Duisburg. Die Zahl der Gegner des Factory Outlet Centers in Duisburg-Hamborn wächst. Selbst in der Politik, die das Projekt nahezu einstimmig beschlossen hatte, werden die Stimmen lauter, die Chance zum Ausstieg zu nutzen. Angefacht werden könnte die Debatte durch ein neues Buch des Architekten Walter Brune.

Selbst in der Politik, die das Factory Outlet Center (FOC) vor drei Jahren nahezu einstimmig beschlossen hatte, wächst die Front der Gegner des Megaprojekts in Hamborn: Grüne und Linke hatten sich bereits dagegen positioniert und würden im Rat für einen Ausstieg stimmen. Jetzt will SGU-Ratsherr Karl-Heinz Hagenbuck in einem Brief alle Ratsleute auffordern, ihren Beschluss zum Bau des Factory Outlet Centers aufzuheben. „Die Planung war von Anfang an ein Fehler“, sagt Hagenbuck.

Er hatte damals schon gegen das FOC gestimmt und kann nicht verstehen, warum Duisburg nicht aus den Fehlern in der Nachbarstadt lernen will: „In Oberhausen zeigt sich doch, wie das Centro die Innenstadt kaputt gemacht hat“, sagt Hagenbuck. Die gleiche Entwicklung werde auch Duisburg drohen: „Weder die umliegenden Stadtteile noch die Innenstadt werden profitieren. Denn die direkte Autobahnanbindung besagt doch: Direkt hin und sofort wieder zurück.“

"Das FOC wird nicht kommen"

SGU-Mann Hagenbuck hat sich im neuen Rat mit Piraten und Bürgerlich-Liberalen (BL) zur PSL-Fraktion zusammengeschlossen, innerhalb der Fraktion herrsche die gleiche Meinung. „Ich bin nicht erst seit heute der Meinung, dass das FOC nicht kommen wird“, sagt BL-Ratsherr Karsten Vüllings.

Die Störfallproblematik spreche dagegen, das Gebaren des Investors, die anders als beim Vorbild Roermond fehlende Anbindung an die Stadtmitte und allein die Verkehrsproblematik: „In Roermond endet die dreispurig ausgebaute Autobahn fast vor den Türen des Outlets, dennoch gibt es dort Rückstaus. Ich frage mich, wie ein solches Verkehrsaufkommen an der A59-Ausfahrt in Hamborn abgewickelt werden soll“, sagt Vüllings. „Ich glaube einfach, dass alle einfach nur Angst hat zuzugeben, dass das Ganze ein Schuss in den Ofen war.“

Rücktrittsrecht seit dem 30. Juni

Die Debatte über den Bau des Outlet-Centers in Hamborn ist neu entflammt, nachdem die NRZ vor einer Woche berichtet hatte, dass sich für die Stadt jetzt die letzte Gelegenheit zum Ausstieg aus dem Projekt bietet: Der vor drei Jahren geschlossene Vertrag über den Kauf des städtischen Grundstücks sieht sowohl für den Investor als auch für die Stadt ein Rücktrittsrecht vor. Diese Ausstiegsklausel tritt in Kraft, wenn bis zum 30. Juni 2014 keine Baugenehmigung vorliegt. Da dies nicht der Fall ist, wird der Rat wohl in seiner nächsten Sitzung Ende September vor der Entscheidung stehen, ob er das Projekt in Hamborn nun beerdigt oder ob er weiterhin an dem Investor festhält.

Die Debatte könnte durch ein neues Buch des Architekten Walter Brune angereichert werden: Der 88-Jährige, der innerstädtische Einkaufszentren wie die „Kö-Galerie“ und die „Schadow-Arkaden“ in Düsseldorf geplant hat, greift in seiner „Streitschrift“ zu den Factory Outlet Centern das Hamborner Projekt als Fallbeispiel auf.

Renommierter Architekt Walter Brune blickt hinter die Outlet-Kulissen 

„Blutsauger“ hat Walter Brune die Investoren von Factory Outlet Centern einmal genannt: Weil sie Stadt „leersaugen“ und ihr Einkaufsdorf nach ein paar Jahren an irgendeinen Fonds verkaufen würden und dann wieder verschwunden seien, während die Stadt vor die Hunde ginge.

Es sind stets deutliche Worte, die Brune verwendet. Der 88-jährige Düsseldorfer ist jedenfalls vom Fach, hat als Architekt, Stadtplaner und Immobilien-Unternehmer gewirkt, nach seiner Planung des Rhein-Ruhr-Centers in Mülheim von Projekten auf der grünen Wiese Abstand genommen und das Konzept der innerstädtischen „Stadtgalerien“ entworfen und in einigen Städten umgesetzt. Er kennt die Geschäftspolitik von Entwicklern und Investoren seit vielen Jahren und gibt in seinem neuen und dritten Buch zum Thema einen interessanten Einblick hinter die Kulissen.

Warum ein FOC so attraktiv für Investoren und Entwickler ist

An einem Rechenbeispiel zeigt Brune auf, warum ein FOC überhaupt so attraktiv für Investoren und Projektentwickler ist: Die Baukosten für ein Outlet mit 30.000 m² Verkaufsfläche beziffert er auf 75 Mio Euro, plus Grundstücke und Parkplatzflächen von 15 Mio Euro. Für Gebühren und Zinsen werden 10 Mio Euro fällig, weitere fünf Mio für Anlaufkosten, Marketing und Unvorhergesehenes. Unter dem Strich sind das 105 Mio Euro.

Die in dem Rechenbeispiel beschriebene Größenordnung nähert sich an das Duisburger Projekt an: Entwickler „Douvil“ plant in Hamborn mit 33.000m² Verkaufsfläche und spricht von 125 Mio Euro an Investitionen.

Nach dem Bau spielt das FOC eine Jahresmiete von 10,8 Mio Euro ein (30 Euro pro qm im Monat), verkaufen ließe es sich später für das 16- bis 18-fache, also rund 183 Mio Euro, rechnet Brune vor: „Der Gewinner ist ausnahmslos der Investor. Der Verlierer ist immer die betroffene Kommune.“

Zwei Zentren? „Völlig töricht!“

Denn sie zieht die Kaufkraft aus der Innenstadt ab, mahnt der Autor mehrfach und führt den „Schwindel beim Einzugsgebiet“ an: Immens groß sei das berechnet, bei Plänen im Ruhrgebiet sei stets die Rede von 13,5 Mio Einwohnern die Rede. Damit argumentiere aber auch das Oberhausener Centro, das Mülheimer Rhein-Ruhr-Center, die Thiergalerie in Dortmund, das Bochumer Ruhrparkcenter sowie das Center am Limbecker Platz in Essen. „Doch jeder Euro lässt sich bekanntlich nur einmal ausgeben“, sagt Brune.

Gewerbesteuer würden die Geschäfte im FOC auch nicht zahlen, denn die würden die Filialisten am Sitz ihrer Hauptverwaltung abführen. Zudem würde ein Outlet im vorhandenen Einzelhandel mehr Arbeitsplätze vernichten als dass es neue schafft: „Die im Vorfeld gemachten vollmundigen Versprechungen können leicht zu leeren werden“, sagt Brune, der den Duisburger Plänen ein ganzes Kapitel widmet und der Stadt voraussagt: „Die Folge wird eine irreversible Schädigung der Königsstraße als zentrale Einkaufsmeile sein.“

Schon die Planung der Politiker und Behörden, die Stadt in zwei Einkaufs-Hauptzentren zu halbieren, sei „städtebaulich völlig töricht“ gewesen. Doch bislang, schließt Brune sein Duisburger Kapitel, seien „alle Bemühung erfolglos geblieben, die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zur Vernunft zu bringen.“