Duisburg..
„Vor 100 Jahren hat es keines dieser Häuser gegeben“, sagt Reiner Sanner und blickt vor „seinem“ Rathaus in die Runde. Bezirksamtsleiter ist er und nicht nur qua Amt, sondern auch durch Geburt Experte für Rheinhausen.
Deren Mitte zu erkunden, haben wir uns vorgenommen, und dieses Zentrum hat eigentlich alles, was eine Stadt braucht. Eine neue, geplante Stadt. „Die Vergangenheit ist im Wesentlichen Krupp zu verdanken“, verweist Sanner aufs vorletzte Jahrhundert, an dessen Anfang ein paar linksrheinische Bauerndörfer das heutige Rheinhausen noch nicht einmal erahnen ließen. Ende des Jahrhunderts rauchten dann die Schlote, glühten die Hochöfen, lieferte die Krupp-Hütte den Stoff, der dem Essener Konzern zu Weltgeltung verhalf.
Goldene Zeiten
An ein „stolzes Rheinhausen“ erinnert Sanner, an eine Stadt ohne Schulden in den goldenen Zeiten des Stahlstandortes nach 1945, als die Hütte und zwei Zechen 25 000 Menschen beschäftigte, als Stadtväter (und -mütter) auf weiteres Wachstum setzten. Was damals entstand, prägt noch heute Rheinhausen-Mitte: vierspurige Straßen, gesäumt von Rathaus, Sparkasse, Hauptpost, Finanzamt, Zentralbücherei, Hallenbad, schließlich auch einer eigenen Stadthalle – alles, was eine Stadt braucht: „Das sollte das Rheinhausen der Zukunft werden“, sagt Sanner. Für die 70er Jahre habe man damals mit 70 000 Einwohnern gerechnet.
Vom Rathaus kommend überqueren wir die großstädtische Friedrich-Ebert-Straße, gehen vorbei an der Rheinhausenhalle durch eine kleine Grünanlage, links das inzwischen geschlossene Hallenbad, vor uns im Schatten schöner Bäume der Glückaufplatz, an dem bis in die 60er Jahre auch noch das Rheinhauser Stadttheater stand.
Musikerstraßen
Geht man rechts an der evangelischen Erlöserkirche vorbei, ist man auf den Musikerstraßen mitten im Kruppschen Wohnungsbau der Wirtschaftswunderjahre. Beethoven wie Wagner standen bei der Straßenbenennung Pate, bis zu sieben Geschosse erreichen die zeittypischen Riegelbauten.
Jenseits der vielbefahrenen Schwarzenberger Straße grüßt der grüne Kupferturm von St. Peter, auch diese Kirche ist Krupp zu verdanken. Wenige Schritte weiter sind wir im Einkaufsviertel, auch hier ist der städtische Anspruch nicht zu übersehen. Die Krefelder Straße weist einen bunten Branchenmix von Geschäften auf, diverse Banken sind vertreten, dreigeschossig die Wohn- und Geschäftshäuser.
Markt als Magnet
Freundlich wirkt auch die Friedrich-Alfred-Straße, auf wenigen hundert Meter Fußgängerzone. Bäcker und Gastronomen stellen bei schönem Wetter zügig Tische und Stühle vor die Türen. Samstags ist besonders viel Leben, sagt Sanner, wegen des Hochemmericher Marktes, „ein wirklicher Magnet“. Pflanzkästen und Baumscheiben sind gepflegt, dreimal die Woche werde die Flaniermeile gereinigt, betont Sanner.
Billigläden sind dennoch nicht zu übersehen, und spätestens auf den Querstraßen hat’s der Handel sichtbar schwer, so noch vorhanden. Klar gebe es Leerstände in Zeiten einer schrumpfenden Stadt, weiß Sanner.
Gründerzeitfassaden
Am Markt haben wir eigentlich schon die Stadtteilgrenze überschritten, aber zur Mitte Rheinhausens gehört er allemal. Das stattliche „Deutsche Haus“ von 1906 heißt heute „Ye & Doy“, zu Deutsch: „Iss und werde satt“. Wir biegen ab in die Annastraße, gepflegte Gründerzeitfassaden auf der einen Seite, Kneipen mit teils geborstenen Scheiben gegenüber. Sanners Wunsch: Mehr Niveau bei den Lokalen und Läden der durchaus willkommenen türkischstämmigen Unternehmer, weniger Handy-Geschäfte und Spielhallen.
Und nicht zu übersehen ist ein Ärgernis mit eigentlich positiver Ursache. Logport auf dem Gelände der nach heftigen Arbeitskämpfen geschlossenen Krupphütte hat tausende neue Arbeitsplätze gebracht, aber eben auch Schwerlastverkehr, der immer noch durch die Rheinhauser „Innenstadt“ rollt – trotz Entlastungsstraßen. Sanner: „Das ist leider die Kehrseite der Medaille.“