Duisburg. Mit Joachim Schulze auf Streifzug durch die Historie des Kohleabbaus. Von der Rheinhauser Bergbausammlung bis zu einer Blumenwiese, die früher grau war.
Es gibt Leute, die lassen sich nicht zweimal bitten. Wie Joachim Schulze nach dem Aufruf zur Mithilfe an dieser Serie. Der 76-Jährige meldete sich als Erster. Mit einer klaren Ansage. „Wenn Sie Duisburg kennenlernen wollen, dann müssen Sie was über den Bergbau wissen.“ Vier Tage später heißt es vor der Rheinhauser Bergbausammlung „Glück auf!"
Gepflegtes Grün und ein alter Grubenwagen fallen mir ins Auge vor dem Eingang des Flachbaus. „Ein bischen klein“, denke ich. Wohl ein Reflex, wenn man nahe Bochum lebt, wo das bedeutendste Bergbaumuseum der Welt steht. Eine gute Stunde später verlasse ich die Sammlung mit dem Gedanken: „Klein. Aber sehr, sehr fein.“
Ich werde begrüßt, wie jährlich rund 1000 Gäste begrüßt werden, vornehmlich Schulklassen und Seniorengruppen. Mit einem kräftigen Händedruck von Wilfried Brücksken, dem Vorsitzenden des Trägervereins der Sammlung. Zwischen Vitrinen mit vielen kleinen Ausstellungsstücken, die Wände voll mit Bildern und Dokumenten. „Der Mann kann ihnen alles erzählen, was sie wissen müssen“, sagt Joachim Schulze, Brückskens Vorgänger, mittlerweile Ehrenvorsitzender. Das ist nicht gelogen.
Erst ruft mir ein kurzer Film ins Gedächtnis, wie das schwarze Gold entsteht und wie es unsere Region zum Kohlenpott werden ließ. Danach bringt mich Brücksken ins Bild, was die Geschichte des linksrheinischen Bergbaus angeht. Von der ersten Bohrung 1851 in Homberg bis heute. Er nennt viele Daten, viele Zahlen. Trocken ist das nicht, eher begeistert und lebendig. „Uns ist es einfach wichtig, unseren Nachkommen zu erzählen, was unsere Region geprägt hat. Nämlich Kohle und Stahl.“
Schülergruppe aus Mainz zu Besuch
Das glaube ich aufs Wort. Schließlich ist der 64-Jährige Spross einer Bergmannsfamilie, war selbst 36 Jahre unter Tage. „Hier erzählen nur echte Bergleute“, sagt Brücksken über die weiteren Ehrenamtlichen der Sammlung. Deswegen sei sogar schon mal eine Schülergruppe aus Mainz angereist, habe sich gegen Bochum und für Rheinhausen entschieden. „Es kommt gut an, wenn man von richtigen Erinnerungen erzählen kann.“
Auch wird vor Viertklässlern ohne Umschweife vom „Arschleder“ erzählt. „Echte Bergmannsprache“ nennt das Brücksken, immer besonders beliebt bei Gästen. Da nimmt er auch schmunzelnd in Kauf, dass eine Schülerin im Aufsatz über ihren Besuch vom „Mann mit dem Lederarsch“ berichtete. Das ist nur eine von vielen Anekdoten, die Brücksken und Joachim Schulze im Zusammenhang mit der fast 30-jährigen Geschichte der Bergbausammlung zu erzählen wissen. Eine Geschichte, für die besonders Schulze viel Arbeit und Herzblut aufbrachte.
Neue NRZ-Serie: Duisburg entdecken – mit Ihrer Hilfe
Nächster Halt: Duisburg. So sagt‘s der Ausbildungsplan. Für gut drei Monate ist unser Volontär Bastian Angenendt nun in der Stadt an Rhein und Ruhr. Eine triste Betonplatte vor dem Bahnhof und eine Großbaustelle vor der neuen WG empfingen ihn am ersten Tag. Kostenfreie Parkplätze hat er auch nicht gefunden. Das kann nur besser werden, dachte er. Und es soll besser werden. Mit Ihrer Hilfe.
Denn wer könnte ihm die schönsten Flecken der Stadt besser zeigen als Ihre Bürger? Als Sie, liebe Leserinnen und Leser? In unserer Serie „Duisburg entdecken“ sollen Sie uns Ihre liebenswertesten Orte zeigen und uns erzählen, was sie so liebenswert macht.
Wo kann man sich am besten austoben, wo am besten entspannen? Haben Sie den schönsten Garten der Stadt oder den kuriosesten Hobbykeller? Wo gibt’s die beste Currywurst oder den besten Kaffee?
Wenn Sie Antworten darauf haben, melden Sie sich. Telefonisch unter (0203) 9926 - 3176 oder per E-Mail an b.angenendt@nrz.de. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!
1982 trug der damalige Werbeleiter der Firma Götzen mit Hilfe vieler Bergleute der Region die ersten Exponate zusammen. Binnen eines Jahres ganze 500. Im Lichthof der 1967 still gelegten Zeche Diergardt an der Asterlager Straße, damals das Götzen-Verwaltungsgebäude, wurde die Sammlung 1983 erstmals öffentlich ausgestellt. Noch heute ist dort ein Wandgemälde von Schulze zu sehen, das die Zeche Diergardt zeigt.
Ein Brand zerstörte 1993 fast alle Exponate und das komplette Archiv der Sammlung. Schulze sammelte aufs Neue, genau ein Jahr nach dem Brand konnte wieder ausgestellt werden. Auch als Götzen 1998 in Konkurs ging und die Sammlung damit ihre Heimat verlor, machte sich Schulz für ihren Erhalt stark und konnte für sie bald einen neuen Platz an der Hochstraße finden. Passend: Auch dieser Standort gehörte früher zu Diergardt, als Kohlenlagerplatz. 2007 folgte der vorerst letzte Umzug nach Rheinhausen-Bergheim.
Rund 1000 Exponate
Warum der gebürtige Weseler all das auf sich nahm? „Vorher hatte ich eigentlich gar nicht viel mit dem Bergbau zu tun“, meint Schulze, der gelernte Plakatmacher, Maler, Zeichner und Grafiker, unter anderem Schöpfer des MSV-Logos. „Aber die Begeisterung der Leute, die mir damals geholfen haben, hat auch mich zu einem Fan der Geschichte werden lassen.“
Heute zählt die Sammlung rund 1000 Exponate. Von der kleinen Schnupftabakdose über die Bohrkrone bis zum raumhohen Gemälde. Selbst Diergardt I/II fördert in der Sammlung noch, wenn auch nur als eines von vielen detailgetreuen 1:30-Modellen im „Heinz-Cording-Raum“, dessen Namensgeber Gründungsmitglied des Fördervereins und passionierter Modellbauer war.
Von grau zu blumig-bunt
„Glück auf!“ Joachim Schulz und ich verabschieden uns aus der Bergbausammlung, bleiben aber auf den Spuren des Bergbaus. Nach einem kurzen Halt im Diergardt-Lichthof will mir Schulze zum Schluss einen seiner liebsten Orte in Duisburg zeigen. Unweit von Schulzes Zuhause, am Rheinufer in Homberg. Wir bleiben an einem alten Hafenbecken stehen. „Früher wurde hier die Kohle verladen. Und es war alles grau“, erklärt mir mein Begleiter. Kaum zu glauben. Denn wir stehen auf einer großen, blumig-bunten Wiese. Eine schöne Kulisse. Die „Ariane“ schifft gerade an uns vorbei. Ihre Ladeflächen sind voll mit steinigen, schwarzen Haufen. Das passt ja. Und Schulze sagt: „Ich habe Ihnen doch gesagt: Duisburg und Kohle, das gehört zusammen.“