Duisburg. .
Der Jahresbericht der Streetworker in Duisburg gibt Einblicke in die Arbeit der Sozialarbeit, die ganz nah an den Problemen junger Menschen ist. Vor 20 Jahren begann die Streetworkarbeit in Duisburg. Heute gibt es vier Teams, die in den Stadtteilen Bruckhausen/Beeck/Beeckerwerth, Hochfeld, Neumühl und Marxloh arbeiten. Dort versuchen die Mitarbeiter diejenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 26 zu erreichen, die Angebote stationärer Einrichtungen nicht annehmen wollen und die aus den verschiedensten Gründen ausgegrenzt werden.
An Hand mehrerer Fallbeispiele, die hier kurz skizziert werden, wird deutlich, mit welchen Aufgaben sich Streetworker befassen. In 60 Prozent aller Fälle wandten sich 2012 junge Leute (683 insgesamt, davon knapp 50 % weiblich) an die Streetworker aufgrund von Wohnungsproblemen oder Obdachlosigkeit. An zweiter Stelle stehen Probleme mit Ämtern und Institutionen und persönlichen Problemlagen. Die meisten waren zwischen 17 und 21 Jahre alt. 80 % aller Klienten waren Deutsche.
Wichtiges Datum
Der 1. Januar 2005 ist ein Datum an dem sich die Arbeit der Streetworker stark veränderte: Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, dürfen seitdem den Haushalt der Eltern nur verlassen, wenn sie schwerwiegende soziale Gründe nachweisen.
Seitdem stellt die Hilfestellung für dieses Klientel einen breiten Raum der Streetworkarbeit ein. Oft stellt sich heraus, dass hinter einer bestehenden oder drohenden Wohnungslosigkeit noch vielfältigere Probleme stecken. Vier Fallbeispiele.
Danni stand unter Druck
Danni (Name geändert) war 18 als sie schwanger wurde und mit der Situation überfordert war. Sie nahm Kontakt zu den Streetworkern auf und entschloss sich, das Kind zu bekommen. Mit Hilfe der Streetworker fand sie eine Wohnung und konnte eine „Flut von Anträgen“ bewältigen, hatte Begleitung bei Behördengängen. Gerade letzteres erwies sich für die als hilfreich, denn die Amtsgänge waren für sich belastend und oft unverständlich.
Nicht wenige Klienten, so die Streetworker, schalten in solchen Situationen ab. „Ich bin in solchen Situationen der Mittler zwischen den Instanzen und und den Klienten“, schreibt ein Streetworker. Unterstützung seitens der Familie gab es für Danni nicht, auch der Vater des Kindes half nicht. Vielmehr gab es Druck von dessen Familie, Danni solle sich gegen das Kind entscheiden. Außerdem solle sie nicht den Vater des Kindes bei den Behörden angeben.
Die Probleme konnten gelöst werden. Danni zog mit ihrem Kind in eine kleine Wohnung, ging wieder zur Schule, um ihren Abschluss nachzuholen. Rückhalt bekommt sie weiterhin von den Streetworkern, die im Notfall auch schon mal zum Babysitter wurden. Auch nach sechs Jahren ist der Kontakt nicht abgerissen.
Frank riss Ruder herum
Der 19-jährige Frank (Name geändert) war von seiner Mutter aus der Wohnung geworfen worden. 2000 Euro hatte er ihr gestohlen und dafür Spielgeräte und Haschisch gekauft. Seine Hoffnung, die Gemüter würden sich nach ein paar Tagen wieder beruhigen, war vergeblich: Seine Mutter hatte alle Schlösser ausgetauscht. Das Verhältnis war schon länger belastet, das Jugendamt nicht mehr zuständig, pädagogisch ausgebildete Verwandte rieten der Mutter, Frank für die Tür zu setzen. Im Youtel der Diakonie kam Frank ein paar Tage unter, bekam eine Postadresse, ohne die er keinerlei Leistungen des Jobcenters bekommt.
Das Jobcenter forderte zunächst Stellungnahmen von ihm, seiner Mutter, dazu die üblichen Unterlagen. Der nächste freie Termin des Fallmanagers im Jobcenter: vier Wochen später. Frank musste in ein Hotel ziehen, vermittelt von der Fachstelle für Wohnungsnotfälle. Dort begegnete er einem jungen Mann, der ihn weiter herunterzog. Nach drei Monaten tauchte er wieder auf, hatte Mietschulden, Drogenprobleme, ging nicht mehr zu Schule. Über die Streetworker konnte er das Ruder noch einmal herumreißen. Er ging wieder zur Schule, fand eine neue Wohnung, ging zur Suchtberatung wurde wieder clean.
Sofia wurde schwanger
Sofia (Name geändert) ist gerade volljährig, stammt aus Polen und lebt seit 2006 in Deutschland. 2011 hatte sie den ersten Kontakt zu den Streetworkern nachdem sie nach einem Streit mit der Mutter von zu Hause weggelaufen war. Über das Jugendamt wurde sie, weil sie damals noch minderjährig war, in einem Kinderheim untergebracht. Ihre Mutter wollte sie gegen ihren Willen nach Polen zurückbringen. Der zweite Kontakt zur den Streetworkern entstand, weil sie schwanger wurde. Sie lebte wieder bei der Mutter, wollte aber ausziehen. Leistungen vom Jobcenter bekam sie nicht, weil ihr polnischer Pass abgelaufen war.
Die Mutter übernahm die Kosten für den neuen Pass erst nach Intervention der Streetworker, die auch die notwendigen Stellungnahmen besorgte, die Jobcenter forderte, um eine Wohnung zu bewilligen. Das Jobcenter wollte zudem Geld von ihr, das während der Zeit der Heimunterbringung an die Mutter geflossen war. Es war nicht die einzige Auseinandersetzung mit dem Jobcenter, das Sofia Leistungen verweigerte. Erst als man mit einer Klage beim Sozialgericht drohte, wurden Leistungen bewilligt. Ende Januar konnte sie in eine eigene Wohnung ziehen.
Bernd litt unter Gewalt
Der 19-jährige Bernd (Name geändert) suchte über das Internet bei den Streetworkern Hilfe. Sein Vater hatte ihn samt seiner persönlichen Sachen aus der Wohnung geworfen. Eine Bleibe fand er bei der Familie eines Freundes. Den Streetworkern berichtetet er von psychischer wie physischer Gewalt, die durch den Vater ausgeübt wurde. Als einige Zeit zuvor blaue Flecke in der Schule sichtbar geworden waren, hatte sich das Jugendamt eingeschaltet. Bernd war daraufhin eine Zeit lang im Heim, dann wieder beiden Eltern. Eigentlich wollte er lieber wieder in ein Heim, traute sich aber nicht, mit seinen Betreuern darüber zu reden.
Alles das beschreibt er mit Hilfe der Streetworker in einem sechsseitigen Aufsatz, erhält nach einer zweiten Fassung vom Jugendamt die Bescheinigung, dass seine Begründung, warum er eine eigene Wohnung benötigt, nachvollziehbar sei. Beim Jobcenter beantragt er anschließend Leistungen und erhält die Zusage der Übernahme der Kosten für die Unterkunft, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt werden. Innerhalb von zwei Wochen war der Fall abgeschlossen.