Duisburg. Vor 20 Jahren gründete Martin Kaufmann die „Schmiede“, ein Restaurierungsatelier für technisches Kulturgut in Duisburg. Die Firma gilt als Spezialist, wenn es um das Aufmöbeln von Malocherwerkzeug geht. Die Fachleute aus dem Landschaftspark sind mit ihrem Wissen an vielen Ausstellungen beteiligt.
Was früher Mittel zum Malocherzweck war, ist heute Kultur. Industriekultur eben. Wer in Museen alte Technik bestaunt, hat mit einiger Sicherheit ein Stück Duisburg vor Augen: Viele Stücke sind im Restaurierungsatelier „Die Schmiede” aufgearbeitet und für spätere Generationen konserviert worden.
Die Duisburger Firma gilt als Spezialist fürs Aufmöbeln und Konservieren von technischem Kulturgut und Kunst, Skulpturen vor allem. Zur historischen Passion passt das Domizil: Ein Schalthaus am Landschaftspark Nord, eine von vier Trafostationen, in denen früher Stromspannung von 25 000 auf werksübliche 500 Volt herunter geregelt wurde. Wie die großartige Kulisse des alten Hochofenwerks als Kultstätte wird auch die Schmiede zwanzig Jahre alt. Sozusagen ein kleines im großen Jubiläum.
Spross einer alten Eisenfamilie
Gründer Martin Kaufmann (48) stammt aus einer Castrop-Rauxeler Eisenfamilie: 400 Jahre lang wurden die Männer der Sippe Schmied, der letzte – sein Großvater – starb 1948. Die Schmiede blieb stehen, hier (daher der Name) begann Kaufmann 1994 sein Unternehmen.
Die Arbeit mit alten Schätzen ist komplex, die inzwischen 14 Mitarbeiter sind oft Spezialisten. Fachliteratur – darunter alte Bücher wie das mehrbändige „Lueger-Lexikon der Technik“ – füllen Regale im Büro. Chemie und Physik, Kunst- und Industriegeschichte sind Pflichtwissen, um sich jedem Stück mit der gebotenen Sorgfalt zu nähern.
Ein Beispiel: Für eine Versicherung sollte die Schmiede an der Restaurierung einer Installation des US-Künstlers Frank Stella mitarbeiten. Die Konstruktion aus Aluminium und Magnesium hatte bei einem Brand Löschwasser abbekommen – Wasser, das Harnstoff enthält, Gift für Magnesium. Auf dem Metall blühten weiße Pusteln. Das richtige Vorgehen finden und ausprobieren dauerte wie so oft länger als die eigentliche Arbeit.
„Die Figuren platzen wie die Bockwürste“
Der Umgang mit Kunst erfordert Sorgfalt. „Es geht um Millionenwerte. Wenn man da etwas versaut, haftet man.“ Hat er schon mal ein Werk verdorben? Der Restaurator lacht: „Nee, dann gäb’s uns nicht mehr.“
Wichtige Projekte der Restauratoren
Fürs erste Großprojekt holte Kaufmann seinen Kommilitonen und WG-Mitbewohner Ulrich Feldhaus (47, heute Kompagnon der „Schmiede“) mit ins Boot: Die beiden richteten das Alliierten-Museum in Berlin Zehlendorf ein, die Ausstellungsstücke wurden von den abrückenden Soldaten der Besatzungsmächte angeliefert: Die Fassade eines Checkpoint-Charlie-Häuschens, Schilder („You are leaving the american Sector“), Waffen bis zum Panzer, ein kompletter Rosinenbomber, das erste Tonstudio des Berliner Radiosenders Rias. In vier Wochen gingen 400 Objekte durch die Hände der beiden Restauratoren. Jedes ein Stück Zeitgeschichte, Ikonen einer Epoche. „Das ist total spannend“, lacht Kaufmann.
In Duisburg hat Martin Kaufmann mit seinem Team den Lifesaver von Niki de Saint Phalle aufgearbeitet. Die Figur hatte Lack verloren, die Oberfläche Risse bekommen, eine Statik für die imposante Brunnenskulptur gab es nicht. Zur Restaurierung gehört, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. Saint Phalle hatte die Oberfläche in verschiedenen Techniken gestaltet. Die Farbe ist gesprüht, getupft, gemalt. „Diese Techniken drücken den Willen des Künstlers aus. Einfach übermalen verbietet sich“, sagt Kaufmann.
Mitgestaltet hat die „Schmiede“ auch die Ausstellung „1914“ auf Zollverein in Essen zur Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Duisburger transportierten die Schaustücke nach Essen und hievten sie mit einem Kran in die Mischanlage der Kokerei, die als Ausstellungsgebäude dient, darunter eine alte Feldhaubitze, ein Drehgestell der Wuppertaler Schwebebahn, Kriegerdenkmale und bronzene Gedenktafeln für Gefallene des Krupp-Konzerns.
Die Werkshalle an der Emscherstraße spiegelt diese Vielfalt. Unzählige Materialien lagern in beschrifteten Schränken: Säuren und Basen, Wachse, Harze und Pigmente, in Schubkästen sortiert Schrauben von ganz klein bis riesig.
Hier wird an kleinen und großen Aufträgen gearbeitet. Praktikantin Annika Tober kratzt mit Geduld die Patina von einer Etagenuhr eines Aufzugs. Die Mitarbeiterinnen Cindy Camilleri und Marianne Krischan arbeiten an einem Fahrrad Marke „Adler“, Baujahr 1936. In der Halle steht ein Geländer der Müngstener Eisenbahnbrücke, und auf einem Tisch liegt die Christusfigur von einem Friedhofskreuz, mit wachsimprägnierten Gips gefüllt, mit einer dünnen Kupferschicht galvanisiert. Das Problem, Kaufmann kennt es: Der Gips zieht Feuchtigkeit, dehnt sich aus. „Die Figuren platzen wie die Bockwürste.“
Manchmal brauchen die Restauratoren Pinzette und Pinsel, manchmal schweres Gerät. In Düsseldorf hat Kaufmann für eine Baustelle eine 65 Tonnen schwere Skulptur von Eduardo Chillida versetzt. Alle Standplätze für Kräne waren schon weggebaggert. Er hat eine hydraulische Hebeanlage konstruiert und die Kunst auf Schienen versetzt. Es ging um 20 Meter . . .