Düsseldorf. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will die Staatssekretärin im Sozial- und Integrationsministerium, Zülfiye Kaykin, entlassen. Sie werde dem Kabinett die Entlassung der SPD-Politikerin vorschlagen, kündigte Kraft an. Der Rauswurf ist eine Personalie mit drei Botschaften. Ein Kommentar.
Als die aus Duisburg stammende Deutsch-Türkin Zülfiye Kaykin im Frühjahr 2010 in das Schattenkabinett der damaligen Oppositionsführerin Hannelore Kraft eintrat, glaubte die SPD, eine „Expertin für den interkulturellen Dialog“ nominiert zu haben. Die mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik dekorierte Vorzeigemigrantin sollte integrationspolitisches Angebot und sozialdemokratisches Aufstiegsversprechen gleichermaßen verkörpern.
Dreieinhalb Jahre später wirft Ministerpräsidentin Kraft nun ihre Staatssekretärin Kaykin mit einem dürren Vierzeiler raus – als erstes Kabinettsmitglied seit dem Regierungswechsel 2010 überhaupt. Es ist eine Personalie mit drei Botschaften.
Rot-Grün braucht einen Neuanfang in der Integrationspolitik
Erstens: Die Entlassung Kaykins ist richtig und unausweichlich. Eine Sozialstaatssekretärin, gegen die ein Strafbefehl wegen Sozialbetrugs beantragt wird, ist nicht länger tragbar. Wer als Regierungsmitglied auch gegen Schwarzarbeit kämpft, darf sich im beruflichen Vorleben nicht einmal in Grauzonen bewegt haben.
Zweitens: Die Toleranzgrenzen der Ministerpräsidentin sind ausgelotet. Kraft, die ihr Kabinett gerne duzt und herzt, ist im entscheidenden Moment zur gebotenen Härte fähig. Post von der Staatsanwaltschaft zwei Wochen vor der Bundestagswahl – da endet die Loyalität der „Chefin“, die während quälend langer Ermittlungen gegen Kaykin strapaziert wurde, plötzlich binnen Minuten. Der angeschlagene Medienstaatssekretär Marc-Jan Eumann, dem die Aberkennung des Doktortitels droht, sollte auf einen solchen Klimasturz gefasst sein.
Drittens: Rot-Grün braucht einen Neuanfang in der Integrationspolitik. Kaykin war öffentlich kaum wahrnehmbar. Die „Expertin für den interkulturellen Dialog“ schien vorwiegend mit Anwälten und Ermittlungsbehörden zu reden. Der formal für die Integrationspolitik zuständige Minister Guntram Schneider ist als rustikaler DGB-Mann eher ein Mann fürs Werkstor als für den Multikulti-Workshop. Die Asylbewerberdebatte in vielen Kommunen, der Kampf um Bildungschancen für junge Migranten oder der Streit ums Duisburger Roma-„Problemhaus“ brauchen endlich eine landespolitische Stimme, die gehört wird.