Duisburg. . Der Flüchtlingsstrom nach Duisburg reißt nicht ab. Zu geplanten Heimen muss die Stadt jetzt schnell Notunterkünfte schaffen. Millionen Euro und etliche Unterkünfte ließen sich vielleicht sparen, wenn Duisburg Standort einer Asyl-Einrichtung des Landes wäre. Überlegungen dazu gibt es. In Essen hat Innenminister Jäger bereits angefragt.
Die Kriege und Krisenherde der Welt lassen den Flüchtlingsstrom auch in Duisburg dramatisch ansteigen. In der ehemaligen Grundschule an der Werthauser Straße in Hochemmerich richtet die Stadt nun eine erste zusätzliche Notunterkunft ein.
Schon übernächste Woche ziehen syrische Flüchtlingsfamilien, rund 30 Personen, dort ein. Zwei Monate später soll das Schulgebäude hergerichtet sein. Und die Stadt muss weitere Notunterkünfte suchen. Zugleich erwägt auch Duisburg, ob die Stadt Standort eines Übergangslagers des Landes werden könnte. Essen hat sich schon beworben. Der Vorteil: Weil die dort aufgenommenen rund 500 Flüchtlinge vor ihrer Verteilung auf die Kommunen auf das Stadtkontingent angerechnet würden, könnte Duisburg etliche Millionen Euro einsparen.
Flüchtlinge sollen nur vorübergehend in Schulen untergebracht werden
„Die Lage ist dramatisch“, erklärte Sozialdezernent Reinhold Spaniel auf einer kurzfristig anberaumten Bürgerinformation am Freitag im Bezirksamt Rheinhausen. Die Flüchtlingsunterbringung in der Schule soll nur vorübergehend sein, 2015 wird an der Deichstraße eines der sieben neuen und auf alle Stadtbezirke verteilten Asylunterkünfte gebaut. Sozialamt, Wohlfahrtsverbände und ein Wachdienst werden vor Ort sein. Sie sollen die Flüchtlinge betreuen, aber auch Anwohnersorgen aufnehmen. Spaniel bat bei der Veranstaltung auch die teils aufgebrachten Anwohner um eine „Willkommenskultur“ wie sie in der neuen Unterkunft in Wedau erfolgte: „Die Flüchtlinge rannten um ihr nacktes Leben“, blickte Spaniel nach Syrien oder in den Irak.
Stadt Duisburg sucht Unterkünfte
Fünf weitere Heime mit je rund 100 Plätzen sollen in diesem Jahr in Walsum (Königstraße) und 2015 in Obermarxloh (Holtener Straße), Hochheide (Zechenstraße), Kaßlerfeld (Kasslerfelder Straße) und in Hochemmerich (Deichstraße) entstehen.
Sozialdezernent Spaniel bleibt bei der Linie, erst nach abgeschlossener Prüfung neue Orte zu nennen: „Wenn von geprüften 30 nur ein oder zwei übrig bleiben, darf es bei 28 keine Diskussionen, Ängste und Widerstände geben. Das kann keiner wollen“, sagte er zur WAZ.
1500 Flüchtlinge hat Duisburg nach dem verbindlichen Zuteilungsschlüssel schon aufgenommen. 100 kommen im Monat dazu, ab Oktober sogar 130, hat das Land angekündigt. Intensiv sucht Spaniel nach weiteren Unterkünften – unter Zeitdruck und mit großen Problemen. So kann selbst die Jahrzehnte genutzte alte Jugendherberge am Kalkweg nach einer Begehung aus Brandschutzgründen nun nicht mehr genutzt werden.
Groß-Asyl würde auch Haushalt der Stadt Duisburg entlasten
SPD-Fraktionschef Herbert Mettler hält eine Asyl-Unterkunft des Landes in Duisburg für einen möglichen Weg. Er hat dabei vor allem den Spareffekt als Beitrag zur Haushaltssanierung im Blick: „Wir müssten die Flüchtlinge ohnehin aufnehmen.“ Ein möglicher Standort müsste dabei „fein austariert werden“. Die CDU hat sich damit noch nicht beschäftigt, Fraktionschef Enzweiler hält es auf WAZ-Anfrage aber „im Prinzip für überlegenswert“ und erinnert daran: „Asyl ist ein Grundrecht. Grünen-Fraktionssprecherin Claudia Leiße meinte am Freitag zur WAZ: „Das könnte uns finanziell helfen. Eine Fläche müsste zu finden sein.“
Echte Sorgen, falsche Hetze - Ein Kommentar von Oliver Schmeer
Familien, die sich fremd sind und in Feldbetten in einer Turnhalle auf engstem Raum zusammenleben müssen; dem Morden aus Syrien entronnen. Das ist – größtenteils – die Realität des Asyls, der Flüchtlinge, die wir aufnehmen. Und nicht kriminelle Islamisten, Mörder mit Messern, Betrüger, Diebe wie es Pro-NRW-Ratsherr Malonn gestern auf der Bürgerversammlung weiszumachen versuchte. Da entlarvte sich die hetzerische Gesinnung und Stimmungsmache der Rechtspopulisten, die sich das Mäntelchen kommunalpolitischer Kompetenz und Bürgernähe umhängen.
Doch es gab Applaus von empörten Anwohnern. Aber wie damit umgehen, mit den vorgebrachten Sorgen, Ängsten, auch Vorurteilen und dem spürbaren Alleingelassen-Gefühl? Pro-NRW-Konsorten darf man das Feld dabei jedenfalls nicht überlassen. Es bleibt allein, den Anwohnern gegenüber ein besonnenes Fakten nennen und ruhiges Ernst nehmen ihrer – aufgestachelten – Widerstände. Das will die Stadt tun, auch Ansprechpartner sein. Mit den Anwohnern kann und muss man reden, mit den Polit-Aufwieglern ist dagegen jedes Diskutieren vergebens.
In Wedau hat sich Argwohn in Willkommenskultur verwandelt
Und dies: Die Zeit und der Alltag bringen meist die Erkenntnisse, dass die Flüchtlinge nur Frieden und Sicherheit wollen. Man schaue zur Masurenallee in Wedau, wo sich Argwohn in Willkommenskultur wandelte. Da ist kein Brennpunkt, kein krimineller Schmelztiegel, nicht mehr Zwist als zwischen deutschen Gartenzäunen.
Besonnen und offen lässt sich auch abwägen, ob eine größere Asyl-Einrichtung in Trägerschaft des Landes ein möglicher Weg ist. Sie ersparte Duisburg sieben oder acht auf die Stadtteile verteilte Unterkünfte und dazu etliche Millionen Euro Ausgaben. Die Idee wurde schon vor einem knappen Jahr in Erwägung gezogen, aber zu hitzigen Zeiten in Neumühl vor der Kommunalwahl gestoppt. Es mag jetzt Zeit sein, darüber im breiten Kreis zu reden.