Duisburg. . Nur wenige Filmstoffe haben den Weg auf die Opernbühne geschafft. Doch was aus Fatih Akins „Gegen die Wand“ im Operngewand wurde, ist nicht ohne Kraft. Zwar mehr Filmmusik als Avantgarde, aber doch eine Chance, ein anderes Publikum zu gewinnen. Die Rheinoper mit Schauplatz Duisburg zeigt jetzt eine Inszenierung.
Große Filmstoffe wirken auf der Opernbühne selten erfolgversprechend. Ludger Vollmers Oper „Gegen die Wand“ nach dem Kultstreifen von Fatih Akin scheint eine Ausnahme zu bilden und unterstreicht auch an der Deutschen Oper am Rhein ihre Repertoirequalitäten. Dabei strebt der Berliner Komponist eine „gleichberechtigte Behandlung“ von westlicher und türkischer Musik an.
In Duisburg gelingt es, auch wenn Vollmer mit dem Geschick eines Filmkomponisten den Schwerpunkt auf türkische Vorbilder legt und westliche Anteile auf melodisch weit gespannte Rezitative und minimalistische Orchestereinschübe reduziert. So bestimmt türkisches Kolorit die farbige, rhythmisch vitale Partitur, die nicht auf dem Stand eines avantgardistisch orientierten Musiktheaters steht, aber junge, vielleicht sogar türkische Publikumsschichten erschließen könnte.
Gesungen wird türkisch und deutsch
Gesungen und gesprochen wird deutsch und türkisch mit Übertiteln. „Gegen die Wand“ ist der Kampf zweier junger türkischer Leute, die sich in Deutschland und in ihren traditionsbewussten Familien dem Dickicht kommunikativer Mauern ausgesetzt sehen. Um sich Zwängen zu entziehen, gehen Cahit und Sibel eine Scheinheirat ein, verlieren jedoch den Halt und finden sich nach etlichen Krisen am Ende in Istanbul wieder. Ende offen. Eine drastische Geschichte mit Sex, Drugs and Crime wie auch ein einfühlsames Psychogramm.
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Doch gerade darin zeigt sich die Problematik der neuen Rheinopern-Produktion. Gregor Horres geht wenig dezent ans Werk. Schicksalsschweres Pathos bläht die schlichte Handlung zu einem Melodram auf, das eher die psychotischen Probleme der jungen Leute ins Licht rückt als die alltäglichen Widrigkeiten, die sich ihnen im Fadenkreuz zweier Kulturen entgegenstellen. Eine Entwicklung der Figuren wird so verhindert.
Regisseur nimmt zu sehr Partei
An sich wird in dem Stück niemand verurteilt. Auch nicht die traditionsbewussten Eltern. Doch Horres nimmt durch Überzeichnungen eindeutig Partei und verkennt, dass alle Verfehlungen als Ausdruck einer kulturell entwurzelten Irritation zu sehen sind.
Catwalk zerteilt das Parkett
Nicht gelingen will dem Regisseur auch die Verquickung mit Rap- und Breakdance-Einlagen, die die tüchtigen Künstler einbringen. Dunkel die Kulissen von Jan Bammes, eher überflüssig der Catwalk, der das Parkett zerteilt.
Grandios allerdings Şirin Kiliç, die die Rolle der Sibel bereits in der Bremer Uaufführung gesungen hat, und Günes Gürle als Cahit. Beide spielen und singen mit einer beeindruckenden Intensität und lassen die bleierne Pathetik vergessen. Wen-Pin Chien und Duisburgs Philharmoniker bringen die Partitur leuchtkräftig zum Klingen.
Viel Beifall für ein sehenswertes Stück auf hohem musikalischem Niveau mit einigen szenischen Fragezeichen.
25., 29. Juni, Theater Duisburg