Duisburg. .

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht im Fokus eines Projekts des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.

Die Erforschung der „Umsetzung unternehmensnaher Kinderbetreuung in NRW“ ergab, dass vor allem Flexibilität zählt. Denn passgenaue Konzepte und individuelle Betreuungsverträge, die sich an den Arbeitszeiten der Eltern orientieren, seien bis heute nicht Standard. „Leider sind die bürokratischen Hürden, die den Aufbau entsprechender Angebote behindern, in NRW bislang nicht abgebaut worden“, kritisiert Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Leiterin des IAQ-Forschungsschwerpunkts „Bildung und Erziehung im Strukturwandel“. Für interessierte Unternehmen fehlten klare Rahmenbedingungen und Standards, die zügige und transparente Genehmigungsverfahren ermöglichen.

Das bestätigt Thomas Krützberg, der Leiter des Jugendamtes. In Duisburg gibt es lange nur zwei Betriebskindergärten – bei Siemens und bei DB Cargo. Das Interesse von Firmen liegt laut Krützberg deutlich höher, am Ende scheitere es aber immer an den komplizierten Wegen, den hohen Kosten – und an günstigeren Alternativen.

Andere Regeln, gleiches Angebot

Da das Kita-Netz für Drei- bis Sechsjährige in Duisburg stabil geknüpft sei, gehe es vor allem um die U3-Betreuung und hier sei die Großtagespflege eine Option für Arbeitgeber. Immerhin 29 gibt es davon in Duisburg, nicht alle sind an feste Arbeitgeber gebunden. Aktuell starten die Malteser am St. Anna-Krankenhaus für ihre Mitarbeiter eine solche Großtagespflege. Der Vorteil: Weil sie keine sogenannte stationäre Einrichtung ist, muss sie sich nicht an das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) halten. „Die Regeln sind andere, aber fachlich ist das Angebot fast gleichwertig“, erklärt Krützberg.

Checkliste hilft weiter

Viele Anfragen von Berufsrückkehrerinnen und die eigene Unwissenheit machten den Bedarf klar: Um erfolgreich Kinderbetreuung organisieren zu können, braucht es viel Wissen – und Unterstützung. „Das wird ja in jeder Kommune anders gehandhabt“, sagt Irene Schiefen vom Amt für Statistik, Stadtforschung und Europaangelegenheiten. Wer nach Duisburg zieht, muss sich erst mal durchwurschteln, bis er die richtigen Ansprechpartner für seine Belange gefunden hat, weil schon die Namen der Dienstleister von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind und die Verantwortlichkeiten verschieden gebündelt werden.

Problem erkannt, Problem angegangen: Eine Checkliste ist jetzt online, die zum einen hilft, die eigenen Bedürfnisse zu definieren – von den Betreuungszeiten bis zu gewünschten Erziehungszielen – und zum anderen mit einem Adressteil den Weg weist.

Im Vorfeld wurde die Checkliste getestet, quer durch alle Bildungsschichten. Eine Übersetzung ins Arabische ist in Arbeit. Aber: „Das ist kein Problem von Menschen mit Migrationshintergrund“, betont Schiefen. Ein Deutschstämmiger, der aus einer anderen Kommune oder gar einem anderen Bundesland herziehe, sei genauso auf Hilfe angewiesen.

Ein anderer Aspekt sei, dass der direkte Weg übers Jugendamt bei bestimmten Fragen oft aus Angst gemieden werde. Das ist zwar grundlos, aber dennoch wolle man die Ängste ernst nehmen und Kontakt zu bestimmten Hilfeeinrichtungen ohne diesen Umweg ermöglichen, erläutert Schiefen.

Weitere Informationen unter www.wiedereinstieg.nrw.de

Die Forscherinnen des IAQ haben in Modellprojekten festgestellt, dass „Flexibilität aus Einrichtungen kein Ikea-Bällchenbad macht“, wie Dr. Brigitte Micheel beschreibt. Pädagogische Qualität sei aber nur möglich, wenn sich Strukturen ändern, der Kindergarten anders organisiert wird.

Modul-Bausteine können gebucht werden

Basis sind Betreuungspläne, ähnlich wie ein Stundenplan, in dem Modul-Bausteine gebucht werden können. Wichtig sei, dass Kinder sich integrieren können, ohne auf die immer gleiche Gruppe zu stoßen. Wenn ein Kind wisse, dass mittwochs Greta und donnerstags Paul zum Spielen da sei, könne das auch Struktur geben, veranschaulicht Micheel. Und so könnten Betreuungszeiten über den üblichen Rahmen hinaus geleistet werden. In Frankfurt am Flughafen gebe es sogar Kinderhotels mit Übernachtung für den Nachwuchs des Flugpersonals.

Selbst für den heiklen Fall einer Erkrankung des Kindes haben die IAQ-Forscher Lösungen entdeckt. „Natürlich gibt es Situationen, in denen die Anwesenheit der Eltern unumgänglich ist“, bekennt Micheel, aber es gibt Einrichtungen mit Familien-Diensten, die auch zu Hause auf das genesende Kind aufpassen. Oder die etwa bei Eltern, die beide schon um 6 Uhr aus dem Haus müssen, die Betreuung und den Weckdienst übernehmen, damit das Kind zu einer angemessenen Zeit in der Betreuung landet. Eine Option, die teuer ist und nicht öffentlich refinanziert wird, aber es gebe Arrangements mit Arbeitgebern, weiß Micheel.

Es muss viel nachgeholt werden

Ein Problem, das durch die Revision des Kibiz zum 1. August diesen Jahres drohte, ist wieder vom Tisch. Die Plätze in der Tagespflege sollten auf fünf Kinder reduziert werden. In Duisburg dürfen derzeit bis zu drei Tagesmütter je neun Kinder in einer Großtagespflege betreuen. Die Reduzierung „hätte alle Flexibilität zerschlagen sowie das Ziel, bis 2013 eine Versorgungsquote von 30 Prozent zu erreichen“, so Krützberg. Und dann wäre passiert, was Staatssekretär Prof. Klaus Schäfer vom Familienministerium prognostizierte: „Dann stehen die Eltern vorm Jugendamt und klagen ihre Plätze ein.“

Er erklärt, dass die Kibiz-Revision nicht aus quantitativen Gründen geschah, sondern wegen der pädagogisch sinnvollen Betreuung in den Randzeiten nach 17 Uhr. „Das ist eine Kraft­anstrengung, frühkindliche Bildung war lange überhaupt kein Thema, da müssen wir viel nachholen“, gesteht er. Platzsharing sei keine Option in der Betreuung, da der Trend eindeutig zur ganztägigen Betreuung gehe: Im Kindergarten hätten zuletzt nur acht Prozent der Eltern die 25-Stunden-Betreuung gewählt und auch bei der U3-Betreuung sei die Mehrheit an einer 45-Stunden-Betreuung interessiert. Da gibt’s dann nichts mehr zu teilen.