Duisburg. Die muslimische Publizistin Lamya Kaddor und Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Duisburg haben ein Buch veröffentlicht. Mit Leichtigkeit versuchen Sie einen gemeinsamen Blick auf Juden und Muslime zu werfen.
Sie ist Muslima, er ist Jude. Sie ist aus Westfalen, er aus dem Rheinland, und auch der familiäre Hintergrund ist spannungsgeladen: Ihre Familie stammt aus Syrien, das sich im Kriegszustand mit Israel befindet, seine Familie ist mütterlicherseits alteingesessen deutsch; manchen Angehörigen gelang die Flucht vor dem Holocaust, andere überlebten nicht. „Heute leben wir beide in Duisburg. Wir sind Kinder der deutschen Gesellschaft, stehen für die jüngeren Generationen dies Landes und sind als kritische Kommentatoren der deutschen Gegenwart bekannt.“
Jetzt haben Lamya Kaddor und Michael Rubinstein ein Buch geschrieben, das Deutschen aller Herkunft und Religionen empfohlen sei. Weil es zeigt, dass ein respektvoller offener Austausch nicht Schönreden bedeutet, weil es lehrreich ist und nachdenklich macht. Weil es jeden angeht.
Antisemitismus und Islamfeindlichkeit im Alltag präsent
Zum Auftakt werden die Konfrontationen zwischen Juden und Muslimen benannt. Zwei Sätze aus dem Dialog: Lamya Kaddor kritisiert den Zentralrat der Juden: „Meines Erachtens ist er die höchste politische Vertretung der hier lebenden Juden in ihren Gemeinden. Warum muss er also Stellungnahmen zur Politik Israels abgeben und dabei oft als eine Art verlängertes Sprachrohr der dortigen Regierung auftreten?“
Michael Rubinstein: „Es ist nicht weniger fragwürdig, dass einige der muslimischen Verbände zwar Positionen zur israelischen Politik beziehen, sich aber bei Vorfällen innerhalb Deutschlands nur zaghaft öffentlich auf die jüdische Seite stellen.“
Daraus entwickelt sich ein Gespräch über Scharfmacher, die Bedeutung Israels für die Juden, die zum Teil fragwürdigen Hintergründe von islamischen Organisationen, um die Ähnlichkeiten der Religionen und die Beschneidung, um Misstrauen, Verschwörungstheorien gegen Juden, um die Frage, ob Juden ihre Geschichte instrumentalisieren, um die rassistischen Thesen Thilo Sarrazins, um die Rolle der Bildung, um religiöse Empfindlichkeiten... Schon auf den ersten 24 Seiten kommt eine Vielzahl von Themen auf den Tisch.
In den weiteren Kapiteln werden die Themen dann vertieft diskutiert. Und vieles, was Lamya Kaddor und Michael Rubinstein ansprechen, wird ja auch in der Mehrheit der Gesellschaft höchst unterschiedlich gesehen. Im deutschen Alltag wiederum sind Antisemitismus und Islamfeindlichkeit wohl auch ausgeprägter als das viele wahr haben wollen: Die Palette reicht von der Schwierigkeit, mit ausländischem Namen eine Wohnung zu mieten, bis hin zum Satz „Euch hätte man damals vergasen müssen“, den noch ein Mitschüler des 1972 geborenen Rubinstein drauf hatte.
Buchvorstellung in der Zentralbibliothek
Die muslimische Religionspädagogin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, geboren 1978 in Ahlen, ist Mitglied im Vorstand des Liberal-Islamischen Bundes und publiziert in der Wochenzeitung „Die Zeit“ sowie in der „Süddeutschen Zeitung“.
Diplom-Medienwirt Michael Rubinstein wurde 1972 in Düsseldorf geboren, ist seit 2003 Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Ruhr-Oberhausen und kandidierte bei der letzten Wahl für das Amt des Duisburger Oberbürgermeisters.
Auf Einladung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Katholischen Familienbildungsstätte stellen Lamya Kaddor und Michael Rubinstein am Montag, 23. September, um 20 Uhr in der Zentralbibliothek ihr Buch erstmals dem Publikum vor. Der Eintritt (5 Euro) wird gespendet für die Internationale Kinderbibliothek.
Verbindungen und Herausforderungen
Schon komisch ist, „wenn ausgerechnet ein Integrationsministerium ein Seminar für Rabbiner, Imame und Pfarrer anbietet, das genau von Freitag bis Sonntag stattfinden soll. Freitag kann der Muslim nicht, Samstag der Jude und Sonntag der Christ nicht, weil sie jeweils die Gottesdienste und Gebete leiten müssen..“ Solche Bemerkungen geben dieser Debatte Leichtigkeit.
In ihrem Buch „So fremd und doch so nah – Juden und Muslime in Deutschland“ (Patmos-Verlag, 17,99 Euro) tauschen sich Lamya Kaddor und Michael Rubinstein darüber aus, was Muslime und Juden trennt, was sie verbindet und welchen Herausforderungen ihre Glaubensgemeinschaften im christlichen Deutschland begegnen. Dabei diskutieren die Freunde ernst, humorvoll und herzlich über Themen wie den Nahostkonflikt, die Schoah, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland, Gott und Allah, das religiöse Leben als Minderheit oder Humor.