Duisburg. Im Laufe der Zeit sind aus den Industriedenkmälern des Ruhrgebiets sehenswerte Museen, Parks, Bühnen und Ateliers geworden. Bei Touren und Besichtigungen bieten sich tiefe Einblicke in eine Region, die in der Industriekultur ihre kulturelle Identität bewahrt. Eine Reise zum Innenhafen in Duisburg.

100 Jahre lang war der Duisburger Innenhafen mit seinen Kontorhäusern, Getreidesilos und Mühlenwerken ein quirliger Hafen- und Handelsplatz. In den 1960er Jahre fielen die veralteten Lager- und Kontorhäuser nach und nach brach, 1970 entkam die historische Gebäudezeile aus dunkelrotem Backstein nur knapp dem Abriss.

Schließlich gab die Internationale Bauausstellung Emscher Park (1989– 1999) den Anstoß für eine städtebauliche Neuentwicklung des Innenhafens. Unter dem Motto „Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit am Wasser“ begann die Umwandlung des Hafengebietes in ein modernes Arbeits- und Wohngebiet.

Der Bär steppt auf der wachsenden Gastronomiemeile

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Grundlage war ein Masterplan des Londoner Stararchitekten Sir Norman Foster, der inzwischen weitgehend verwirklicht ist. Inzwischen sind die alten Speicher umgebaut und atmen neues Leben als Büro und Gewerbe, Museum und Freizeiteinrichtung, Restaurant, Bar oder Bistro. In direkter Nachbarschaft entstand ein von Grachtenkanälen durchzogenes Wohnquartier. Heute gilt das Gelände rund um den Duisburger Innenhafen als Paradebeispiel für den Wandel, den die Stadt zurzeit vollzieht.

Rund um den Innenhafen ist ein urbanes, trendiges Viertel und ein gefragter Standort für Unternehmen entstanden. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind rings um das Hafenbecken eine ganze Reihe eindrucksvoller Neubauten hinzugekommen und verbreiten Aufbruchstimmung. Zwei weitere architektonische Meilensteine sind derzeit im Bau: Im Herbst 2011 soll der spektakuläre Erweiterungsbau für das Museum Küppersmühle, bis 2012 das neue Landesarchiv am Duisburger Innenhafen fertig sein.

Schon jetzt steppt nach Büroschluss und am Wochenende der Bär auf der ständig wachsenden Gastronomiemeile direkt am Wasser. Bei einem Spaziergang auf der Promenade rund um das Hafenbecken lässt sich immer wieder Neues und auch Altes entdecken, das an die Zeit erinnert, als hier noch Frachter be- und entladen wurden. Die neue Marina mit 133 Dauerliegeplätzen für Sportboote ist zudem Ausgangspunkt für den Bootstourismus im Ruhrgebiet. Ahoi!

Innenhafen Duisburg - Der Brotkorb des Reviers 

Wo heute der Innenhafen ist, floss bis ins 12. Jahrhundert der Rhein. Nach einem starken Hochwasser um 1200 hatte der Strom seinen Verlauf jedoch verlegt. Eine Laune der Natur mit verheerenden Folgen für die Handelsstadt Duisburg, denn die saß fortan auf dem Trockenen.

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Auf den raschen Umschlag von Gütern angewiesen, entstanden in der Folgezeit zahlreiche Hafenkonzepte. Doch der direkte Rheinzugang blieb bis ins 19. Jahrhundert für die Duisburger Kaufmannschaft nur ein Traum. Erst 1828 begannen unter der Initiative des „Rhein- Ruhr-Canal-Aktienverein“ und unter Mitwirkung zahlreicher Duisburger Kaufleute die Bauarbeiten, zunächst für den heutigen Außenhafen, später für einen Kanal und das innere Hafenbecken.

Die Industrie im Innenhafen

Der erste Spatenstich wurde groß gefeiert, am Marientor eine Gedenktafel angebracht: Innerhalb kürzester Zeit wurde der neue Innenhafen zum zentralen Umschlagplatz für das Grubenholz, das die Ruhrzechen in riesigen Mengen benötigten, um in den Bergwerken die Schächte abzustützen. Gleichzeitig entstand am Kopfende des Hafenbeckens der „Brotkorb des Reviers“ mit zahlreichen Getreidesilos und Mühlenbetrieben.

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Um 1925 standen 115 Mühlen und Lagerhäuser am Außen- und Innenhafen und versorgten die rasant wachsende Bevölkerung in Europas größtem Industriegebiet mit Mehl und Gries. Pro Jahr wurden bis zu einer Million Tonnen Getreide umgeschlagen. Bis in die 1950er Jahre expandierte die Industrie am Innenhafen. Dann verlor der Umschlagplatz die Konkurrenz mit der Straße und es begann der Niedergang.

Das Kultur- und Stadthistorische Museum

1972 konnte eine Bürgerinitiative den Abriss der historischen Speicherzeile verhindern. Bis 1990 dauerte es schließlich, bis die Pläne für die Neunutzung der inzwischen denkmalgeschützten Zeitzeugen konkret wurden. Die Internationale Bauausstellung Emscher Park lobte einen Architektenwettbewerb aus, den schließlich das Büro des britischen Star-Architekten Sir Norman Foster in Zusammenarbeit mit örtlichen Partnern realisierte.

Der erste Speicherumbau für das Kultur- und Stadthistorische Museum im Jahr 1991 war das Startsignal für die Wiederbelebung des Duisburger Innenhafens.

Der Innenhafen Duisburg und die Re-Urbanisierung 

Re-Urbanisierung – dieser Prozess ist im postindustriellen Ruhrgebiet das große Thema. Was tun mit den ausgedienten Industrieanlagen? Diese Frage beschäftigt seit über zwei Jahrzehnten Heerscharen von Stadt- und Regionalplanern. Befriedigend scheint sie an einem Standort wie dem Innenhafen Duisburg beantwortet, wo ein stimmiger Masterplan den Mix von Arbeiten und Wohnen, Freizeit und Kultur vorgab. Bei anderen „Leuchttürmen“ wie etwa Zollverein in Essen wurden die hohen Ansprüche bei weitem nicht eingelöst.

Nach wie vor ist die mangelnde Urbanität das größte Problem der Region. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen wollen nicht auf bessere Zeiten warten und kehren dem hässlichen Entlein Ruhrgebiet den Rücken. Längst sind in Problemkiezen arme, alte und ausländische Menschen unter sich.

Freizeit und Unterhaltung

Während der Industrialisierung war es genau anders herum: Auf der Suche nach Arbeit kamen Hunderttausende ins boomende Industrierevier. Ab 1850 wuchs die Bevölkerung rasant von 220.000 Einwohnern auf 2,6 Millionen (1905) bis auf 5,7 Millionen (1967). Innerhalb weniger Jahrzehnte war zur Zeit des Deutschen Reiches der größte industrielle Ballungsraum entstanden.

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Anders als Berlin bildete sich an Ruhr und Emscher keine städtische Metropole, sondern eine zersiedelte Industrielandschaft mit unzähligen Vororten und Subzentren rund um die vielen Pütts und Stahlwerke. In der Zechensiedlung mit Blick auf das Fördergerüst wurde gewohnt. Freizeit und Unterhaltung – das waren der Fußballverein der Heimatzeche, Taubenzucht und Schrebergarten hinterm Haus.

Zeitgemäße, städtebauliche Lösungen

Zum Einkaufen fuhr man weite Wege in die Stadt. Eine bürgerliche Kultur mit Theater, Opernhaus und Museum beschränkte sich auf die Hellwegstädte Duisburg, Essen, Dortmund und konnte mit dem Niveau anderer deutscher Städte lange nicht mithalten. Ab 1960 fielen im Zuge der Kohle- und Stahlkrise immer mehr Industrieflächen und riesige Werksanlagen brach. Noch um 1980 war meist die Abrissbirne das Allheilmittel der Stadtplaner.

Erst in den 1990er Jahren wuchs im Ruhrgebiet die Einsicht, dass Städtebau auch eine Frage von Identität ist. Warum also nicht alte Speicher erhalten, umbauen und neu nutzen, wie die Docklands in London oder die Speicherstadt in Hamburg? Zugleich gewann das Stichwort „Re-Urbanisierung“ an Bedeutung: Galt es doch, die herkömmliche Trennung in Lebens-, Arbeits- und Freizeiträume aufzuheben und nach neuen, zeitgemäßen städtebaulichen Lösungen zu suchen. Re- Urbanisierung – ein Prozess, dessen Ende im Ruhrgebiet noch längst nicht abzusehen ist.