Duisburg. Mahmut Özdemir hat den Wahlkreis 116 in Duisburg für die SPD geholt und wird einer der jüngsten Abgeordneten im Parlament sein. Doch wer ist der Homberger eigentlich, für den Politik an erster Stelle steht und für den der Finanzausschuss „ein Hobby“ ist?
Der Auftritt im und am Rathaus dauert genau zwei Stunden. Um 17.30 Uhr fährt Mahmut Özdemir samt Eltern und Schwester mit seinem weißen Wahlkampf-BMW vor, um 19.30 Uhr rauscht er mit heulendem Motor wieder ab, zur SPD-Wahlparty ins Café Museum. Dazwischen holt er sich erwartungsgemäß das Ticket für Berlin ab: Mit 26 Jahren wechselt Özdemir den Sitz in der Bezirksvertretung für Homberg, Ruhrort und Baerl mit der Abgeordnetenbank in der ersten Kammer des Parlaments der Bundesrepublik. Statt über ein paar tausend Euro als „Mittel zur Pflege des Ortsbildes“ entscheidet er künftig über milliardenschwere Rettungspakete.
Von Nervösität, dass es in der SPD-Hochburg Duisburg-Nord womöglich nichts wird, keine Spur. „Vielleicht ein bisschen aufgeregt.“ Dass man bei der SPD eine Niederlage erst gar nicht in Erwägung zieht, sieht man daran, dass die Flüge am heutigen Montag nach Berlin längst gebucht sind. Eine Wohnung in der sogenannten „Abgeordnetenschlange“, quasi einem Wohnheim für Parlamentarier im Regierungsviertel, ist bereits angemietet.
Sitzung der Bezirksvertretung
Am Dienstag steht dann die erste Fraktionssitzung mit alten und neuen Abgeordneten an, Mittwoch die erste Sitzung in neuer Besetzung, Donnerstag geht’s zurück. Zur Sitzung der Bezirksvertretung.
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Mit 26 in den Bundestag, politisch unbedarft ist Özdemir jedoch keineswegs. Seine Parteikarriere hat er frühstmöglich begonnen, mit 14 Jahren trat er in die SPD ein, wenige Wochen später war er der bundesweit jüngste Bezirksvorsitzende der Jusos und klettert seitdem emsig die Sprossen empor: Beisitzer im Parteivorstand, Ortsvereinsvorsitzender, nebenbei Referent der Landtagsfraktion. Ein Parteisoldat erster Güte, Nachwuchshoffnung, Senkrechtstarter. In Homberg haben ihm einige einen Spitznamen zugedacht: „Kanzler“, frotzeln sie.
Özdemir betet Standpunkte im Politiker-Sprech fast im Schlaf herunter
„Mal schauen, wo mein Weg in Berlin hinführt. Abgeordneter ist ein Einstieg in die Berufspolitik.“ In den Juristenberuf möchte Özdemir nicht. „Ich will voll und ganz für meinen Wahlkreis da sein, mich in vier Jahren der Wiederwahl stellen und dann etwas vorzuweisen haben.“ Dem 26-Jährigen wird es wohl nicht schwer fallen, sich im Berliner Politzirkus einzufinden. Er ist ein Typ, den man mitten in der Nacht wecken und vor die Kamera schubsen kann, und der dann fehler- und stockfrei die Standpunkte im Politiker-Sprech herunterbetet.
Dementsprechend konkret sind seine Vorstellungen, wie er sich jetzt seine politische Rolle in Berlin vorstellt: „Mein oberstes Wunschziel ist der Ausschuss für Arbeit und Soziales und an zweiter Stelle der Innenausschuss, wo ich mich für die Belange der Kommunen stark machen will.“ Und dann habe Özdemir da noch „ein Hobby“, wie er einmal in einem Gespräch zum Wahlkampfauftakt erklärte: „den Finanzausschuss.“ Bei der Bankenaufsicht und dem Unternehmensstrafrecht sehe er dringend Handlungsbedarf.
Bundestagswahl 2013 in Duisburg
Auf Facebook durch Auftritte scrollen
Der 26-Jährige war fleißig im Wahlkampf, auf Facebook kann man sich ellenlang durch seine Auftritte der vergangenen Wochen scrollen. Privates findet man dort aber nur selten. Die Ausnahme ist der Fußball, allerdings auch in einer höchst ungewöhnlichen Konstellation: als Lokalpatriot MSV-Fan, als „absoluter VW-Fan“ aber auch VfL Wolfsburg-Sympathisant. Doch selbst hier steht das Private hintenan: Seine aktive Fußballerzeit hat Özdemir, wie er selbst erzählt, bereits früh aufgegeben, schon in der D-Jugend habe er den „Transfer vom Sport in die Politik vollzogen“.
Mahmut Özdemir macht sich heute übrigens allein auf den Weg nach Berlin. Die Sache mit der starken Frau, die hinter einem starken Mann steht, trifft bei ihm nicht zu. „Das Pensum eines Abgeordneten macht doch kaum eine Frau mit“, sagte er, noch bevor das Wahlergebnis feststand. Zurzeit gebe es zwei Frauen in seinem Leben: „Meine Schwester und meine Mutter.“
Vorbild für Durchlässigkeit und Integration sein
Manche trauen ihm noch Großes zu in der Politik. Jung, ehrgeizig, aufstrebend, abgeklärt, redegewandt. Und einer mit Migrationshintergrund, mit türkischen Wurzeln. Er könnte Vorbild für Durchlässigkeit und Integration sein. Doch es ist eine Rolle, in die er sich erst gar nicht hinein drängen lassen will. Das Thema bügelt er meist schnell ab. „Ich bin in Homberg geboren“, sagt er dann. Ganz anders sehen das offenbar die türkischen Medien: Sie haben Mahmut Özdemir gestern begleitet, die Kameras folgten ihm zur Stimmabgabe ins Wahllokal und am Abend ins Rathaus.
Die Ergebnisse der Bundestagswahl 2013 in Duisburg im Überblick
Das vorläufig amtliche Gesamtergebnis der Direktkandidaten im Wahlkreis 115 (Duisburg I) in Prozent:
Erststimmen | Wahlkreis 115 (Stadtsüden I) | 2009 | Erststimmen |
Bärbel Bas(SPD) | 46,64 | Bärbel Bas (SPD) | 42,2 |
Thomas Mahlberg(CDU) | 32,15 | Thomas Mahlberg (CDU) | 31,6 |
Anna von Spiczak (B90/Die Grünen) | 5,09 | Reiner Neumann (B90/Die Grünen) | 7,7 |
Jörg Löbe(FDP) | 1,63 | Frank Albrecht (FDP) | 5,9 |
Marc Mulia(Die Linke) | 7,34 | Marc Mulia (Die Linke) | 10,5 |
Rainer Kolb(Piratenpartei) | 3,28 | - | - |
Karl Wilhelm Hubert Weise (NPD) | 3,86 | Roswitha Theißen | 1,7 |
Das vorläufig amtliche Gesamtergebnis der Direktkandidaten im Wahlkreis 116 (Duisburg II) in Prozent:
Erststimmen | Wahlkreis 116 (Duisburg II) | 2009 | Erststimmen |
Mahmut Özdemir(SPD) | 43,2 | Johannes Pflug (SPD) | 47,6 |
Volker Mosblech(CDU) | 29,58 | Volker Mosblech (CDU) | 26,4 |
Matthias Schneider(B90/Die Grünen) | 5,18 | Matthias Schneider (B90/Die Grünen) | 5,8 |
Frank Albrecht(FDP) | 1,62 | Thomas Wolter (FDP) | 5,5 |
Lukas Hirtz(Linke) | 8,61 | Hüseyin Aydin (Die Linke) | 11,2 |
Kurt Alexander Klein(Piratenpartei) | 2,81 | - | - |
Alan Daniel Imamura(AfD) | 4,14 | - | - |
Sven Peter Stölting (NPD) | 4,52 | Rudi Theißen | 3,1 |
Jürgen Blumer (MLPD) | 0,34 | Jürgen Blumer | 0,3 |
Das vorläufig amtliche Gesamtergebnis der Bundestagswahlen 2013 für das Duisburger Stadtgebiet:
Duisburg | Bundestag 2013 | Bundestag 2009 | |||
Erst- stimmen | % | Zweit- stimmen | % | Zweit- stimmen in % | |
Berechtigte | 337.326 |
| 337.326 |
| 345.343 |
Wähler | 227.501 | 67,44 | 222.409 | 67,6 | 223.880 (64,8 %) |
Gültige Stimmen | 223.294 | 98,15 | 219.433 | 98,66 | 220.779 (98,61 %) |
SPD | 100.579 | 45,04 | 91.899 | 40,94 | 38,2 |
CDU | 69.128 | 30,96 | 63.749 | 28,4 | 25,1 |
Die Grünen | 11.463 | 5,13 | 13.713 | 6,11 | 8,5 |
FDP | 3631 | 1,63 | 6942 | 3,09 | 9,3 |
Linke | 17.709 | 7,93 | 18.637 | 8,3 | 12,5 |
Piratenpartei | 6836 | 3,06 | 5347 | 2,38 | 1,7 |
AfD | 4291 | 1,92 | 11.571 | 5,15 | --- |
Sonstige | 9657 | 4,33 | 7575 | 5,63 | 4,7 |
Bundestagswahl 2013, Zweitstimmen in den Duisburger Stadtbezirken in Prozent
Stadtbezirk | Wahl- btlg. | SPD | CDU | Grüne | FDP | Die Linke | Piraten | AfD | Sonstige |
Hamborn | 59,5 % | 42,82 | 25,67 | 4,05 | 2,33 | 9,31 | 2,32 | 6,19 | 7,31 |
Homberg/ Ruhrort/Baerl | 68,57 % | 38,84 | 30,98 | 6,14 | 3,74 | 8,18 | 2,10 | 4,96 | 5,06 |
Meiderich/ Beeck | 59,14 % | 45,95 | 23,23 | 4,06 | 2,14 | 9,43 | 2,69 | 5,03 | 7,45 |
Mitte | 68,12 % | 37,72 | 27,36 | 8,85 | 3,50 | 10,19 | 2,87 | 4,77 | 4,74 |
Rheinhausen | 71,09 % | 41,62 | 28,23 | 6,01 | 3,13 | 7,19 | 2,29 | 5,76 | 5,77 |
Süd | 75,87 % | 37,78 | 34,87 | 6,29 | 3,72 | 6,07 | 2,01 | 4,94 | 4,32 |
Walsum | 66,51 % | 46,12 | 25,85 | 4,85 | 2,43 | 8,02 | 2,17 | 4,52 | 6,04 |