Duisburg. . Nach der Landtagswahl hat die heiße Phase des Oberbürgermeister-Wahlkampfes in Duisburg begonnen. Sechs der 13 Kandidaten trafen jetzt beim DGB zu einer Podiumsdiskussion erstmals aufeinander.
Solch einen interessierten Wähler wünscht man sich: Noch vor seiner Nachtschicht hockte sich Michael Jaschzyk Dienstagabend in den übervollen DGB-Kellerraum, um zu hören, was Oberbürgermeister-Kandidaten sagen und denken. Er kannte sie nicht, wollte sich ein Bild machen. Hinterher war er klüger. Informativ nennt der junge Mann die Runde. „Es war gut, die Leute live erlebt zu haben“, sagt er.
Wust an Informationen
Wie soll man auch den Wust an Informationen abspeichern, wenn sechs Kandidaten zum geforderten Parforceritt durch die Themen Arbeit und soziale Gerechtigkeit antreten? In Reih’ und Glied stehen Richard Wittsiepe (parteilos), Benno Lensdorf (CDU), Ingrid Fitzek (Grüne), Sören Link (SPD), Barbara Laakmann (Linke) und Michael Rubinstein (parteilos) auf dem Podium. Drei Minuten Zeit haben sie für Statements. Ob hängen bleibt, dass Rubinstein auf „Investitionen und Investoren“ setzt, Laakmann „tollkühne Träume“ von Beschäftigungsmöglichkeiten in Ganztagsschulen hat, Fitzek „soziale Teilhabe“ verbessern will, Link ein Personalentwicklungskonzept für das Rathaus anmahnt, Wittsiepe mehr Pflege der örtlichen Wirtschaft einfordert und Lensdorf aufs Ehrenamt setzt?
Der Kandidat, das unbekannte Wesen
Kaum ist die Landtagswahl vorbei, sollen die Wähler in gut vier Wochen wieder an die Wahlurne. Das sollte sie nicht ermüden. Entschieden wird schließlich über das einflussreiche Stadtoberhaupt, das auch das Gesicht der Stadt ist, das kompetent eine riesige Stadtverwaltung führen soll, das Akzente künftiger Stadtpolitik setzen soll. Doch nach welchen Kriterien entscheidet der Wähler? Viele sicher nach Parteibindung. Viele, und das werden immer mehr, aber nicht. Mit Absicht nicht. Sie können sich über Medien informieren. Soziale Netzwerke und die Internet-Auftritte der Kandidaten werden eine immer wichtigere Rolle spielen. Und nur ein kleiner Teil wird die Kandidaten live erleben. Die Chance dazu sollte man nutzen.
Hilft es dem OB-Wähler am 17. Juni zur Entscheidungsfindung, dass alle Kandidaten auf Integration setzen und allen in unterschiedlichsten Nuancierungen Bildung als Schlüssel und Türöffner gilt? Beim Thema Steuererhöhung trennen sich die Meinungen. Wittsiepe schimpft auf sie, Lensdorf sagt, „das mach ich nicht mit“, Rubinstein hält sie freundlich nicht für ein „probates Mittel“, Fitzek und Link lassen durchblicken, dass Steuererhöhungen wohl ein notwendiges Übel angesichts leerer Kassen sind.
Wahlprüfstein Hochfeld? Was ist mit dem sozialen Sprengstoff der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien dort? Da ist oft von „Durchgreifen“ gegen Illegales die Rede (Wittsiepe, Lensdorf, abgeschwächt Rubinstein, Link). Fitzek springt in die Bresche, warnt vor pauschalisierter Kriminalisierung: „Wir haben es mit Menschen zu tun.“
Das Factory Outlet in Hamborn kann ein polarisierendes Wahlkampfthema werden. Sowohl bei der Frage des Ob (gut für den Handel?) und der Frage des Wie (Abriss des Zinkhüttenplatzes). Lensdorf und Wittsiepe sagen nein zum FOC, Rubinstein will’s kleiner haben, Laakmann hatte im Rat dafür gestimmt, ist jetzt dagegen. Nur Link, der Walsumer, sagt klar: „Das ist eine Bereicherung für den Stadtnorden.“ Zugleich übertreffen sich die Kandidaten in der Verurteilung, wie mit den Mietern des Zinkhüttenplatzes umgegangen wurde: „mehr Rücksicht nehmen“ (Rubinstein) „schlechtes Beispiel für Bürgerbeteiligung“ (Fitzek), „unter aller Sau“ (Link).
Unserem OB-Runden-Gast Michael Jaschzyk dürfte der Kopf nach soviel Statements gedröhnt haben. „Das war informativ“, sagt er freundlich. Bewertungen zum Auftritt der Kandidaten enthält er sich. Dabei gab es Rollenverteilungen, Stärken und Schwächen bei dieser ersten großen öffentlichen Kandidatenschau:
Richard Wittsiepe, von Beruf Steuerberater und die Abwahl-Bürgerinitiative im Rücken, setzt im Wahlkampf offenbar auf Angriffslust und Protest mit einem Schuss Populismus: „Versagt“, „versagt“, „versagt“ hält er gleich drei Mal Rathaus und etablierter Politik vor.
Benno Lensdorf, der erfahrene CDU-Bürgermeister, kennt das Geschäft, setzt aber wenig Akzente und erinnert wahlkämpferisch an alte Sozen-Zeiten.
Barbara Laakmann, die Schulleiterin, spricht flüssig und ruhig, besetzt linke Positionen, aber verlässt selten ihren Schulhof.
Sören Link startet etwas hölzern, läuft sich dann aber warm, strukturiert seine Antworten in klare Dreierblöcke und setzt selbstbewusst auf Amtsansprüche („wenn ich Oberbürgermeister werde . . .“).
Michael Rubinstein, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, den Piraten, FDP und der Verein Neuanfang unterstützen, zeigt sich charmant, moderat und eloquent, streut geschickt ein, dass er Fachleuten zuhören, aber auch noch nicht alles beantworten kann – manchen ist das doch zu „glatt“.
Ingrid Fitzek, die Uni-Gleichstellungsbeauftragte, ist zunächst arg akademisch, später pointierter, lockerer, aber stets freundlich und durchgängig politisch reif.
Und Michael Jaschzyk, weiß er nun, wen er wählen wird? „Das kann ich noch nicht sagen. Das ist zu früh.“