Duisburg/Shumen. Die Duisburger Falken besuchten Shumen – jene Region, aus der viele Bulgaren nach Duisburg kommen.

Tausende Kilometer liegen zwischen den Duisburger Falken mit ihrem Jugendzentrum in Hochfeld und der Partnerorganisation Iskra, einer Nicht-Regierungsinitiative für Roma-Kinder im bulgarischen Shumen – und dennoch sind die Kinder teilweise dieselben. Da macht es Sinn, zu kooperieren, dachte sich der Duisburger Kreisverband.

Die neuen Falken-Vorsitzenden Elisa Hauser und ihr Stellvertreter Levin-Can Leuschner machten sich mit einer kleinen Gruppe auf den Weg zum Balkan, fuhren in drei Wochen 6800 Kilometer, knüpften Kontakte zu Jugendorganisationen und sahen sich die Heimat von vielen Kindern und Jugendlichen an, die regelmäßig im Hochfelder Falkenheim zu treffen sind.

Tuberkulose ist ein Problem

Der viele Dreck auf den Straßen und in den Ecken ist Elisa Hauser sofort aufgefallen: „Da gibt’s schon klare Unterschiede zwischen unseren Städten und denen in Bulgarien“, sagt sie. Unglaublich viele Menschen würden dort auf engstem Raum leben, unter einfachsten Bedingungen, oft ohne Wasser und Strom: „Das sind eher Hütten, in denen fünf Leute auf der Fläche eines deutschen Badezimmers hausen“, beschreibt sie.

Gegenbesuch nach Duisburg geplant

Von den 7,72 Millionen Einwohnern Bulgariens sind etwa 4,9 Prozent Roma, viele von ihnen leben in den Elendsquartieren rund um Shumen nahe der Schwarz-Meer-Küste.

Der Antiziganismus sei ausgeprägt. „Als Roma geht man an manchen Stellen besser nicht auf die andere Straßenseite“, berichtet Frank Witzke.

Durch die Theateraktionen der Falken mit Sami Osman wurde auf der Reise auch ein Kontakt ins mazedonische Skopje geknüpft. Auch hier sind es besonders die Roma-Familien, deren Schicksal die Hochfelder berührte. Demnächst will die Organisation „Iskra“ nach Duisburg kommen, um sich ein Bild von der Situation in Deutschland zu machen.

Die Menschen seien sehr freundlich gewesen, hätten viel von sich erzählt und von ihrem Leben . „Aber sie erwarten auch Hilfe, die wir ihnen so nicht geben können.“ In den Elendsvierteln seien die Bewohner den ganzen Tag damit beschäftigt, Nahrung für die Kinder zu beschaffen. „Das ist wie ein Vollzeitjob“. Da viele Roma ungelernt seien, hätten sie dort keine Chance auf einen Job. Auch die ethnische Zugehörigkeit drücke sie in eine Außenseiterrolle.

Falkensekretär Frank Witzke, der die Fahrt begleitete, hat auch andere Informationen gesammelt: „Wir haben über unsere Partnerorganisation Iskra erfahren, dass Tuberkulose in Shumen ein großes Problem ist.“ Er sorgt sich, dass die Krankheit mit nach Duisburg gebracht wird: „Da bekommen die Schuleingangsuntersuchungen bei uns in Duisburg eine ganz neue Bedeutung“, sagt er mit Blick auf die Personalnot im Gesundheitsamt und viele ausgefallene Untersuchungen.

Häuser haben keine Fenster und Türen

Großfamilien leben auf engem Raum und im Müll.
Großfamilien leben auf engem Raum und im Müll. © privat

Auch Witzke beschreibt bedrückendes Elend, das er auf der Reise gesehen hat: Die Häuser haben keine Fenster, keine Türen, im Flur liegt der Müll knietief. Dass einige dieser Häuser „Sokoli“ heißen, was übersetzt „Falke“ bedeutet, ist für die Duisburger doppelt bitter. Die deutsche Aufregung über Vermüllung ist aus bulgarischer Sicht die Mühe nicht wert. „Dort gibt es keine Tonnen, da ist es üblich, die Tüten auf die Straße zu stellen, da denken sie sich nichts bei“, wirbt Witzke um Verständnis für die Neu-EU-Zuwanderer in Duisburg. Nachbarn hatten sich immer wieder beschwert, dass die Bezirke, in denen Bulgaren und Rumänen leben, zunehmend verdrecken würden.

Deren Bild von Deutschland sei verzerrt: „Sie glauben, hier liegen goldene Äpfel auf der Straße, weil sie vom Kindergeld hören, aber mit dem Rechtssystem kennen sie sich überhaupt nicht aus. Um den Schein zu wahren, sagen sie, das alles toll ist. Und zurück können sie eh nicht, weil sie sich für die Reise verschuldet haben“, beschreibt Hauser die Krux. „Mein Verständnis für diese Menschen ist während der Reise enorm gewachsen.“