Duisburg. . Die „deutsche Sprachlosigkeit“ in Familien mit Migrationshintergrund beschert Duisburg eine traurige Spitzenposition: Nirgends in NRW benötigen mehr Vorschulkinder intensive staatliche Fördermaßnahmen. Jedes zweite Duisburger Vorschulkind spricht zu Hause kein Deutsch.
40 Prozent der Vorschulkinder in Duisburg haben nach der jüngsten Sprachstandsstudie „Delfin4“ aus 2012 derart massive sprachliche Defizite, dass sie ohne intensive Fördermaßnahmen des Staates bereits in der Grundschule mit Sicherheit scheitern würden. Mit dieser Quote nimmt nach Auskunft der Schulaufsicht die Stadt Duisburg landesweit nunmehr die traurige Spitzenposition im Land NRW ein. Im vergangenen Jahr stand noch Remscheid an dieser Position.
Diese Beobachtung wird gestützt durch eine aktuelle Erhebung des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Statistik („Kinder in Kita-Betreuung in NRW“) wie auch des aktuellen Duisburger Sozialberichtes. Die „deutsche Sprachlosigkeit“ in Familien mit Migrationshintergrund und Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren ist nach Einschätzung von Jugendamtsleiter Thomas Krützberg „nach wie vor sehr groß“ und sie wächst sogar weiter leicht an“.
Erstmals macht die Stadt Aussagen über die räumliche Verteilung dieses Phänomens auf das Stadtgebiet. Bezogen auf die Schuleingangsuntersuchung der Stadt wird deutlich, dass zum Beispiel jedes vierte Kind in den Stadtbezirken Hamborn und Mitte sowohl nicht Deutsch als Erstsprache spricht, als auch keine oder schlechte Deutschkenntnisse aufweist.
Sechs Quartiere mit besonders schlecht Deutsch sprechenden Kindern
Die Schuleingangsuntersuchungen der Stadt Duisburg, die üblicherweise bei Vorschülern in Alter von fünf Jahren meist von Kinderärzten durchgeführt werden, bringen es an den Tag: Der Anteil der Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, ist in den letzten Jahren in Duisburg deutlich gestiegen. Und mit ihm der Anteil jener Kinder, die „erhebliche Defizite in der Kenntnis der deutschen Sprache aufweisen“.
In Zahlen gesprochen: knapp jedes zweite Vorschulkind spricht zu Hause kein Deutsch und jedes fünfte Vorschulkind, dessen Erstsprache nicht Deutsch ist, verfügt über „keine oder sehr schlechte Deutschkenntnisse“. So steht es im aktuellen „Sozialbericht der Stadt Duisburg“, den der städtische Jugendamtsleiter Thomas Krützberg jetzt der lokalen Politik zur Kenntnis vorlegen wird. Doch Krützberg blickt mit seinem Bericht nicht nur großräumig auf das komplette Stadtgebiet. Sein Amt legt Zahlen und Erkenntnisse zu diesem Phänomen auch nach Bezirken und Ortsteilen vor.
So zeigt die nebenstehende Grafik mit den roten Zonen, sie umfasst Marxloh, Bruckhausen, Laar, Hochheide, Hochfeld und Dellviertel, jene Quartiere von Duisburg, in denen die Vorschulkinder die größten sprachlichen Defizite und somit den größten Sprachförderbedarf aufweisen.
Aber die Jugendverwaltung vermag sogar noch einen Blick tiefer zu schauen, und zwar in die Ortsteile: Hier zeigen die Schuleingangsuntersuchungen aus 2011, dass in Hochfeld, Laar, Bruckhausen, Marxloh, Obermarxloh, Hochheide, Dellviertel, Alt-Hamborn, Kaßlerfeld, Fahrn und Beeck sogar zwei von drei bzw. eines von drei untersuchten Vorschulkindern kein Deutsch oder dermaßen schlechtes Deutsch spricht, dass ein erfolgreicher Schulbesuch aussichtslos erscheint. Übrigens: Die zehn Ortsteile, in denen dieses Sprachenproblem praktisch gar nicht bzw. gering anzutreffen ist sind diese:
Ungelsheim, Bissingheim, Großenbaum, Overbruch, Buchholz, Mündelheim, Wehofen, Rahm, Alt-Walsum, Altstadt. Beide Listen - hohe Quote oder geringe Quote - zeigen aber auch, dass es bei den Sprachdefiziten der Vorschulkinder kein Nord-Süd- oder links-rechts-rheinisch-Gefälle in der Stadt gibt, sondern, dass sich das Phänomen querbeet durch die Stadt zieht.
Der lange Weg zur kulturellen Integration
Für Jugendamtsleiter Thomas Krützberg, professionell seit Jahren u.a. für die sprachliche Integration von Kindern in den mehr als 200 städtischen Kindertagesstätten verantwortlich, ist diese „deutsche Sprachlosigkeit“ in Migrantenfamilien keine Überraschung mehr: Die türkische Community in Duisburg schließe sich seiner Beobachtung nach „leider zunehmend segregativ“ (d.h.: entmischend) ab.
Deshalb komme der Sprachförderung, die in den städtischen Kindertageseinrichtungen geleistet werde, eine „zentrale Bedeutung“ zu. Dafür gibt die Stadt mit großer finanzieller Hilfe des Landes jährlich 2,3 Millionen Euro aus. Eine gute Chance zur Verbesserung der schwierigen Lage sieht der Jugendamtsleiter in der kommenden Betreuung für Unterdreijährige (U3).
Großer Sprachförderbedarf
Wenn Migrantenkinder bereits im Alter von unter drei Lebensjahren in die Kitas kämen, könne auch die Sprachförderung früher und somit effektiver ansetzen. Krützberg: „Doch gibt es dann für die Stadt dafür auch mehr Geld? Davon hängt es aber ab!“
Doch der Sozialbericht zeigt auch auf: Nicht nur Migrantenkinder, sondern auch Kinder mit deutscher Herkunft haben zuweilen einen großen Sprachförderbedarf. Hier verweist der Sozialbericht auf den aktuellen Delfin4-Sprachstandstest. Der spricht davon, dass 39,95 Prozent der getesteten vierjährigen Vorschulkinder „förderbedürftig“ seien.
Ohne Sprachförderung und Anstrengungen zur kulturellen Integration, sagt Schulamtsdirektorin Brigitta Kleffken, wäre das Problem noch größer. 600.000 Euro zahlt die Kommune in 2013, um aktuell 137 Anträge auf Sprachförderung in Schulen zu beantworten.