Duisburg. .
Bald schließt sich der Kreis: 75 Kilometer DU-Weg haben die Hartgesottenen der Wandergruppe des Sauerländischen Gebirgsvereins bereits in den Knochen. Sie brechen heute zur letzten Etappe auf dem Rundweg um Duisburg auf. Die Strecke von Röttgersbach bis zum Zoo führt heute dorthin zurück, wo vor sechs Wandertagen die Truppe aufbrach.
Noch aber liegt die finale Etappe vor den Wanderern: Eine, die mit einem Fluss und einem Kanal, einem Autobahnkreuz und einem atemberaubenden Panoramaausblick auf Duisburg aufwartet.
Aber erst mal kommt ein Flüsschen: Während der ersten Kilometer geben die Kleine Emscher und eine mächtige Hochspannungsleitung die Richtung vor. Der Altemscherarm fließt hier nicht mehr in seinem strengen, kanalisierten Flussbett, sondern erlaubt sich bereits kleine Schlenker – „ökologischer Umbau“ nennt die Emschergenossenschaft die Umgestaltung des Nebenarms und tatsächlich mutet das kleine Bächlein recht idyllisch an: An seinem Rande blüht und grünt es, Brombeeren wuchern am Wegesrand und sind gefundenes Fressen für die Naschkatzen unter den Wanderern.
Grünstreifen Richtung Obermeiderich
Nach anderthalb Kilometern lässt die Wandergruppe das renaturierte Idyll hinter sich: rechts Mehrfamilienbauten, links Autohäuser geht es am Rande Neumühls erst über einen breiten Grünstreifen entlang der Wiener Straße, dann über Spazierwege immer weiter Richtung Obermeiderich.
Tipps zum Nachwandern
Die Anreise: Der Startpunkt der Etappe, die Haltestelle Neuhausweg in Röttgersbach, ist für alle aus der Stadtmitte nur mit Umstieg zu erreichen. Ab Hamborn Rathaus fährt der Bus mit der Nummer 935 einmal in der Stunde zum Etappenstart in Röttgersbach. Für die etwas strapaziöse Anfahrt entlohnt die Rückfahrt: Ab der Straßenbahnhaltestelle Zoo/Universität verkehrt die 901 alle paar Minuten in Richtung Innenstadt.
Die Route: Die letzten 14 Kilometer des DU-Wegs bringen vom Norden aus zurück bis dorthin, wo alles begann, zum Zoo am Kaiserberg. Unterwegs wartet die Strecke mit verschiedenen Gewässern auf, die in dieser Etappe den Weg säumen: Die kleine Emscher, der Rhein-Herne-Kanal und schlussendlich ein kleines Stückchen Ruhr. Dazwischen liegen Siedlungen, die kontrastreicher nicht sein könnten: vom tristen Hagenshof bis zum idyllischen Werthacker.
Höhen und Tiefen: Der Höhepunkt der letzten Etappe ist im wahrsten Wortsinn einer, den man erklimmen muss. Vom Schnabelhuck hat man einen fantastischen Blick über den Duisburger Norden und somit über ein gutes Stück der Wegstrecke, das man bis zu diesem Punkt erwandert hat. Zu Füßen des Bergrückens erlebt jeder, der Ruhe sucht, wohl den Tiefpunkt der Etappe: Die Kaiserberger Hölle zu Fuß zu erwandern, bleibt aber für jeden echten Duisburger eine Erfahrung.
Abstecher:
Längst kein Geheimtipp mehr, aber doch einen Abstecher wert: Der Landschaftspark Nord. Um ihn zu erkunden, muss man allerdings Zeit einplanen: 180 Hektar Industriekultur und Natur machen den Park aus. Man erreicht ihn an seiner nordöstlichen Kante über den Grünen Pfad, ein (Rad-)Wanderweg, der auf der Trasse der alten Emschertalbahn erbaut wurde. Nach dem Abbiegen von der Wiener Straße überquert man diesen besonderen Pfad. Aber verlieren Sie sich nicht im Landschaftspark: Wenn Sie den DU-Weg bis zum Ende laufen wollen, steht Ihnen noch ein gutes Stück bevor.
Wer mehr will von der Höllentour, kann den im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 ausgebauten Wanderweg rund um das Kreuz Kaiserberg laufen. Ausgangspunkt für eine beschilderte 45-Minuten-Rundtour ist der Parkplatz Delikatfisch Braun, Schwiesenkamp 80, in der Werthacker-Siedlung.
Einkehren: Die SGVler gönnen sich zum Ende der Wanderwoche eine Schlusseinkehr im Restaurant Lindenwirtin. Das Fachwerkhaus mit einladendem Biergarten an der Mülheimer Straße 203 gehört zu den ältesten Gebäuden Duisburgs und versprüht urigen Charme.
Hier quert der Weg den grünen Pfad, einen Rad- und Wanderweg auf der alten Emscherbahntrasse. „Das ist natürlich ein Nachteil an so einem Rundweg“, gesteht Susanne Leichert, Wanderführerin an diesem Tag, „vieles von dem, was Duisburg an Highlights zu bieten hat, liegt nicht auf der Strecke. Würden wir jetzt der Trasse folgen, kämen wir zum Landschaftspark, ein echt sehenswertes Stück Duisburg.“ Aber: Wer die Stadtumrundung wagt, der muss auch mit Stadtrandbebauung vorlieb nehmen, die aber nur scheinbar uninteressant ist. Wie etwa Hagenshof, eine betongraue Siedlung. Die Duisburgerin Brigitte Kaminski erinnert sich noch an den Aufschrei, als die „Hochhäuser in den 60er und 70er Jahren erbaut wurden. Man war richtig empört, dass so eine Trabantenstadt, wie man es nannte, hier hochgezogen wird.“
Schiffsdiesel tuckern friedlich
Was früher einmal futuristisch angemutet haben mag, wirkt heute ein wenig, als habe sich in den 60er Jahren ein Science-Fiction Regisseur das Wohnen der Zukunft vorgestellt: Viel nackter, Beton und der Kirchturm von „Christus unser Friede“ könnte auch als riesige Belüftungsanlage durchgehen. Mit gemischten Gefühlen wandert man weiter, bis sich, fast schon wohltuend, der Rhein-Herne-Kanal vor den Wanderern auftut: Schiffsdiesel tuckern friedlich über die Wasserstraße, die zahlreichen Fachwerkstahlbrücken, machen die Industrie-Natur-Kulisse einmal mehr perfekt. Prompt lugt die Sonne durch die Wolken, die sich schon den ganzen Tag so bedrohlich hinter den Wanderern auftürmen.
Zeit und Ort sind genau richtig für ein Picknick, das die Wanderer auf den Ufersteinen sitzend zu sich nehmen. Eine Verschnaufpause tut gut, haben doch einige tatsächlich jede einzelne der sechs Etappen tapfer durchgehalten. Besonders stolz könnte Marga Dohmann sein, sie winkt aber ganz bescheiden ab: „Ich bin halt immer gern gelaufen. Das gibt mir einfach sehr viel Kraft“ Mit 79 Jahren ist sie die Älteste im Bunde – ohne, dass es auffallen würde. Ihre bunten Blusen und ihr unermüdlicher Schritt sind gleichzeitig lebendiger Beweis, dass Wandern jung hält. „Ich hatte erst Bedenken, ob ich die ganzen sechs Tage durchhalte. Aber bis auf das Pflaster am kleinen Zeh ist alles in Ordnung.“
200.000 Autos täglich
Ein weiteres Gewässer bringt die Wanderer dem Ziel wieder ein Stück näher: Der Fluss, der einer ganzen Region den Namen gibt, begleitet natürlich auch den DU-Weg ein kleines Stück: Die Ruhrauen sind allerdings nur ein kurzes Vergnügen bevor der Weg in die Siedlung Werthacker abdriftet.
Auf das bürgerliche Dorfidyll folgt das wohl absurdeste Streckenstück: Willkommen in der Kaiserberger Hölle. Über einen schmalen Pfad geht es hinab, gefühlt mitten auf das Autobahnkreuz: Es zählt zu den meistbefahrenen in NRW – vielleicht ist es auch eines der meistbewanderten: Zu den 200.000 Fahrzeugen, die hier täglich zwischen den Autobahnen hin und her wechseln, kommen an diesem Tag noch 23 Fußgänger, die ungläubig auf den tosenden Verkehr blicken.
Tolle Woche mit tollen Wanderern
Ein Drahtgitter trennt die Fußgänger von vorbeibrausenden LKW und Autos, man kann sein eigenes Wort nicht verstehen und staunt über die Brombeerbüsche, die sich hier aus dem Beton schälen und Lärm und Abgasen trotzen. Schon nach Minuten ist sie vorbei, die Höllentour. Hoch hinüber geht es über die A40 mit freiem Blick auf den prägnanten Hochbunker von Werthacker.
Kaiserberg ist aber eben nicht nur ein weithin bekanntes Autobahnkreuz, sondern auch ein Bergrücken, der kurz darauf die DU-Weg-Wanderer zum Schnaufen und Keuchen bringt. Zwischen alten Bäumen hindurch geht es hinauf zum Schnabelhuck, der nördlichsten Spitze des Berges und einem krönenden Aussichtspunkt: Die Schlote der Hüttenwerke Thyssen-Krupp und die Industrieruinen im Landschaftsparks Nord sind zu erkennen. „Und da hinten ist das Kraftwerk Walsum. Da hat uns der DU-Weg auch vorbeigeführt“, sagt Susanne Leichert. Wahrlich recht hat sie mit ihrem Toast zum Abschlussumtrunk: „Es war eine tolle Woche, mit tollen Wanderern!“ – auf einem Rundweg der einiges zu bieten hatte.