Duisburg. Was würde es bedeuten, wenn Investitionen in die Tunnelinfrastruktur ausbleiben? Das Szenario spielt die Duisburger Verkehrsgesellschaft ebenso durch wie den wohl letzten Ausweg, die 40 Mio Euro selbst in die nötige Zugsicherungstechnik zu stecken.

Bis 1992 tingelte die Straßenbahn über die Königstraße. Im schlimmsten Fall könnte das in nicht allzu ferner Zukunft wieder so sein: Die Duisburger Verkehrsgesellschaft lässt derzeit intern prüfen, was es bedeuten würde, die Stadtbahn wieder aus den Tunneln zu holen und oberirdisch fahren zu lassen. „Es gibt schlicht keine Alternative, wenn wir die Tunnel nicht mehr nutzen können“, erklärt DVG-Konzernchef Marcus Wittig im Gespräch mit der NRZ. Der Prüfauftrag sei quasi eine Verpflichtung, um in einem solchen Fall den Auftrag, einen öffentlichen Personennahverkehr anzubieten, mit den vorhandenen Mitteln erfüllen zu können.

Hintergrund ist in erster Linie die veraltete Technik der Zugsicherung. Ab 2024 kann sie nicht mehr genutzt werden. Wird sie nicht erneuert, muss der Fahrbetrieb im Tunnel stillgelegt werden. Wie mehrfach berichtet soll die neue Technik wegen der Gemeinschaftslinie U79 zusammen mit Düsseldorf ausgeschrieben werden — und zwar noch in diesem Jahr. Doch die Stadt Duisburg als Eigentümer der Tunnelanlage hat das nötige Geld nicht: 40 Mio Euro kostet die neue Technik, 4 Mio zahlt die DVG, 8 Mio steuert das Land über den VRR bei. Bleiben 28 Mio Euro, die die Stadt zahlen müsste, aber nicht kann.

Infrastruktur ist zum Teil älter als 40 Jahre

So unvorstellbar der Gedanke erscheinen mag, ein bestehendes U-Bahn-Netz aufzugeben, so deutlich wird diese Prüfung wohl wachrütteln. Denn die Zugsicherung ist nur der Anfang, sagt der Vorstandsvorsitzende Wittig mit Blick auf die Stadtbahn, deren Bau 1969 begonnen hatte: „Die Tunnelinfrastruktur ist zum Teil älter als 40 Jahre. Um die Instandhaltung hat sich lange Zeit niemand Gedanken gemacht.“ Es sei eine Frage der Zeit, bis Investitionen in die Bauwerke notwendig werden, sie würden in die Millionenhöhe gehen, vor allem wegen der gestiegenen Anforderungen an den Brandschutz. Auch hier wäre die Stadt als Eigentümerin gefordert. Hinzu kommen steigende Qualitätsansprüche wie zum Beispiel die Barrierefreiheit.

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Die Duisburger Verkehrsgesellschaft müsse in den kommenden Jahren ohnehin Millionen in ihre Anlagentechnik, in die Gleise, in mehr als 20 Jahre alte Zielanzeiger und Nachrichtentechnik oder auch in den Digitalfunk stecken. „Wir rechnen allein für die kommenden Jahre mit Investitionen von mehr als 250 Millionen Euro“, sagt Wittig. Alleine die neue Straßenbahn-Flotte wird mit rund 120 Millionen Euro zu Buche schlagen: die bis zu 30 Jahre alten Fahrzeuge haben bereits jetzt einen Abnutzungsgrad von 96 Prozent, bis 2024 sollen alle 45 Bahnen gegen neue getauscht sein.

Appell Richtung Berlin: DVG-Chef sieht den Bund in der Pflicht

„Dafür muss aber auch die Infrastruktur erhalten und erneuert werden“, sagt der Duisburger Konzernvorstand und sieht dabei den Bund in der Pflicht. Von den 1,5 Milliarden Euro, die in diesem Jahr in NRW verteilt werden, fließt nur ein kleiner Teil in den ÖPNV. „Die Mittel müssen deutlich aufgestockt werden“, fordert Wittig in Richtung Berlin, wo der Kuchen verteilt wird. „Ich halte es für sinnvoller, das Geld hier in die ÖPNV-Infrastruktur zu stecken als zum Beispiel nach Griechenland zu schicken.“

Zumindest für das drängendste Problem, nämlich die Erneuerung der Zugsicherung, prüft die DVG nicht nur die Alternative für den schlimmsten Fall, sondern noch einen anderen Ausweg aus der Misere: Anstelle der Stadt könnte die Verkehrsgesellschaft die Finanzierungslast auf sich nehmen. Fraglich ist, ob sich auch die zugesagte VRR-Förderung übertragen lässt. Um den nötigen Kredit von 28 Mio Euro zu stemmen, wäre aber zumindest eine Bürgschaft der Stadt nötig. Die Entscheidung soll in den kommenden Wochen fallen. Dann könnte die U-Bahn auch 2024 noch fahren.