Duisburg. Der Eltern- und Bildungsverein in Duisburg wirft der Grundschule Krefelder Straße vor, Kinder mit Migrationshintergrund seltener für das Gymnasium zu empfehlen. Die Schule reagiert auf die Vorwürfe: Die Schulempfehlungen werden neu beraten.

An der Grundschule Krefelder Straße in Rheinhausen kommen alle Halbjahreszeugnisse der drei vierten Klassen noch mal auf den Prüfstand. Auslöser ist der Vorwurf des Duisburger Eltern- und Bildungsvereins, dass Kinder mit türkischem Migrationshintergrund trotz guter Noten keine Gymnasialempfehlung bekommen.

Muzaffer Evli, der Vorsitzende, ist des Themas eigentlich müde. Alle Jahre wieder kommen Eltern zu ihm, zeigen ihm Zeugnisse mit einer Realschul-Empfehlung trotz guter Noten. Er begleitet dann die Eltern zu den Klassenlehrern oder den Schulleitern, um darüber zu reden. Denn manchmal gibt es ja gute Gründe für eine Empfehlung, die nicht allein aus den Noten ersichtlich ist, sondern eher im Arbeits- oder Sozialverhalten begründet liegt: Unselbstständigkeit etwa oder mangelnde Ausdauer.

Empfehlung wird meistens berücksichtigt

Evli hat aktuell knapp ein Dutzend Zeugnis-Kopien vorliegen von unterschiedlichen Grundschulen im Duisburger Westen und in Hochfeld. Er hat Notendurchschnitte ausgerechnet und festgestellt: Das Kind deutschen Namens mit einer 2,7 hat eine eingeschränkte Gymnasial-Empfehlung, das Kind mit türkischem Namen und einer 2,3 bekam die Realschul-Empfehlung.

Unterschrift bedeutet nur „Kenntnisnahme“

Grundsätzlich müssen Eltern die Zeugnisse ihrer Kinder unterschreiben.

Damit sind sie aber lediglich zur Kenntnis genommen, nicht akzeptiert. Es gibt eine vierwöchige Widerspruchsfrist.

Sinnvollerweise geht der Weg zunächst über den Klassenlehrer. Eltern können eine Vertrauensperson oder auch einen Dolmetscher mitbringen. Rechtlich gilt das bereits als mündlicher Widerspruch, der protokolliert werden muss.

Kommen Eltern da nicht weiter, ist der Schulleiter gefragt. Erst in letzter Instanz ist das Schulamt als Dienstvorgesetzter der Schulleiter am Zug.

Diese Empfehlungen sind zwar nicht bindend, die Eltern können die Kinder theoretisch an allen Schulen ihrer Wahl anmelden. Aber: Für viele türkischstämmige Eltern seien Lehrer absolute Respektspersonen, deren Entscheidungen man nicht kritisiere. Die Kinder landeten also auf Schulen, die nicht ihren Fähigkeiten entsprechen würden, glaubt er.

„Bildung ist die wichtigste Säule in der Integration“

Die Argumente der Lehrer seien etwa, dass türkische Familien ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen könnten, „aber man muss den Kindern doch eine Chance geben“, plädiert Evli, dessen zwei Kinder sich am Gymnasium durchbeißen, obwohl der Karosserieschlosser ihnen keine große Hilfe mehr sein kann. „Dieser Teil der Gesellschaft muss qualifiziert werden, muss dazu gebracht werden, nützlich für die ganze Gesellschaft zu sein“, glaubt Evli. „Bildung ist die wichtigste Säule in der Integration.“ Mit seinem Bildungsverein trägt er dazu bei, bietet Hausaufgabenhilfe an, Deutschkurse für Frauen, auch einen Islamkundeunterricht.

Evlis Ziel ist es nicht, Eltern zufrieden zu stellen, sondern „gemeinsam zu gucken, was das Beste für das Kind ist“. Und auch zu akzeptieren, wenn es gute Gründe für diese oder jene Empfehlung gibt. In den Gesprächen gebe es regelmäßige Abkommen, die er zwischen Schule und Familie vermittele. Insbesondere bei arbeitslosen Familien gehe es um Grundlegendes wie Tagesstrukturen, einen Platz zum Hausaufgaben machen, pünktliches Zu-Bett-Gehen. „Ich sage den Eltern, wenn sie ihre Pflichten erfüllen, kann ich auch ihre Rechte vertreten“, so Muzaffer Evli.

Schulamt schließt rassistische Benachteiligung aus 

Der Rassismus-Verdacht scheint unbegründet. Die betroffenen Grundschulen haben gerade erst erfolgreich eine Qualitätsanalyse durch das Land bestanden, so Schulamtsdirektorin Sylvia Schulte. Sie alle seien stolz auf ihre Förderarbeit, die zu erstaunlich hohen Quoten von Kindern führe, die zum Gymnasium gehen. Würden Kinder mit Migrationshintergrund systematisch benachteiligt, wäre das aufgefallen, ist die Schulamtsdirektorin sicher.

Das Schulamt, das nach den Vorwürfen des Duisburger Eltern- und Bildungsvereins alle kritisierten Grundschulen besuchte und sämtliche Halbjahrs-Zeugnisse überprüfte, beanstandete in einzelnen Fällen fragwürdige Einschätzungen und Empfehlungen, die jetzt einvernehmlich mit der Schulleitung revidiert wurden. Sie betrafen auch deutsch-stämmige Kinder, wie die Schulamtsdirektorinnen Sylvia Schulte und Monika Müller ausdrücklich betonen.

Mehr Objektivität durch Unvoreingenommenheit

An der GGS Krefelder Straße werden zudem am kommenden Dienstag in einer Klassenkonferenz alle Zeugnisse einer neuerlichen Einschätzung unterzogen. Dabei würden jedoch nicht Noten verändert. Es gehe eher um die Bewertung von Noten und Leistungseinschätzungen. Denn da liegt offenbar das Kernproblem: „Auch Lehrer sind Menschen und gerade im Grundschulbereich so nah am Kind, dass es manchmal schwierig ist, eine plausible Einschätzung zu treffen“, sagt Schulte.

Sie stellt in Einzelfällen eine Tendenz zur Überbehütung fest, „wie Über-Mamas“, erklärt sie. Um eine größere Objektivität in das System zu bringen, sollten künftig die Zeugnisse nebst Empfehlung von Lehrern kontrolliert werden, die das Kind nicht kennen, die am besten auch weder Name noch Geschlecht sehen, rät Schulte.