Duisburg. Am 22. Juli vor 105 Jahren trafen sich 1000 Lehrer in Duisburg zum „Ersten Deutschen Klassenlehrertag“. Dabei wurde lautstark gestritten.

Wenn Hörfunk und Zeitungen Sonntag in ihren Rückblicken berichten, was am 22. Juli vor Jahren, Jahrzehnten oder gar einem Jahrhundert geschehen ist, dann könnte auch Duisburg dabei eine Rolle spielen. Denn wie die Kalenderblätter der Nachrichtenagenturen vermelden, sind am 22. Juli 1907 „rund 1000 Lehrer aus allen Teilen des Reiches zum ersten Deutschen Klassenlehrertag in Duisburg zusammengekommen“.

Der Hintergrund dieses Ereignisses wird nicht näher erläutert, und auch die sonst so allwissenden Internet-Suchmaschinen versagen eine Erklärung. Fündig wird man dagegen in der Zeitung „Der Klassenlehrer“, dem Organ des Deutschen Klassenlehrer-Vereins, erschienen am 1. August 1907.

Gleich auf mehreren Seiten wird über das Treffen im „großen Hense’schen Saale“* berichtet, das demnach allerdings nicht am 22. Juli, sondern bereits einen Tag zuvor, am Sonntag, den 21. Juli 1907, stattfand. Dem Bericht zufolge wurde an diesem Tag in Duisburg vor 105 Jahren munter und lautstark diskutiert. Denn es ging vor allem ums Geld.

Schulleiter wollten das Doppelte

Den Streit vom Zaun gebrochen hatten die „maßlosen“ Forderungen des Preußischen Rektorenvereins. Die Schulleiter verlangten nämlich das doppelte Grundgehalt der Klassenlehrer und zudem 50 Prozent mehr Mietentschädigung. Dies sei „eine außerordentliche Überschätzung der leitenden Tätigkeit der Rektoren und eine große Geringschätzung der unterrichtlichen und erziehlichen Tätigkeit der Klassenlehrer“, schimpfte Lehrer Reinhardt aus Köln. Er und seine Kollegen forderten per Resolution das gleiche Grundgehalt, die gleiche Alterszulage und die gleiche Mietentschädigung. Schulleiter sollten höchstens eine Zulage von 500 Mark, nicht von 2000 Mark erhalten.

Fundstück vom 22. Juli 1907

Die Lehrmethoden und die Rahmenbedingungen für den Unterricht vor 105 Jahren werden sich heutige Schüler wohl kaum noch vorstellen können. Wie es damals an den Schulen — nicht unbedingt in denen der großen Städte, aber an den preußischen Landschulen — zuging, beleuchtet eine Meldung der „Welt am Montag“ vom 22. Juli 1907:

„In Bato (Kreis Soldin) befinden sich Lehrerwohnung, Schulzimmer und Schweinestall unter einem Dache, nur durch eine dünne Wand getrennt. Zeitweise herrscht in den Schulräumen dadurch ein solcher Geruch, dass es Lehrer und Schüler nicht aushalten können.“

Der Bericht gibt einen amüsanten Einblick in damalige Gepflogenheiten und Umgangsformen. Den Gegnern des Vereins hatte der Vorsitzende schon zu Beginn das Wort verwehrt, weil man sich mit der bekannten Kritik nicht länger aufhalten wollte. „Das gefiel Herrn Bünzli aus Elberfeld, dem Berichterstatter für die ‘Neue Westdeutsche Schulzeitung’ durchaus nicht, und er erdreistete sich, den Vorschlag des Vorsitzenden eine Rücksichtslosigkeit zu nennen“, schrieb der Autor des Artikels und fügte bei dem Wort „Rücksichtslosigkeit“ hinter jedem Buchstaben einen Leerschlag ein, um die Unverschämtheit dieses Ausdrucks hervorzuheben. Auch der Vorsitzende ließ den Herr Bünzli nicht einfach davonkommen und erteilte ihm einen „Ordnungsruf“, wie der Autor weiter schreibt: „Herr Bünzli nahm jedoch - sehr erregt - nochmals das Wort und schloss mit der drohenden Bemerkung: Das Weitere wird sich finden“.

Text fällt in Propaganda-artigen Tonfall

Und auch innerhalb der letzten fünf Wörter hat der Autor nicht mit Leerschlägen gespart.

Der Text über das Treffen dieser frühgewerkschaftlichen Vereinigung fällt immer wieder in einen Propaganda-artigen Tonfall. Besonders deutlich wird das im Abschnitt über den Herrn Lausgang aus München, der besonders begrüßt wurde, weil er unter den 1000 Lehrern die weiteste Anreise hinter sich hatte: „Über die Mainlinie hinaus reichten sich die Klassenlehrer aus Süd- und Norddeutschland die Hand, um einzutreten für die Ideen des Deutschen Klassenlehrer-Vereins; denn der Sieg dieser Ideen bedeute die Förderung der Schule und darum die Förderung des Volkes und des Vaterlandes. (Lebhafter Beifall.)“

Ach ja, und auch die Duisburger Ortsgruppe des Klassenlehrer-Vereins fand besondere Erwähnung. Sie war erst wenige Tage zuvor gegründet worden und zählte bereits 55 Mitglieder. Dass man sich zur ersten Tagung in Duisburg getroffen habe, sei „eine Ehre, die die Kollegen anspornt, für die Ausbreitung des Vereins und seiner Ziele unermüdlich tätig zu sein“, sagte der Ortsvorsitzende Weiand und war sich sicher, dass „die übrigen Kollegen nicht säumen würden, sich in den nächsten Tagen anzuschließen“.