Die Not des vergesslichen Briefeschreibers macht erfinderisch. Neulich waren einem Ratlosen wichtige Informationen entfallen – und so hinterließ er als Anschrift auf dem Umschlag neben dem Namen nur folgende Angaben: „Friedrich-Ebert-Straße, gegenüber der Tankstelle“. Das Problem: Es gibt gleich sieben (!) Straßen mit diesem Namen auf Duisburger Stadtgebiet. Mit sieben verschiedenen Postleitzahlen. Wie sollen Briefträger denn da den richtigen Empfänger finden? Doch die Post weiß jemanden in ihren Reihen, der selbst solch harte Zustell-Rätselnüsse knacken kann: das „SAM“-Team im Briefzentrum Asterlagen.
Rund 500 bis 1000„faule Briefe“ pro Tag
Diese eingängige Abkürzung steht für „Service Adress Management“. Hinter diesem behörden-typischen Namen verbirgt sich ein vierköpfiges Team, dass in seinem Arbeitsalltag versucht, falsch oder nicht vollständig adressierte Sendungen irgendwie an den Mann oder an die Frau zu bringen. Über 1000 solcher „faulen Briefe“ – wie sie in Post-Kreisen genannt werden – trudeln gerade in postalischen Hoch-Zeiten wie diesen nun vor Weihnachten auf den Schreibtischen von Helmut Rosenstein, Michael Daams, Axel Krzossa und Rolf Kaldenhoff ein. Sie stammen aus allen 1100 Bezirken mit den Postleitzahlen-Ziffern „46“ und „47“ am Anfang, für die das Briefzentrum Asterlagen verantwortlich ist.
Die schwersten Fälle
Ist ein Brief nicht korrekt adressiert und fehlt dann auch noch ein Absender, dann schlägt die Stunde der „Briefermittlungsstelle“. Diese sitzt in Marburg. Die rund 200 Mitarbeiter sind gesetzlich legitimiert, gegen das Briefgeheimnis zu verstoßen und die Post zu öffnen. Sie suchen im Schreiben nach Hinweisen auf Adressat oder Absender.
"Wie Detektivarbeit"
„Es ist schon ein bisschen wie Detektivarbeit. Auf jeden Fall hilft eine gute Ortskenntnis. Und die haben wir alle hier“, sagt Axel Krzossa, der diese Aufgabe seit 1994 Tag für Tag bewältigt und sich auf den Großraum Duisburg spezialisiert hat. Und was für Sendungen landen nun bei ihm? Da wäre zum einen Info-Post, also Briefe mit Werbung. Die erreicht regelmäßig Haushalte, deren frühere Bewohner lange weggezogen oder verstorben sind. Und was tun viele Hausbewohner mit solchen Zustellungen? Sie werfen sie zurück in den nächstbesten Briefkasten oder verweigern die Annahme vom Briefträger.
Duisburgs längste Straßen
1/22
„Einige Firmen lassen sich diese Rückläufer dann von uns zurückschicken, damit sie ihre Kundendatei auf den neusten Stand bringen können“, erklärt Post-Pressesprecher Rainer Ernzer. „Bei anderen heißt es: Wenn nicht zustellbar, dann ab in die Mülltonne.“
Fehlende oder falsche Hausnummer ist der Klassiker
Der Klassiker schlechthin seien aber fehlende oder falsche Hausnummern und Postleitzahlen bei Privatsendungen. „Neben Köln und Berlin ist Duisburg die Stadt mit den meisten mehrfach auftauchenden Straßennamen in ganz Deutschland“, sagt Krzossa. Beim Aufspüren hilft ihm oft sein Wissen von örtlichen Gegebenheiten aus alten Zusteller-Zeiten. So reicht etwa die Duisburger Straße in Hochemmerich nur bis zu einer bestimmten Hausnummer.
Liegt jene auf dem Adressaufkleber darüber, kann es automatisch nur jene Duisburger Straße in Homberg sein oder jene, die durch Alt-Hamborn, Neumühl und Marxloh verläuft. Egal, wie kniffelig die Sache läuft: Zumindest ein Zustellversuch wird immer unternommen.
Handschriften entziffern
Und was gibt’s noch für Fälle? „Verwechslungen!“, sagt Krzossa. Geschrieben wurde an die Ludgeristraße in Neudorf, gemeint war aber die Ludgerusstraße in Walsum. Und natürlich muss das „SAM“-Quartett Handschriften entziffern können – und seien sie auch noch so unleserlich. „Gerade wenn die Schrift erahnen lässt, dass es sich um Kinder oder ältere Herrschaften handelt oder wenn wir Trauerkarten vor uns haben, versuchen wir alles, um die richtige Adresse herauszufinden“, sagt Krzossa. In 75 Prozent der Fälle klappt das übrigens sofort.
Genug geplaudert. Der nächste schwere Fall wartet. Auf dem Umschlag nur zu lesen: „Das Haus der Pfarrersleute, 4100 Duisburg“.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.