Duisburg. Die Rauchwolke, die nach dem Großbrand in einer Krefelder Düngemittelfabrik entstand, zog über mehrere Duisburger Stadtteile hinweg. Die Anwohner sind verunsichert und klagen über gesundheitliche Beschwerden. Der Krisenstab der Stadt versichert, dass keine Gefahr von der Rauchwolke ausgeht.

Nach dem Großbrand in der Krefelder Düngemittelmittelfabrik hat Walter Beyer ein unangenehmes Kratzen im Hals. „Und ich habe dazu noch so ein komisches Gefühl auf der Zunge, als ob da ein Belag drauf wäre“, erklärt der 66-Jährige, der seit sechs Jahrzehnten im Friemersheimer Dorf lebt.

Also jene Ecke im linksrheinischen Südwesten Duisburg, der von der penetrant stinkenden Rauchwand, die durch das Feuer entstandenen war, am Dienstag mit voller Wucht getroffen wurde. Wie ein Tuch legte sich ein smogartiger, stinkender Nebelschleier aber auch Mittwoch noch über Teile Rumeln-Kaldenhausens. Tags zuvor hatte er noch fast im gesamten Stadtgebiet den Menschen die saubere Luft zum Atmen genommen.

Beschwerden auch bei Nachbarn

Es war um kurz vor halb acht am Dienstagmorgen, als Beyer die schwarze Wolke in unmittelbarer Nähe sah. Der Unglücksort im Krefelder Stadtteil Linn liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von Friemersheim entfernt. „Gegen 9 Uhr gingen dann die Sirenen los. Bis dahin wussten wir hier nicht, was überhaupt los war.“

Massive Kritik vom BUND

Die Kreisgruppe Duisburg des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) übt massive Kritik an der mangelnden Transparenz zur Schadstoffsituation nach dem Großbrand. Selbst Experten könnten die Situation anhand bisheriger Veröffentlichungen nicht einschätzen. Das zuständige Landesamt habe noch keinerlei Datenmaterial zu dem Störfall veröffentlicht, so Kerstin Ciesla, die Vorsitzende des BUND Duisburg.

Zudem wies Ciesla darauf hin, dass das Umweltinstitut München erst im August in mehreren Düngemitteln der Unglücksfirm Compo auch Uran nachgewiesen habe. Sie fragt: Wurde dieser radioaktive Stoff nun auch freigesetzt?

Dr. Ulrike Nienhaus von der Bezirksregierung Düsseldorf sagt, dass die Phosphatstoffe in Düngemitteln eine natürliche Radioaktivität hätten, aber keine flüchtige Radioaktivität. Daher könne von einer Freisetzung in der Rauchwolke nicht ausgegangen werden.

Als dann am Vormittag der Wind drehte, zog die Rauchwolke genau nach Friemersheim. „Das war, als ob man in eine dicke Nebelwand reinfährt“, beschreibt Beyer. Kurz darauf spürte er erstmals besagtes Kratzen im Hals. Und weil am Mittwoch in der umliegenden Nachbarschaft alle über ähnliche Beschwerden klagten, zweifelt nicht nur Beyer an der Entwarnung der Feuerwehr und des Landesamtes für Umwelt und Natur: „Ich hab so ein komisches Gefühl, dass hier nicht die Wahrheit gesagt wird.“ Wie könne ein solcher Chemikalien-Cocktail, der dort verbrannt sein, für Menschen keine Gefahr darstellen?

Auch in Horst Hargarten wachsen die Zweifel. Er ist seit 2004 Briefzusteller in Friemersheim und wurde am Dienstag – wie seine anderen Kollegen auch – nach Bekanntwerden des Großbrandes zum Zustellstützpunkt an der Beethovenstraße zurückbeordert. „In dieser stinkenden Rauchwand die Post auszutragen, war nicht möglich. Ich hatte Sorge um meine Gesundheit“, so Hargarten.

In der Mühlenberg-Siedlung zwischen Friemersheim und Rumeln-Kaldenhausen lebt Petra Baier. „Es hat den ganzen Tag über nach faulen Eiern und verbranntem Gummi gerochen – unerträglich! Und nachts, als es gegen 4 Uhr so stark zu regnen begann, kam der Gestank dann zurück“, schildert die 52-Jährige ihre Eindrücke. Besonders ärgerlich sei gewesen, dass der erste Wagen mit Lautsprecher-Warnhinweisen in Mühlenberg erst am Abend vorbeigefahren sei – also zwölf Stunden nach Ausbruch des Feuers. Das bestätigt ihr Sohn Stefan. Die Rauchwolke hat zudem ihre Spuren hinterlassen: „Die Fensterrahmen sind schwarz.“

Kritik an Stadt Duisburg wegen fehlender Warnungen 

Der Krisenstab der Stadt weiß um die Sorgen und Ängste vieler Bürger, versicherte gestern auf WAZ-Anfrage aber nochmals, dass keine Gefahr von der Rauchwolke ausginge. „Wir messen an 35 Punkten in der gesamten Stadt im Halb-Stunden-Takt. Der Rauch wird auf den Gehalt von Nitrosen Gasen, Chlor, Salzsäure, Blausäure und Ammoniak überprüft – und alle Werte lagen bisher unter, manche sogar deutlich unter den erlaubten Grenzwerten“, so Stadtsprecherin Susanne Stölting.

Zur Bürgerkritik über „die schlechte oder nicht existente Informationspolitik der Stadt“ sagte Stadtsprecher Frank Kopatschek, dass je nach Dringlichkeit entschieden wurde, in welchen Stadtteilen wann die Lautsprecherdurchsagen erfolgten. Erst als der Wind am Mittag drehte, habe man sich auch auf den linksrheinischen Bereich konzentriert.

Lackschäden an 50 Fahrzeugen einer Präzisionsschmiede in Wanheim

Sie seien so lautlos und geschmeidig vom Himmel gerieselt wie sonst nur das Herbstlaub von den Bäumen. Jedoch hinterließen die bis zu zehn Zentimeter breiten Rußpartikel, die am Dienstag kurz nach dem Ausbruch des Feuers auch Teile Wanheims verschmutzten, üble Rückstände. „Rund 50 Fahrzeuge unseres Fuhrparks weisen Lackschäden an allen Stellen auf, wo diese Partikel lagen“, erzählt der Wanheimer Detlef Schmidt (46), der bei der dortigen angesiedelten Präzisionsschmiede Sona BLW als Versandleiter beschäftigt ist.

Zehn Zentimeter breit waren die Rußpartikel, die auf Wanheim rieselten.
Zehn Zentimeter breit waren die Rußpartikel, die auf Wanheim rieselten. © Detlef Schmidt

Die Rückstände, die auf dem gesamten Firmengelände lagen, sahen aus wie schwarze, verbrannte Wellpappe. „Als wir um kurz nach 7 von der Feuerwehr erfuhren, dass da eine Wolke mit Schadstoffen auf Duisburg zurase, haben wir sofort alle unsere Fahrer alarmiert und reingeholt“, so Schmidt. Gegen 11.15 Uhr sei dann erstmals eine Entwarnung ausgesprochen worden, so dass die Arbeit wieder aufgenommen wurde.

Diese Partikel hatten laut Schmidt auch den Sportplatz des SV Wanheim 1900 am Honnenpfad völlig verschmutzt. „Wir wollten sie erst aufsammeln, hatten aber dann doch zu große Bedenken, sie überhaupt anzufassen.“ Zudem zerbröselten sie sehr leicht.