Duisburg. . Sie stechen zu, sie schlagen oder treten, sie sind hochaggressiv: Ladendiebe, die von Detektiven gestellt wurden, werden immer rabiater, klagt der Einzelhandel. Irgendwann muss es unbemerkt „klick“ gemacht haben und plötzlich war die Gewalt da.
Tatort: Kaufhof in der Innenstadt, ein Ladendetektiv beobachtet einen Mann dabei, wie er einen teuren MP3-Player unter seinem Mantel verschwinden lässt. Der Detektiv stellt den Dieb zur Rede, der zieht ein Messer, sticht zu, verletzt den Detektiv und kann zunächst entkommen. Ein zweiter Fall: In einem Haushaltswarengeschäft in der City. Ein Dieb lässt zwei hochwertige und superscharfe Küchenmesser verschwinden. Als er vom Personal gestoppt wird, zieht er seine Beute hervor und fragt aggressiv, bevor er dann davon läuft: „Na, wie willst du mich jetzt aufhalten?“
„Eine völlig neue Lage!“
Für Wilhelm Bommann, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Niederrhein, sind dies nur zwei von zahllosen Fällen, unter denen seit knapp zwei Jahren auch in Duisburg die rund 3000 Händler und Kaufleute schwer zu leiden haben. Bommann: „Ladendiebe, die wir erwischen, werden plötzlich rabiat, sie stechen zu, sie schlagen oder treten, werden hochaggressiv - das ist für uns eine neue Lage.“ Warum sich das plötzlich in diese gewalttätige Richtung geändert hat? Er weiß es auch nicht.
Er weiß nur, dass es sich bei den Dieben seit Jahren um immer die drei gleichen Gruppen handelt: Den größten Schaden würden die Junkies anrichten, die für ihre tägliche Portion Drogen einfach immer klauen gehen. „Die greifen richtig kostbare Sachen weg, die sie weiterverkaufen wollen.“ Die zweite Gruppe ist das Heer der „Gelegenheitsdiebe“, Männlein, Weiblein, jedes Alter, arm oder reich. Auf Platz drei stünden die Banden, die „wie Heuschrecken-Schwärme durch die Lande“ ziehen würden und die Läden heimsuchten.
3280 Ladendiebstähle sind im Jahr 2011 bei der Duisburger Polizei aktenkundig geworden. Sogar 100 weniger als im Jahr davor. Doch das alles sei doch nur die Spitze des Eisbergs. Bommann: „95 % der Diebstähle bleiben unentdeckt.“
Das bedeutet: Im Duisburger Handel gibt es Jahr für Jahr mehr als 600.000 Ladendiebstähle. Der Schaden ist gewaltig: 16,5 Mio. Euro an gestohlener Ware und 8,5 Mio. Euro wendet der Handel mittlerweile Jahr für Jahr auf, um die Waren zu sichern: Codierungen, Videoüberwachung, verdeckte und offene Ermittler, GPS-Ortung bei hochwertiger Ware.
„Oft Junkies, die durchdrehen!“
Und jetzt müssen die Beschäftigten auch noch gegen Gewaltausbrüche von Ladendieben geschult werden. „Oft sind es Junkies, die durchdrehen, sie haben nichts zu verlieren. Wir veranstalten also Selbstbehauptungskurse, damit unsere Damen selbstbewusster sind, wenn das Gegenüber plötzlich losbrüllt.“ Aber irgendeine Form der Gegenwehr oder des Zweikampfs werde nicht gelehrt, dafür sei die Polizei da.
Und der Handel versucht es mit den kantigen, durchtrainierten Herren vor der Ladentüre - den so genannten „Doormen“. Sie stehen breitschultrig vor Warenhäusern und Parfümerien; dort, wo es die kleinen, hochwertigen Waren gibt, die man mal schnell wegstehlen kann. Mancher Händler schult sich selber durch „Klautests“. Er lässt sich durch Detektive bestehlen, um zu schauen, wie gut seine Sicherungen sind.
Und schließlich: Wehe dem, der erwischt wird. Bommann: „Wir bringen wirklich jeden zur Anzeige und jeden vor den Richter. Manchmal im beschleunigten Verfahren sogar noch am gleichen Tag.“ Denn der Handel will, dass der Dieb beim zweiten Mal bereits aktenkundig ist. Dann gibt es härtere Strafen. Denn: Jeder zweite Landedieb ist ein Mehrfachtäter.