Film-Installation des vor Kurzem verstorbenen Filmregisseurs Harun Farocki und seiner Frau Antje Ehmann im Essener Folkwang Museum. „Eine Einstellung zur Arbeit“ beruht auf über 450 Kurzfilmen aus 15 Großstädten dieser Welt, in denen Farocki am jeweiligen Goethe-Institut das Filmen unterrichtete. Aus diesem reichen Fundus, der die alltägliche Arbeit der Menschen dokumentiert, sind nun 60 Arbeiten ausgewählt worden. Sie werden auf zehn Videowände projiziert, die in einem Folkwang-Raum von der Decke hängen.

Besucher spazieren dazwischen umher – und müssen in frei gewählter Reihenfolge den Sinnzusammenhang dieser Dokumentation selbst erschließen. Zwischen dem Hufschmied, der ein Gnu bearbeitet, und dem Zahnarzt, dessen Patient die Behandlung mit dem Smartphone filmt, zwischen der Kiosk-Kassiererin und den fernöstlichen Näherinnen, den Drehern in Johannesburg und der Gesangslehrerin in Boston, der Museumswärterin und einem OP-Team.

Film-Installation aus vielen Berufen

Die Vielzahl der Berufe, Länder und Sichtweisen mündet allerdings auch leicht in eine gewisse Beliebigkeit. Und es wächst die Frage, ob Kunst nicht aus einem gewissen Mindestmaß an Strukturen entsteht. Deshalb erschließt sich die Arbeit von Farocki/Ehmann, mit der sie den 45-Sekunden-Film der Brüder Lumière über die Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihre Fabrik verlassen, in zehn Städten der Welt noch einmal aufnehmen. Hier ist der Vergleich durch feste Rahmen und die Ordnung an der Wand geradezu augenfällig.

Weitere Informationen:

Die Installation „Melt“ ist bis zum Ende dieser Triennale-Saison am 28. September im Landschaftspark Duisburg Nord von 10 bis 23 kostenlos zu behüpfen. Zustande kam sie in Zusammenarbeit mit den „Urbanen Künsten Ruhr“.

Die Film-Installation von Harun Farocki und Antje Ehmann im Museum Folkwang ist ebenfalls bis zum 28. September zu sehen (Di-So 10-18 Uhr, Fr bis 22 Uhr). Eintritt: 5€, erm. 3,50€.