Duisburg.

Wenn es an Heiligabend wieder eng wird auf den Kirchenbänken denken die wenigsten über ihr gegenwärtiges Sünden nach. Da sitzt die geschiedene Mutter neben dem unverheirateten Paar. Und der Wiederverheiratete neben zwei schwulen Männern. Allesamt Lebenswege, die mit den kirchlichen Vorstellungen eigentlich so gar nicht vereinbar sind.

Und fernab des Hochfestes vielen Katholiken das Leben mit ihrer Kirche schwer machen: Geschiedene vermissen die „Barmherzigkeit der Kirche“, Wiederverheirate leben eine „irreguläre“ Situation, voreheliche Beziehungen und gemeinsames Wohnen sind nicht erwünscht.

Wie weit die katholische Lehre und die Lebenswirklichkeit ihrer Anhänger auseinander liegen, zeigen die Rückmeldungen des Vatikan-Fragebogens, der für die Weltbischofssynode 2014 von Klerikern und Laien im Ruhrbistum ausgefüllt wurde. Und dessen Ergebnisse für Bernhard Lücking, Stadtdechant und Pfarrer in der Pfarrei Liebfrauen, keine Überraschung sind.

Wie hat die Gemeinde die Befragung aufgenommen?

Bernhard Lücking: Durchweg positiv. Nicht nur der Priester- und Diözesanrat hat sich beteiligt, sondern auch Interessierte über das Internet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die kirchliche Lehre oft nicht der Lebenswirklichkeit der Gläubigen entspricht...

Lücking:Diese Realität erleben wir seit Jahrzehnten. Ein Beispiel: Fast alle Menschen die sich bei mir trauen lassen, leben vorher schon zusammen. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen. Wir Seelsorger aber haben immer den Menschen zu sehen. Unsere Einstellung ist dann eine andere als die Kirchenlehre.

Sie halten sich also gar nicht so recht an die offizielle Kirchenlehre?

Lücking:Wir fragen uns immer: Wo und wie wird das Evangelium gelebt: Beim Thema Treue etwa wollen wir die Gläubigen bestärken, ganz gleich in welcher Lebensgemeinschaft sie leben. Da bringt es nichts, sofort mit Verboten zu kommen. Doch eines muss auch klar sein. Es kann nicht sein, dass der Zwiespalt weiter auf den Rücken der Seelsorger ausgetragen wird. Es müssen sich Lösungen bei der Bischofskonferenz finden. Das Problem ist aber, dass die Ergebnisse bei der Umfrage den unterschiedlichen Alltag in den Ländern widerspiegeln werden.

Was meinen Sie damit?

Lücking:Die Antworten aus Deutschland scheinen für uns eine Selbstverständlichkeit zu sein. Sind sie in anderen Ländern aber nicht. Manch einer im Vatikan wird vielleicht geschockt sein, wenn er erfährt, wie es hierzulande zugeht.

Haben Sie ein Beispiel?

Lücking:Eine erneute Heirat ist eine schwierige Situation als Katholik. Wir handeln dann im Einzelfall und nach unserem Gewissen. Einem glücklich liebenden Menschen muss die Kirche eine Heimat bieten.

Viele Katholiken wünschen sich den kirchlichen Segen auch für homosexuelle Paare. Hat sie das überrascht?

Lücking:Nein, denn so denkt momentan die Öffentlichkeit. Da sind die Medien nicht ganz unschuldig, was ich keinesfalls negativ meine. Die Gläubigen haben mehr Mut ihr Empfinden zu äußern. Und sie wollen einen Gott, der sich barmherzig zeigt und nicht Einzelne verstößt.

Sie würden Schwule und Lesben in Duisburg also den kirchlichen Segen geben?

Lücking:Nein, da sind uns die Hände gebunden. Denn dieser geht in die Richtung Trauung. Das erlaubt uns die Kirche schlichtweg nicht. Hier wird es auch sehr schwierig, einen vernünftigen Weg finden zu können.

Trotz aller Probleme werden an Weihnachten die Kirchen wieder voll sein. Ein Widerspruch?

Lücking:Es zeigt vielmehr die Sehnsucht der Menschen danach, Liebe und Wärme in einer kalten Zeit zu erfahren. Die Weihnachtsbotschaft ist dabei nichts anderes als die Menschenfreundlichkeit Gottes und die Kirche bietet dafür den besten Rahmen.