Duisburg.

Das verheerende Grubenunglück von Soma in der Westtürkei löst auch in Duisburg große Betroffenheit aus. Während sich gestern ein Team des türkischen Fernsehens zu einem Interview mit deutsch-türkischen Bergleuten traf, war zeitgleich in der Merkez-Moschee in Marxloh beim Freitagsgebet die trauernde Anteilnahme am Desaster von Soma ebenfalls groß.

Einige hiesige türkische Bergleute, so sagte gestern Seyit Calik, IGBCE-Gewerkschafter und Vorsitzender des Arbeitskreises „Integration-Migration“, hätten Freunde und Verwandte unter den knapp 300 Toten, „viele Kumpels auf Prosper Haniel in Bottrop kennen Kollegen in Soma und waren gestern schwer geschockt.“

„Streiks? Was soll das bringen?“

Doch mit Kritik an Sicherheitsbedingungen im türkischen Bergbau hält sich der türkischstämmige IGBCE-Gewerkschafter Cakir gleichwohl zurück: „Ich kenne die Verhältnisse in den Bergwerken dort nicht.“ Auch für spontane Streiks und abrupte Massenproteste der Bevölkerung in Soma mag der türkische Betriebsrat eher wenig Sympathie aufbringen: „Dieses Unglück hätte überall passieren können. Jetzt mit Streik, Gewalt und Sachbeschädigungen zu reagieren, was sollte so etwas bringen?“

Eine Position, die indes vom Duisburger IGBCE-Bezirksleiter Bodo Wilms nicht mit getragen wird: „Seit Jahren werden im türkischen Bergbau Sicherheitsstandards verhindert, die die Türkei international immer mit ausgehandelt hat.“

Selbst banale, allgemeine Sicherheitsgrundsätze würden unter Tage nicht greifen, weil es viel zu oft an der staatlichen Überwachung fehle, weil es keine funktionierenden Betriebsräte gäbe und auch keine Gesetze, auf die sich im Zweifelsfall Betriebsräte und klagende Gewerkschaften beziehen könnten. Wilms: „Das alles ist wirklich sehr bedenklich. Insofern kann sich solch ein Unglück keineswegs überall ereignen.“

Menschenverachtende Haltung

Auch Duisburgs Bürgermeister Erkan Kocalar zeigte sich gestern „emotional sehr berührt“ von der Katastrophe von Soma: „Fast 300 Tote. Grauenhaft!

Erst vor 14 Tagen hat das türkische Parlament noch einen Antrag zurück gewiesen, alle Bergwerke des Landes auf Sicherheit zu überprüfen.“ Und jetzt das Unglück! Arbeitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer spiele in dem Land eine dramatisch untergeordnete Rolle, sagte Kocalar.

„Die Türkei ist weltweit auf Platz 3, was die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle anbetrifft.“ Dann aber von „einem Betriebsunfall“ zu reden, sei menschenverachtend. Und, so der Bürgermeister weiter, es sei von Regierungschef Erdogan gegenüber Opfern und deren Familien verantwortungslos, gut gemeinte Hilfe vom Ausland zurückzuweisen. Kocalar: „Das ist eine Katastrophe, dort in Soma.“

Hunderte Tote bei Grubenunglück

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