Düsseldorf/Duisburg. Zum Schluss war Zülfiye Kaykin nicht mehr zu halten. Nachdem die Staatsanwaltschaft Duisburg einen Strafbefehl gegen die Integrations-Staatssekretärin gestellt hatte, zog die Ministerpräsidentin die Notbremse - und beantragte Kaykins Entlassung. Es geht um Sozialbetrug und schwarze Kassen.

Am Ende ging es schnell mit NRW-Integrationsstaatssekretärin Zülfiye Kaykin (SPD). Sowohl NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) entzogen ihr das Vertrauen. Gemeinsam beantragten Kraft und Schneider die Staatssekretärin aus der Landesregierung zu entlassen.

Zuvor galten die beiden Politiker als wichtigste Stützen von Kaykin in der NRW-Landesregierung, nachdem die WAZ Vorwürfe gegen Kaykin wegen Sozialbetruges bekannt gemacht hatte. Die Abberufung Kaykins gilt als sicher.

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Der Grund, warum es plötzlich so schnell ging, ist einfach erklärt: Die Staatsanwaltschaft Duisburg hatte unmittelbar zuvor bekannt gegeben, dass sie einen Strafbefehl gegen Kaykin wegen Beihilfe zum Betrug und wegen Veruntreuens von Arbeitsentgelt beim Amtsgericht Duisburg beantragt hatte. Kaykin ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als frühere Geschäftsführerin des Trägervereins der Ditib-Begegnungsstätte in Duisburg-Marxloh für Schwarzarbeit und Sozialversicherungsbetrug verantwortlich.

Begegnungsstätte soll Sozialabgaben für Mitarbeiter hinterzogen haben

Ein Mitarbeiter war im Jahr 2009 als geringfügig beschäftigt gemeldet, obwohl er neben seinem offiziellen Gehalt weitere Bezüge aus einer schwarzen Kasse der Begegnungsstätte erhalten hatte. Zusätzlich hatte der Mitarbeiter noch Sozialleistungen aus Harz IV kassiert. Und das alles unter Verantwortung von Kaykin, die bis jetzt intern unangefochten Staatssekretärin für Integration und Arbeit des Landes NRW war.

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Nachdem der Schritt der Staatsanwaltschaft bekannt geworden war brach Kaykin am Mittwoch einen gemeinsamen Staatsbesuch der Türkei mit NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin überraschend ab. Wie Teilnehmer der fünftägigen Reise der WAZ berichteten, verließ sie fluchtartig das Hotel in Ankara und flog so schnell es ging zurück nach Deutschland. Die Opposition im NRW-Landtag von CDU und FDP hatten Kraft aufgefordert, zu reagieren und Kaykin umgehend zu entlassen.

FDP-Landeschef Christian Lindner erklärte: „Es war ignorant, die Staatssekretärin während der Ermittlungen nicht zu beurlauben. Die Landesregierung hat ihre Glaubwürdigkeit beschädigt, weil sie Steuerhinterzieher an den Pranger stellt, aber Sozialbetrug in den eigenen Reihen gedeckt hat.“

Kaykin bestritt die Vorwürfe - bis zuletzt

Bis zuletzt hatte Kaykin die Vorwürfe bestritten - und sowohl Kraft als auch Schneider stützten sie in ihrer Haltung. So sagte Kaykin öffentlich: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Es gab keine schwarzen Kassen (in der Begegnungsstätte Duisburg-Marxloh, die Red.)“

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Die Staatsanwaltschaft sieht nun das Gegenteil als erwiesen an. Nach Recherchen unserer Redaktion hatte die ehemalige Buchhalterin von Kaykin vor den Ermittlern ausgesagt, dass Belege für die schwarze Kasse Ende 2009 vernichtet worden seien, weil sonst die Gefahr gedroht hätte, dass führende Mitarbeiter der Begegnungsstätte ins Gefängnis hätten gehen müssen.

NRW-Ministerpräsidentin Kraft dankte Kaykin zur angekündigten Entlassung für ihre Arbeit und ihren Einsatz in der Integrationspolitik. Die WAZ wurde für ihre Enthüllungen im Fall Kaykin mit dem Schweizer Fichtner Preis ausgezeichnet. Der mit 10.000 Schweizer Franken dotierte Preis wird für Enthüllungen von Korruption und Vetternwirtschaft im deutschsprachigen Raum verliehen.