Duisburg. Die beiden großen Duisburger Reiseunternehmen Alltours und Schauinsland-Reisen sollen Gewerbesteuern im zweistelligen Millionen-Bereich nachzahlen. Grund ist eine neue Steuerpraxis bei den Finanzbehörden. Schauinslandreisen-Chef Gerald Kassner will dagegen klagen.

Trotz der Ferien und der Reisefreude der Deutschen ist die Stimmung in den Vorstandsetagen der beiden großen Duisburger Reiseunternehmen am Innenhafen nachhaltig getrübt.

Alltours und Schauinsland-Reisen stehen saftige Gewerbesteuer-Nachzahlungen ins Haus. Es geht für den fünft- und sechstgrößten deutschen Reiseveranstalter um Beträge im zweistelligen Millionen-Bereich.

Neue Praxis der Finanzbehörden

Hintergrund ist die neue Praxis der Finanzbehörden, auch angemietete Hotelkontingente dem Anlagevermögen der Veranstalter zuzurechnen und entsprechend zu besteuern. Eine „katastrophale Belastung“ nannte Schauinslandreisen-Chef Gerald Kassner die drohenden Forderungen bereits zu Jahresbeginn und kündigte im NRZ-Interview an, dagegen klagen zu wollen, „notfalls bis nach Karlsruhe“. Bei Schauinsland-Reisen läuft gerade die Betriebsprüfung.

Der Umfang der Nachforderung sei noch nicht absehbar, sagte Prokurist Klaus Erdmann: „Es kann im schlimmsten Fall zu einer Verdoppelung der Jahresgewerbesteuer kommen, was eine Übermaßbesteuerung qua extremer Gesetzesauslegung bedeuten würde.“

Alltours-Chef Verhuven schreibt Erwiderung über 78 Seiten

Bei Alltours sind die Steuerprüfungen inzwischen abgeschlossen, der Feststellungsbescheid liegt vor. Die Nachforderungen umfassen die Jahre 2008 bis 2013, es geht um einen zweistelligen Millionen-Betrag, bestätigte ein Alltours-Sprecher der NRZ. Firmeninhaber Willi Verhuven hat dagegen nicht nur Einspruch eingelegt, sondern auch eine 78-seitige Erwiderung an das Finanzamt Duisburg und die zuständigen Ministerien in Düsseldorf und Berlin geschickt. „Das Gesetz macht unser Geschäftsmodell kaputt“, erklärt Verhuven.

Auf einer Pressekonferenz vor wenigen Tagen machte der Alltours-Chef die Folgen deutlich: In einem Jahr habe das Unternehmen 10 Millionen Euro Gewinn gemacht und dafür 3 Mio Steuern abgeführt. Die Nachforderung beliefe sich für das Jahr auf 9 Mio Euro, unter dem Strich müsse Alltours also 2 Mio Euro mehr Steuern zahlen als man überhaupt Gewinn gemacht habe.

Keine Einflussmöglichkeit der Stadt

Was die erfolgreichen Touristik-Unternehmer in Wallung bringt, lässt den Kämmerer die Hände reiben: Denn Profiteur ist die Stadt Duisburg. Die Gewerbesteuer liegt in der Hoheit der Kommunen und fließt komplett ins Stadtsäckel. Allerdings betont man auf NRZ-Nachfrage im Rathaus, auf die Steuer-Praxis keine Einflussmöglichkeit zu haben: Die Neuregelung beruhe auf einem Erlass der obersten Finanzbehörden vom 2. Juli 2012, der ab dem 2008 anzuwenden ist. „Zuständig ist ausschließlich die Finanzverwaltung, die Stadt hat die Feststellungen des Gewerbesteuermessbescheides uneingeschränkt zu übernehmen“, erklärt eine Sprecherin.

Die Höhe der Mehreinnahmen durch die umstrittene Steuer-Auslegung kann die Stadt nicht beziffern: Inwieweit Nachforderungen geltend gemacht werden, sei im Rathaus nicht bekannt. „Im Übrigen unterliegt der Sachverhalt auch dem Steuergeheimnis“, so die Sprecherin: Es gebe in Duisburg nur zwei Steuerpflichtige, die das Thema berührt.

Auch Schauinsland-Reisen macht Druck auf die Finanzämter: Gemeinsam mit dem Deutschen Reise Verband habe man sich „auf ministerieller Ebene positioniert“, wie es Prokurist Erdmann formuliert. Sollten die Finanzbehörden bei der Praxis bleiben, sieht Erdmann für kleine und mittlere Veranstalter ohne Finanzpolster eine „existenzbedrohende Dimension“, Großveranstalter würden eine Verlagerung der Betriebstätten ins Ausland in Erwägung ziehen.