Duisburg. .
Rote Ziegelsteine, präzise verlegt, kaum beschädigt über die Jahrhunderte, jetzt säuberlich freigelegt – der Küchenfußboden von Gerhard Mercator? „Möglich“, sagt der Stadtarchäologe Dr. Thomas Platz. Auf jeden Fall sei es der Boden eines Innenraumes auf der Fläche, auf der einst das Wohnhaus des großen Geografen stand: Oberstraße 4-6.
Seit Montag legen die Archäologen behutsam ein für die Stadtgeschichte bedeutsames Areal frei. An der Oberstraße lebte nicht nur der vor 500 Jahren geborene Mercator, sondern auch einige Bürgermeister des alten Duisburgs hatten dort ihr Domizil. Vom Nachbarhaus des berühmten Globenherstellers und Kartographen, Oberstraße 2, ist bereits der Keller freigelegt. Ein Blick in die Grube zeigt geschosshohe Mauern aus Backstein, aber deutlich erkennbar unterschiedlichen Alters.
Kein Wunder. Denn an den Häusern aus dem Mittelalter oder der Renaissance wurde über die Jahrhunderte an- und umgebaut, historische Bilder belegen es. So auch das Mercator-Haus, vom dem bis zum Zweiten Weltkrieg noch ein rückwärtiger Teil stand, während an der Straßenseite von jüngeren Eigentümern munter umgebaut wurde. So sei beispielsweise der Dachstuhl gedreht worden, die Fassade verbreitert, erklärt Platz.
Historische Bausubstanz zu großen Teilen erhalten
Dennoch sei ein erheblicher Teil der historischen Bausubstanz erhalten geblieben bis zum Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs – oder bis zum rigorosen Wiederaufbau ohne die heute vorgeschriebene Rücksichtnahme auf den Denkmalschutz.
Rund drei Monate haben die Archäologen Zeit, sich in den Boden zu graben, der in Zukunft nach Abriss der nicht mehr genutzten Schulen mit dem neuen Mercator-Quartier bebaut und zum Wohnviertel in direkter Rathaus-Nachbarschaft werden soll. Und das tun sie ganz vorsichtig. Erst wird das Pflaster des bisherigen Lehrerparkplatzes vom Bagger abgeräumt, dann nach und nach der Untergrund freigelegt.
Trümmerschutt aus dem Zweiten Weltkrieg muss entfernt werden
Trümmerschutt aus dem letzten Krieg ist es vor allem, der entfernt werden muss. Mit der Schaufel und mit dem Besen geht’s dann an die Feinarbeit. Mercators Behausung ist nicht das einzig Interessante, was die Archäologen erwarten. Platz geht davon aus, auf Überreste aus Zeiten der Duisburger Pfalz zu stoßen, das heißt auf Fundstücke, die durchaus auch aus dem 10. Jahrhundert stammen können. Die Pfalz, die mittelalterliche Herrscherresidenz, war dort, wo jetzt der Burgplatz ist. Der Grabungsleiter jedenfalls ist fest überzeugt: „Es wird hier sehr spannend.“
Zumal es nicht nur um erhoffte Funde geht, sondern auch darum, wie am letztendlich mit eventuellen baulichen Zeugnissen der Stadtgeschichte umgeht. Platz verweist als positives Beispiel auf die Ausgrabungen auf dem Gelände des „Stadtfensters“, wo an der Steinschen Gasse/ Ecke Münzstraße künftig Bücherei und Volkshochschule einziehen sollen. Dort sei vorgesehen, die von den Archäologen freigelegten Grundmauern des früheren Ordenshauses in den Neubau zu integrieren und wohl auch begehbar zu machen.
Neben den Grabungen an Mercators historischer Adresse werden in den nächsten Wochen weitere Bodenerkundungen auf dem Schulgrundstück durchgeführt. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Freifläche zwischen Bohnengasse und Rabbiner-Neumark-Weg sein. Insgesamt seien auf dem Areal bis zum Zweiten Weltkrieg 80 bis 90 Häuser erhalten geblieben mit teilweise jahrhundertealter Geschichte. Mögliche Funde könnten daher auch Einfluss haben auf die Gestaltung der Neubebauung.