Duisburg. Das nüchterne Ergebnis eines Treffens zwischen Roger Sevenheck und den Stadtplanern: Die Baugenehmigung für das Factory Outlet Center ist in weite Ferne gerückt. Warum es mit dem Mega-Projekt in Duisburg-Hamborn auf absehbare Zeit nicht weitergeht - eine Zwischenbilanz.
Roger Sevenheck tritt mit seinem Mega-Projekt in Hamborn auf der Stelle. Nicht nur dass er ständig mit Zweifeln an seiner Bonität und Mietern zu kämpfen hat, die ihre Zinkhüttensiedlung nicht räumen wollen, in der sie seit Jahrzehnten leben.
Für sein Factory Outlet Center ist ihm inzwischen sogar der größere Teil des Grundstücks wieder abhanden gekommen, seit Eigentümer Immeo wegen des Disputs um die Grunderwerbsteuer vom Kaufvertrag zurücktrat. Vor allem aber rückt die Baugenehmigung für Sevenhecks 125 Millionen Euro-Invest in weite Ferne. Eine Lösung für die Abstandsvorschrift zu den benachbarten Grillo-Werken ist nicht in Sicht. Das ist das nüchterne Ergebnis eines Treffens zwischen Sevenheck und Stadtplanern in dieser Woche im Rathaus.
Störfall-Regel: Keine Lösung
An der Problematik hat sich nichts geändert: Das Chemie-Unternehmen hat für die bestehende Anlage eine Genehmigung und sieht durch den Bestandsschutz verständlicherweise auf seiner Seite keinen Handlungsdruck. Zumal wäre es verwunderlich, wenn sich Firmenchef Ulrich Grillo als neuer Präsident des mächtigen Bundesverbandes der Deutschen Industrie dem Diktat eines großdimensionierten Einkaufscenters beugen würde und dafür seine Produktionsstätte umbaut.
Zudem bezweifeln Umweltschützer, ob die in Rede stehende Einhausung der Schwefeldioxid-Lagerstätte die Richtlinien der Störfall-Verordnung überhaupt außer Kraft setzt. Weil ohnehin niemand für die Kosten aufkommt, sollen jetzt noch einmal die Gutachter ans Werk. Auf dem Störfall-Gutachten, das derzeit vorliegt, ließe sich jedenfalls „kein Planungsrecht aufbauen“, hieß es auf NRZ-Nachfrage aus dem Rathaus. Von einem neuen Gutachten will die Stadt nicht sprechen, sie nennt es „eine Erweiterung“. Und: Der Gutachter wird vom Investor ausgesucht und bezahlt.
Stadt weist Kritik zurück
Dass sich die Ergebnisse von Expertisen mitunter nach der Aufgabenformulierung ihrer Auftraggeber richten können, ist bekannt. Im NRZ-Interview hatte OB Sören Link „ein sauberes Verfahren“ garantiert. Und jetzt soll so lange an den Gutachten geschraubt werden, bis sich das Shopping-Dorf doch verwirklichen lässt? Die Stadt weist die Kritik zurück: Die Gutachten müssten nun einmal „vollständig und fundiert“ sein.
20 neue Outlets und das Dilemma mit den Genehmigungen
Vor dem Jahreswechsel klopfte sich die Outlet-Branche auf die Schulter. Auf dem „2. Deutschen Factory Outlet Kongress“ in Neumünster stellte auch Roger Sevenheck sein Duisburger Projekt vor, das nach seinen Angaben bei möglichen Mietern „auf sehr großes Interesse“ gestoßen sei.
Unter den rund 150 Teilnehmern herrschte Aufbruchstimmung, vom Marktdurchbruch für die Outlet-Center im „unterversorgten“ Deutschland war die Rede, vom „Anfang eines Eroberungszugs“.
In den kommenden Jahren erwartet die Branche bundesweit 20 bis 25 weitere Outlets. „Wer zuerst kommt, boomt zuerst“, prophezeite ein Investor, der bereits 14 Outlets in Europa betreibt.
Thema waren bei dem Kongress aber auch die Rechtsstreitigkeiten um Genehmigungen. Ein „mühevoller Weg“ werde es wohl bleiben, hieß es, vor allem in NRW mit den neuen Regelungen für großflächigen Einzelhandel. „Gerade in NRW nimmt die Landesregierung den Begriff Factory Outet Center nicht gern in den Mund“, sagte der Geschäftsführer der Beratungsfirma „Stadt und Handel“, das auch das viel diskutierte Zentrenkonzept für Duisburg erstellt hat.
Städte sollten Outlets als Chance begreifen, propagierte ein Experte, für eine erfolgreiche FOC-Ansiedlung sei „eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Projektentwickler und kommunaler Verwaltung besonders wichtig“.
Genehmigungen sollten „stets entlang einer wohldurchdachten Strategie umgesetzt werden“, heißt es in einem Fachvortrag. Die Auswahl „profilierter, unabhängiger Gutachter“ spiele eine immer größere Rolle, sie würden bei „komplizierten Prozessen“ unterstützen und könnten für den Erfolg eines Projekts von „elementarer Bedeutung“ sein.
Klar ist: Der Zeitplan gerät weiter in Verzug. Noch auf der Expo-Real im Oktober sprach Sevenheck von einem Baustart Ende 2012, für diese Zeit hatte er auch das abschließende „positive Votum des Duisburger Stadtrates“ erwartet. Und auf den beiden Immobilien-Messen in München und im November in Cannes verkündete Sevenheck, dass zehn Gutachten mit Bitte um Stellungnahme an die sogenannten „Träger öffentlicher Belange“ verschickt worden seien.
Gutachten noch gar nicht verschickt
Doch anders als Sevenheck propagiert, ist er von diesen Schritten des offiziellen Verfahrens meilenweit entfernt: Wie die Stadt der NRZ bestätigt, sind die Gutachten noch gar nicht an die zu beteiligten Behörden, Kammern, Verbände und Nachbarstädte verschickt worden.
Für die Stellungnahme hätten die „Träger öffentlicher Belange“ ab Versand vier Wochen Zeit. Dann muss die Stadt die Stellungnahmen aus- und bewerten, bevor sie dem Rat schließlich überhaupt vorgelegt. Wann es dazu kommt und wie viel Zeit das Verfahren jetzt noch benötigt, bezeichnete ein Stadtsprecherin als „unkalkulierbar“. Wann und ob überhaupt der Investor eine Baugenehmigung erhält ist daher völlig offen, selbst für vorbereitende Arbeiten wie Teilabrisse oder Rodungen würde er Genehmigungen benötigen.
Sevenheck hält an Fertigstellung fest
Nach Angaben des Investors und seiner Firma Douvil ist der Baustart jetzt offiziell in die „erste Jahreshälfte 2013“ verschoben. An der Fertigstellung des gesamten Projekts inklusive beider Bauabschnitte im Jahr 2017 hält Sevenheck aber fest. Auf die Nachfrage, was die gestoppte „Entmietung“ der Zinkhüttensiedlung für den Zeitplan bedeutet, reagiert man bei Douvil leicht verschnupft. „Vorläufig noch gar nichts“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Bei Projekten dieser Größenordnung werde immer „in mehreren alternativen Zeitsträngen“ gerechnet. „Da haben wir bisher keine Warnschwellen überschritten, die uns umdenken lassen.“ Zudem seien die Zeitverschiebungen auf Verfahrensdetails zurück zu führen und nicht auf das Mietermanagement. Aber selbst bei den Gutachten sieht der Investor „bisher keine kritischen Anhaltspunkte“. Die Störfallproblematik sei Bestandteil der Gutachtenerstellung und der Abwägung der Belange, wie es es das Baugesetz vorschreibe.
Gespräche mit Immeo laufen
Das Umzugsmanagement ruht weiterhin, lediglich freiwillige Angebote der Mieter wie Kündigungen würden normal weiter bearbeitet. Knapp 40 Prozent des Häuserkomplexes, also mehr als 150 Wohnungen, seien noch vermietet. Nach Angaben von Douvil laufen Gespräche mit Immeo darüber, ob es einen neuen Kaufvertrag geben kann und wie dieser dann aussieht.
Eine Immeo-Sprecherin bestätigte gestern die Gespräche: „Wir sind nach wie vor an der Umsetzung des Projekts interessiert.“ Ansonsten aber gebe es nichts Neues zu vermelden, an der Situation habe sich seit dem Rücktritt vom Kaufvertrag nichts geändert.
„Völlig unnötig“ umgezogen?
Was sich derzeit in Duisburg abspielt, beobachtet man rund 100 Kilometer stromaufwärts mit wachsendem Interesse. Denn auch in Bonn muss Investor Sevenheck um sein Projekt kämpfen. Die dort oppositionelle SPD hatte bereits gefordert, die Verhandlungen mit Sevenheck um das Maximilian-Center am Hauptbahnhof für gescheitert zu erklären.
Ausschlaggebend waren die Vorgänge in Duisburg. „Was ist das für ein Investor, der das schon nicht stemmen kann, bevor er überhaupt anfängt?“, kommentierten zwei Bonner SPD-Planungspolitiker den Immeo-Rücktritt vom Kaufvertrag und wundern sich, warum in Duisburg 250 Mieter „völlig unnötig“ aus ihren Wohnungen ausziehen mussten: „So einem Investor können wir nicht ein Millionenprojekt mitten im Bonner Zentrum überlassen.”