Duisburg. .

Sie haben sich oft zurückgezogen, nachgedacht und stundenlang in ihrer kleinen Gruppe über das Erlebte gesprochen, erzählen die Jugendlichen und jungen Männer. Sie haben aber auch etwas mitgebracht von ihrer kurzen Reise, das sie nicht für sich behalten wollen. Jetzt arbeiten sie im Jugendzentrum Zitrone an einem Theaterstück. Darin verarbeiten die 16- bis 19-Jährigen ihre Eindrücke, die sie bei einer Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz sammelten.

"Gesehen haben, um zu begreifen"

„Jeder hatte seinen eigenen Ort, der ihn besonders bewegt hat“, erzählt Josef Chahin. „Bei mir war es die Kinderbaracke in Birkenau.“ „Für mich waren es die Gleise. Als wir da standen, konnte ich mir vorstellen, wie die Menschen ankamen“, sagt Mustafa El-Chami. Muhammed Saat fasst zusammen: „Was wir in Auschwitz gelernt haben, das lernt man in der Schule nicht. Man muss es gesehen haben, um es zu begreifen.“

Sensibler im Alltag

Organisiert wurde die Fahrt im November letzten Jahres vom Verein Offene Jugendarbeit Neumühl (OfJu e.V.). Auch das Projekt Heroes, das sich an junge Migranten wendet, war beteiligt. Das Konzept, die Teilnehmer zunächst in das Thema einzuführen, mit jungen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Duisburg zusammenzubringen, später nach Auschwitz zu reisen und eine ausführliche Nachbereitung anzubieten, hat den Landschaftsverband Rheinland (LVR) davon überzeugt, die Fahrt finanziell zu fördern. „Wir haben jeweils einen Tag auf dem Hin- und Rückweg im Bus verbracht“, erklärt OfJu-Mitarbeiter Maximilian Winterseel. Fliegen oder mit der Bahn zu fahren wäre zu teuer geworden. „Und wir mussten den billigsten Bus nehmen, sonst hätte das Geld nicht gereicht.“ Die Teilnahme an der Fahrt rechnet er den Jugendlichen auch deshalb hoch an. Nun, hofft Winterseel, sollen sie die Erfahrung auch in ihren Alltag übertragen.

Das Ziel der Fahrt

Vorbereitet hat sich die Gruppe auch bei einer Führung durch die Synagoge am Innenhafen. Ein Historiker berichtete dabei auch von Duisburg zur Zeit des Nationalsozialismus.

Das geschichtliche Wissen zu vermitteln, steht nicht im Mittelpunkt des Projekts. „Sie sollen das Erlebte in die heutige Zeit mitnehmen“, erklärt OfJu-Mitarbeiter Maximilian Winterseel. Die Teilnehmer sollen Antisemitismus entlarven können und Unwissende über das Thema aufklären können.

In dem, da widerspricht niemand in der Runde, stoßen sie auf Menschen, die das Wort Jude provozierend oder auch als Schimpfwort nutzen. „Was machst du heute noch, du Jude?“, das höre man zum Beispiel in den Umkleidekabinen nach dem Sportunterricht, sagt Yasin Üstünay. Früher habe er darüber hinweggehört, „heute spreche ich die Leute an, aber sie haben keine Begründung dafür“.

Im Kreis sitzen und diskutieren

Einmal in der Woche wird die Fahrt nach Auschwitz noch zum Thema im Jugendzentrum Zitrone. Dann sitzen sie oft wieder zusammen im Kreis und diskutieren. So soll auch das Theaterstück beginnen. Aber die wichtigeren Diskussionen führen die neun Jugendlichen ab jetzt wohl auf dem Schulhof und der Straße.