Duisburg. „Aus Schwarz machen wir Weiß.“ Dies ist nicht etwa der Anfang einer Episode aus der „Sendung mit der Maus“, sondern der Beginn der Werksführung durch die Sachtleben Chemie GmbH.
„Aus Schwarz machen wir Weiß.“ Dies ist nicht etwa der Anfang einer Episode aus der "Sendung mit der Maus", sondern der Beginn der Werksführung durch die Sachtleben Chemie GmbH.
Dass das, was so einfach klingt, sehr kompliziert ist, davon konnten sich 20 WAZ-Leser überzeugen, als Firmensprecher Axel Markens ihnen im Blaumann und mit weißem Hartplastikhelm nun die Tore des Homberger Traditionsunternehmens mit 2200 Mitarbeitern und 830 Millionen Euro Jahresumsatz öffnete.
Schon der mit Bronzesternen verzierte Gehweg vor der Hauptverwaltung lässt vermuten, dass sich hinter alten Backsteinmauern viele Geschichten verbergen. „Das ist unser ,Walk of Fame‘ – ganz unbescheiden aus Hollywood geklaut.“
Walk of Fame für Mitarbeiter
Doch nicht etwa die Namen von Marylin Monroe, Frank Sinatra oder Scarlett Johansson stehen hier. „Wir ehren hier unsere Mitarbeiter“, für wirtschaftlich herausragende und originelle Vorschläge. Dies sei auch mit einem fünfstelligen Preisgeld verbunden. Ein anerkennendes „Oh“ macht die Runde, denn je weniger ein Sieger verdient, desto höher ist das Preisgeld.
Durch das Tor 24, vorbei an der Werksfeuerwehr und deren „kleinste Feuerwehrfahrzeuge der Welt“, einem Motorrad und einem Smart. geht es zunächst in einen Konferenzraum.
Alles nur eine Frage der Chemie
Dort aufgebaut sind Katzenstreu und Zahnpasta, Malkasten, Barbie-Puppe, Bonbons, ein Fußballtrikot und vieles mehr. Die Besucher blicken erstaunt, als fragten sie sich schmunzelnd, was das bitte für eine schäbige Tombola sein solle. In all diesen Produkten finden sich die Weißpigmente, das Titandioxid, die Sachtleben herstellt.
Drei bis vier Tage dauert es, bis aus schwarzem Erz das weiße Pulver entsteht,. Viele chemische Prozesse sind damit verbunden, doch Markens gelingt es, sie mit einem spritzigen Vortrag anschaulich zu machen, bei dem die Zuhörer häufig laut lachen. Etwa als er sagt: „Erinnern sie sich an die Dünnsäureverklappung in die Nordsee? Ohne uns wäre Greenpeace nie groß geworden.“ Oder als er erzählt, dass der Berliner Mauerfall der Einweihungsfeier der weltweit ersten Dünnsäure-Rückgewinnungsanlage die Show stahl.
Ein nicht ganz so kleiner Betrieb
Doch nicht die noch so heiter erzählte Geschichte des im Jahre 1878 gegründeten Unternehmens kann für glitzernde Augen sorgen, das schafft erst die Werksführung. In weiße Kittel gehüllt, Schutzbrillen und Helme auf, zieht die WAZ-Leserkarawane über das 800.000 Quadratmeter große Gelände zum Titandioxid-Werk, dem Herzstück von Sachtleben, das seit 1962 im Betrieb ist.
Hier spricht Markens in ein Mikrofon und über Kopfhörer in die Ohren seiner Gäste. Ohne Hilfsmittel würde man ihn nicht verstehen, denn inmitten des Riesen aus Stahl und Backstein ist es ohrenbetäubend laut, schmutzig und heiß. Nostalgisch blicken sich Besucher um, die früher in der Stahlindustrie malocht haben.
Ein haushoher Kessel, in dem das Erz mit Schwefelsäure, Wasser und Luft verflüssigt wird, poltert so stark, dass es in der Magengrube vibriert. „Hier wirken riesige Kräfte“, doch anders bekommt man den „Black Liquor“, der wie Jägermeister aussieht.
Einige Stahltreppen, Baugerüste und Türen weiter beginnt dann der „weiße Teil“ der Fabrik der mit einem aschfahlen Staub überzogen ist. Der Eindruck einer Schneelandschaft könnte aufkommen, wäre da nicht der große Drehrohrofen, der bis zu 1000 Grad heiß wird und dessen Nähe einem den Schweiß auf die Stirn treibt.
Produkt für die ganze Welt
Hier entstehen Weißpigment-Kristalle, die mit Hochdruckdampf gemahlen werden, sehr viel feiner als Mehl. Als „Hombitan“ (Homberger Titandioxid) wird das Endprodukt von Roboterarmen abgepackt und in alle Welt verkauft.
Den weißen Staub von den Sohlen abgeklopft, plaudern die Besucher noch lange mit dem Sachtleben-Sprecher beim Abendessen. „In Ihrem Essen sind keine unserer Produkte verarbeitet, da habe ich leider nicht aufgepasst“, scherzt Markens. Hätte er nichts gesagt, niemand hätte dies gemerkt – denn als Beilage zu den Frikadellen gab es Weißkrautsalat.