Duisburg. . Die letzte Runde im Wettbewerb „1000 Ruhrideen“ von WAZ und RVR ist gelaufen. In Duisburg stellten jetzt Profis ihre Pläne für die Ruhr-Region vor. Die eingeschickten Leser-Ideen bleiben aber im Gespräch und sind an zuständige Stellen weitergeleitet worden.

Es ist dieses eine Wort, das wie eine riesige, lähmende Bleikugel am Ruhrgebiet zu hängen scheint: Strukturwandel. Und gleichzeitig gewinnt mancher den Eindruck, dass es auch die Universal-Erklärung für alle Probleme der Region ist. Das Ruhrgebiet macht sich auf, diesen Ballast abzuwerfen. Ideen müssen her, um unsere Region in die richtige Spur zu bringen. Deshalb hatten die WAZ und der Regionalverband Ruhr (RVR) einen Ideenwettbewerb zur Zukunft des Ruhrgebiets ausgerufen. Hunderte Visionen, Anregungen und Wünsche unserer Leser landeten auf dem Tisch der Regionalplaner des RVR. Gleichzeitig tüftelten Profi-Stadtplaner aus aller Welt an ihren eigenen Konzepten.

Im Landschaftspark Duisburg Nord, dort, wo eben dieser Strukturwandel von Schwerindustrie zum Dienstleistungsstandort längst vollzogen ist, präsentierten jetzt fünf ausgewählte Experten-Teams ihre Ruhrideen. Pläne für eine ganze Region, themenübergreifend, allerdings in vielen Fällen auch etwas abstrakt.

Nahverkehrsangebot im Ruhrgebiet in der Kritik

Ein Ruhrgebiets-Thema überlagert übrigens alle anderen: der Verkehr auf Schiene und Straße. Unsere Leser und die Stadtplaner finden: Der Nahverkehr ist derzeit eine Katastrophe. Jede vierte Ruhridee unserer Leser befasste sich mit dem öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), und da wundert es nicht, dass in allen der fünf Experten-Planungen der Verkehr ebenfalls eine zentrale Rolle spielt.

Von Wasserkraft bis Testlabors

Über 50 Planungsbüros aus Deutschland und der ganzen Welt wollten am Wettbewerb des RVR teilnehmen und ihre Visionen für das Ruhrgebiet entwickeln. Fünf durften am Ende beobachten, querdenken und tüfteln, und das ist dabei herausgekommen:

Kraft des Wassers: Landschaftsarchitekten und Städteplaner aus Berlin, Leipzig und Paris entwickelten die „Netzwertstadt“. Eine tragende Rolle spielt auch das Wasser, von dem es im Ruhrgebiet anders als in anderen Metropol-Regionen deutlich mehr gebe. Es müsse nur besser genutzt werden im Hinblick auf Energiewende, aber auch auf Transportwege.

Maxime Mobilität: Die Experten aus den Niederlanden und Prof. Thomas Sieverts aus München sehen die Verkehrswege als zentralen Ansatzpunkt. Ihre Vision: „Von jedem beliebigen Punkt in der Region zu einem anderen darf man nicht länger als eine Stunde benötigen“, erklärt Sieverts. Und das sei möglich. Das Ruhrgebiet biete alles, allerdings isoliert. Verknüpft man Netze effizienter, ergeben sich neue Möglichkeiten. Außerdem sieht das Team die Aufteilung in zahlreiche Einzelgemeinden als nicht zukunftsfähig. Es brauche eine übergeordnete, regionale politische Instanz.

Bürger als Entscheider: Weil der Wandel – gerade auf dem Arbeitsmarkt – immer schneller geht, empfehlen die Planer aus Aachen, Mailand, Tokio und Havanna kleine, dynamische Lösungen in den Stadtteilen. Entscheidungen für das jeweilige Quartier sollte ein „Bürgerrat“ treffen.

Kleine zusammen groß: „WIR Metropole Ruhr“ heißt das Konzept der Experten aus Karlsruhe, Zürich, Darmstadt und Berlin. Alles beruht auf der Empfehlung, kleinste örtliche Handlungsebenen zu schaffen, die aber alle das Ziel einer starken Region verfolgen.

Lokale Testlabors: Das Ruhrgebiet ist noch keine Metropole, hat aber das Potenzial. Auf kleinsten Ebenen werden neue Wege zum Beispiel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erprobt, die bei Erfolg auf die Region übertragen werden.

Stellvertretend für viele seien an dieser Stelle zwei Ruhrideen-Geber genannt: Maria von Bodelschwingh aus Witten sagt: „Der Nahverkehr sollte im Revier so fließen wie in Berlin und Hamburg. Traumvision: Ohne Fahrpläne bemühen zu müssen, möchte ich mich als Bürger an die Straße oder an den Bahnhof stellen, und da kommt alle fünf bis zehn Minuten ein Bus,. eine S-Bahn oder Ähnliches.“

Auch Jan Wingens aus Oberhausen kritisiert die heutigen Verbund- und Tarifgrenzen. Der Anteil des ÖPNV sollte ähnliche Werte erreichen wie die Metropolen Paris oder London, sagt Wingens

„Im zweiten Zukunftsforum haben wir die Leserideen den Teams präsentiert und sie in die Arbeiten einfließen lassen“, sagte Maria Wagner, Leiterin der Regionalentwicklung beim RVR, gestern im Duisburger Landschaftspark. Die Zuschriften gehen nicht verloren, verspricht Wagner. „Wir sind in engem Kontakt mit den Städten und zuständigen Institutionen, damit die sich mit den Ideen weiter beschäftigen“, sagt sie. Außerdem sucht der RVR für einige besonders Erfolg versprechende Leser-Ideen Partner und Sponsoren, um sie zur Umsetzung zu bringen.

„Wir freuen uns darüber, dass sich die Bürger jetzt immer intensiver mit den Zukunftsplänen für das Ruhrgebiet beschäftigen und uns als Ansprechpartner wahrnehmen. Auch nach Ende des Wettbewerbs erreichen uns noch neue Ideen“, freute sich Karola Geiß-Netthöfel, die Direktorin des RVR.