Duisburg. An der Universität Duisburg konnte erstmals ein Phasenübergang in Echtzeit verfolgt werden. Was das ist, erklärt die Forschergruppe vom “Center for Nanointegration“ anschaulich anhand von platzenden Sektflaschen und dem Dominoeffekt.

Beobachtung in billionstel Sekunden: Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Michael Horn-von Hoegen vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat erstmals einen Phasenübergang auf einer Oberfläche rein elektronisch angeregt und in Echtzeit verfolgt.

Phasenübergänge kennen wir auch aus dem Alltag. Wer schon mal eine Sektflasche in der Tiefkühlung vergessen hat, kennt vermutlich diesen Effekt: Tiefkühltruhentür auf, Erleichterung – die Flasche ist unbeschadet und der Sekt noch flüssig. Kaum aber entfernt man den Korken, kommt es zum Phasenübergang: Der Sekt friert plötzlich innerhalb von Sekunden ein. „Das liegt daran, dass die Wassermoleküle in der geschlossenen Flasche trotz -18 Grad keinen Nukleationskeim zur Verfügung haben, an dem sie kristallisieren können“, erklärt der Experimentalphysiker Michael Horn-von Hoegen. Beim Öffnen der Flasche perlt jedoch Gas aus, um dessen Blasen sich sofort winzige Eiskristalle bilden, die sich rasend schnell ausbreiten.

Das Material verändert seine Eigenschaft

Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet ein Phasenübergang den Moment, in dem ein Material seine Eigenschaft ändert, zum Beispiel von fest zu flüssig oder von isolierend zu leitend. Als erste Forschergruppe überhaupt hat das Team einen Phasenübergang auf einer Oberfläche, bestehend aus einer einatomigen Lage Indium auf Silizium, rein elektronisch angeregt und mittels ultraschneller Elektronenbeugung live beobachtet.

In den von Dr. Simone Wall durchgeführten Untersuchungen lagert sich das Indium bei rund 400 Grad auf der Silizium-Unterlage ab und bildet lange Ketten, deren Glieder die einzelnen Atome bilden. Die Atome jeder Kette sind untereinander stabil verbunden, zwischen parallel liegenden Ketten finden leichte Wechselwirkungen statt. Kühlt man das komplette System auf unter -173 Grad ab, so lagern sich wegen der energetisch günstigeren Struktur immer zwei benachbarte Atome einer Kette zusammen, so dass sich eine Art Zickzack-Muster ergibt. Benachbarte Ketten sind nicht mehr in Kontakt miteinander – das System hat einen Phasenübergang von zweidimensional (Fläche) zu eindimensional (Linie) durchlaufen.

Auch in einem Vakuum sind Gasmoleküle vorhanden

Nun haben die Forscher die Elektronen in diesem eindimensionalen System bei -253 Grad im Vakuum mit einem Ultrakurzpulslaser angeregt. Ultrakurz steht hier für den winzigen Zeitraum von 50 Femtosekunden, also 50 Billiardstel einer Sekunde. Diese elektronische Anregung führt dazu, dass die Ketten die gerade Form annehmen, die sie eigentlich bei dieser Temperatur nicht aufweisen. Allerdings endet jede Kette in einem Atom in gekippter Position, weil auch in einem Vakuum immer noch Gasmoleküle vorhanden sind, die sich auf dem Indium absetzen und einzelne Atome aus ihrer eigentlichen Position verdrängen.

Nun setzt der Domino-Effekt ein: Das schrägstehende Indiumatom am Gasmolekül schubst das nächste an, dieses lässt schließlich alle Indiumatome eines nach dem anderen wieder zurück in das Zickzack-Muster fallen. Das Ganze passiert mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit, und doch bleibt das System für die winzige Zeitspanne von 50 bis 500 Billionstel einer Sekunde in diesem angeregten, zweidimensionalen Zustand und speichert Energie, die es aus dem Laserimpuls erhalten hat.

Ein besseres Wissen um Phasenübergänge könnte kriegsentscheidend sein, musste der Legende nach schon Napoleon erfahren: Im harten russischen Winter sollen seinen Soldaten die Zinnknöpfe an den Uniformen zerbröselt sein, weil sie aufgrund der Kälte vom stabilen weißen in pulverigen grauen Zinn übergegangen sind.