Duisburg. .

Mit der Ausstellung „100 Jahre Kniende“ erfährt die Skulptur Wilhelm Lehmbrucks eine ganz andere Bedeutung. In Duisburg sind ab Samstag auch Werke von Auguste Rodin, Henri Matisse, Constantin Brancusi und Maurice Denis zu sehen.

Mit der Ausstellung „100 Jahre Kniende“ setzt das Lehmbruck-Museum in Duisburg einen Meilenstein auf seinem Weg zum internationalen Zentrum der Lehmbruck-Forschung. So erfährt „Die Kniende“, die der Meidericher Bildhauer 1911 in Paris schuf, als Star der Ausstellung eine ganz neue Deutung: Wurde sie bislang als Verkündigungsengel interpretiert, tritt die Ausstellung den Beweis an, dass es sich bei der Skulptur vielmehr um eine Tänzerin handelt, die den Applaus des Publikums entgegennimmt.

Und den dürfte die Ausstellung nicht nur bei Fachleuten ernten – so sprach Matisse-Expertin Susanne Kudielka aus Basel am Mittwoch von „unglaublichen Entdeckungen“ – sondern auch bei den Besuchern: So viele prominente Gäste wie „Die Kniende“ zu ihrem 100. Geburtstag empfängt, hat das Haus noch nie gesehen: Werke von Auguste Rodin, Henri Matisse, Constantin Brancusi, Maurice Denis, Marcel Duchamp, Robert Delaunay, Amedeo Modigliani, Aristide Maillol, Fernand Léger oder Bernhard Hoetger sind aus aller Welt angereist. Sie kommen aus dem Louvre in Paris und aus dem Museum of Modern Art in New York, aber aus einem japanischen Hotel, das im 19. Jahrhundert in den Bergen bei Tokio gebaut wurde. Kuratorin Marion Bornscheuer hat ein Gemälde für die Ausstellung nach langen Recherchen entdeckt. „Es ist wahrscheinlich zum ersten Mal seit 1907 wieder in Europa zu sehen.“

„Kniende ist für Skulptur des 20. Jahrhunderts eine Mona Lisa“

Für Susanne Kudielka ist bei ihrer Beschäftigung mit Lehmbruck deutlich geworden, dass er „nach Paris gegangen ist, um seine künstlerische Identität zu finden. Und er hat sich in Paris behauptet und mit den Großen ausgestellt.“

Die Musikwissenschaftlerin Denise Wendel-Poray ist Lehmbrucks Spuren in Paris gefolgt. Sie hat sich gefragt, was der Bildhauer gemacht hat, wenn er nicht im Atelier war. „Er ging so oft wie möglich ins Theater.“ Und sie hält es für sehr wahrscheinlich, dass Lehmbruck, der selbst Geige spielte und ein Anhänger der Musik von Claude Debussy war, in der Uraufführung des Balletts „L’après midi d’un faune“ mit Vaslav Nijinsky war, die in einem Skandal auslöste. Begeisterte und Empörte lieferten sich eine Prügelei. Lehmbruck muss zu den Begeisterten gehört haben. „Er war Avantgarde“.

„Diese Kniende ist für Skulptur des 20. Jahrhunderts eine Mona Lisa“, schwärmt Museumschef Raimund Stecker: „Es gibt keinen freien Arm vor der Knienden.“

Die Ausstellung sei auch ein Dankeschön an alle, die den Lehmbruck-Nachlass aus dem Familienbesitz nach Duisburg geholt haben. Das sei „ein Kraftakt“ gewesen für die Stadt, das Land, den Bund, die IHK und die Förderer aus der Wirtschaft. Am Samstag werde übrigens in Düsseldorf eine Lehmbruck-Büste mit dem Schätzpreis von 340,000 Euro versteigert. Steckers Wink mit dem Zaunpfahl: „Aufgabe der Museen ist es zurzeit, jedem die Möglichkeit zu einer guten Tat zu geben.“

Auch Regina Wyrwoll, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, zeigte sich begeistert von der Ausstellung. Der Ankauf des Nachlasses sei „ein richtiger Klopfer“ für Duisburg und NRW gewesen. Jetzt hat die Stiftung den Katalog finanziert. „Ein wichtiges Buch“, so Wyrwoll.

Zeitreise in das Paris von 1911

Die Ausstellung (bis 22. Januar) wird am Samstag, 24. September, ganz unspektakulär eröffnet: Um 17 Uhr ist Einlass. Feier und Reden fallen aus, weil es in dem dafür vorgesehenen Raum keine Notausgänge gibt, so Museumschef Raimund Stecker. Sie sollten gebaut werden, aber „wir sind nicht fertig geworden“.

Auf der Empore der Glashalle können Besucher unter dem Motto „Hasenohren im Salon“ eine Zeitreise in das Paris von 1911 unternehmen. Die Kostümentwürfe der Künstlerin Johanna Schwarz greifen humorvoll Modetrends der damaligen Zeit auf. Anprobieren und fotografieren (unter Aufsicht und bei Führungen) erlaubt. Zudem erscheinen ein Künstlerbuch mit Fotografien und ein Ausschneidebogen mit Kostümen und den prominenten Modellen Anita und Wilhelm Lehmbruck (10 Euro).