Duisburg. .
Knapp über 100 Werke von Wilhelm Lehmbruck sind unterwegs. Nach Stationen in Apolda und Schleswig ist die „Retrospektive“ jetzt noch bis zum 24. August in der Städtischen Galerie in der Reithalle in Paderborn-Schloss Neuhaus zu sehen. Über 50 Skulpturen (plus Gemälde, Zeichnungen, Grafiken) ausgeliehen, darunter sämtliche Hauptwerke, zudem der Lehmbruck-Trakt des Museums wegen Renovierung noch bis zum kommenden Jahr geschlossen: Da hält die Ausstellung „Die Jahrhundertskulptur und Schlüsselwerke“ sozusagen auch Stellung für den Namensgeber. Sie gibt in der Nordhalle einen Überblick über Schlüsselwerke des 1881 in Meiderich geborenen Künstlers; dazu kommen private Porträts von Lehmbruck, aber auch von Rodin und Brancusi.
Die Ausstellung ermöglicht manche Entdeckung. Erstmals zu sehen ist zum Beispiel Lehmbrucks Porträt „Königin Luise“ von 1898. Gerade erst hat Kuratorin Dr. Marion Bornscheuer herausgefunden, dass es sich keineswegs um eine Kopie der preußischen Königin nach Johann Gottfried Schadow handelt, sondern um die Cousine des Künstlers, Luise, der er als „humorvolle Beigabe“ den Titel „Königin“ verlieh.
Überhaupt zeigen Lehmbrucks Büsten, Köpfe und Gemälde jeweils Personen aus seinem direkten Umfeld. So stellt beispielsweise die Büste „Freiherr von Steindeke“ den Wuppertaler Bankier Eduard Freiherr von der Heydt dar, eine Auftragsarbeit und daher aus teurem Marmor, und bei „Fäulein K.“ aus Hartgips handelt es sich um seine Schwägerin Klara Kaufmann.
Von der "Stehenden" über die "Schreitende" zur "Großen Sinnenden"
Wie Bornscheuer erläutert, besitzen die frühen Werke noch den im 19. Jahrhundert üblichen klassischen Sockel, den auch Auguste Rodin verwendet hat. Ab den 1910er Jahren verzichtet Lehmbruck auf die formale Trennung zwischen Kunstwerk und Sockel. „Stein wird generell zu Fleisch, was seine Werke ungemein lebendig macht.“ Durch die ägyptische Kunst inspiriert sind dann die während des Ersten Weltkriegs im Zürcher Exil entstandenen Arbeiten wie „Porträt Clara Burger II“ und „Betende“, für die die junge Schauspielerin Elisabeth Bergner Porträt saß. Weil er sie sehr verehrte, habe er die Komposition immer wieder zerstört, um sie erneut in sein Atelier bitten zu können, berichtete Bergner später in ihren Memoiren. Lehmbruck hatte ägyptische Kunst schon 1912 in italienischen Museen studiert – im Jahr der „Nofretete“-Entdeckung.
Bei den Schlüsselwerken Lehmbrucks reicht die Ausstellung von der klassischen „Stehenden“ über die „Schreitende“, die einen Wendepunkt im Schaffen markiert, bis hin zur „Großen Sinnenden“, in der er seinen Stil – übergroß, überschlank und gegliedert – vollendet hat.