Duisburg. . Wegen der Entschärfung einer Bombe am Klinikum Duisburg mussten rund 170 Patienten vorübergehend in Sicherheit gebracht werden. Der Einsatz war eine echte logistische Herausforderung - und die beteiligten Kräfte haben sie mit Bravour gemeistert.

13.25 Uhr: Die Bombe ist entschärft

Wie geplant konnte die Zehn-Zentner-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg, die durch Luftbildauswertungen auf einem Grundstück in Kliniknähe gefunden wurde, entschärft werden. Peter Giesecke vom Kampfmittel-Räumdienst konnte die US-Fliegerbombe binnen 25 Minuten schadlos machen. Die Bombe habe er in einem sehr guten Zustand vorgefunden, sagt er. Nur der Zünder sei „ein bisschen angerostet“ gewesen, so dass er etwas schwerer zu entfernen war.

Aus einem der größten Krankenhäuser der Stadt wird binnen weniger Stunden ein Geisterkrankenhaus: Für eine Bombenentschärfung am Klinikum Duisburg mussten etwa 170 Patienten in Sicherheit gebracht werden – eine logistische Herausforderung.

Auch für den Einsatzleiter der Feuerwehr, Stephan Steinkamp: „Eine Evakuierung dieser Größenordnung habe ich selbst noch nie erlebt.“ Entsprechend mächtig ist am Dienstag das Aufgebot an Rettungsfahrzeugen, Feuerwehrleuten, Mitarbeitern von Rettungsdiensten und Hilfswerken, das sich schon in den frühen Morgenstunden auf dem Parkplatz vor dem Klinikum eingefunden hat.

Hundert Patienten müssen transportiert werden

Die Mission: Bis 12 Uhr müssen rund hundert Patienten aus dem Klinikum am Kalkweg in die nahe gelegene Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) transportiert werden. Weitere 70 Patienten, vielfach Schwerkranke und Intensivpatienten, für die der Transport zu gefährlich wäre, werden zeitgleich in den hinteren Teil des Krankenhauses gebracht.

Damit das reibungslos gelingt, sind alle auf den Beinen: 250 Rettungskräfte mit über 60 Fahrzeugen, auch das gesamte verfügbare Klinikpersonal fasst mit an. Das sind keineswegs nur Ärzte und Pfleger. So hilft etwa der Betriebsrat dabei, die Betten aus den Zimmern zu den vier Abtransportpunkten zu schieben. Mitarbeiter aus der Buchhaltung servieren im Verpflegungszelt Kaffee und Kuchen für ihre medizinischen Kollegen und die Einsatzkräfte.

Wohl der Patienten steht im Mittelpunkt

Den ganzen Tag verfügbar sind auch die Notfallseelsorger, denn das Wohl der Patienten steht bei der Räumung allzeit im Mittelpunkt: „Diese Situation ist einfach außergewöhnlich“, weiß Richard Banner, der die elf eingesetzte Seelsorger koordiniert. Er selbst wird während der Entschärfung das Gespräch mit all jenen suchen, die aufgrund ihres weniger stabilen Zustands im sicheren Bereich des Klinikums bleiben müssen.

Mittlerweile – es ist 10.30 Uhr – ist die Hälfte aller Patienten mit Ziel BGU abtransportiert. Die Notfallambulanz im Klinikum, wo sonst hektische Betriebsamkeit herrscht, ist ausgestorben. „So ruhig ist es hier nie“, staunt eine Pflegerin. Während das Klinikum Duisburg mehr und mehr zum Geisterhaus wird, kommt es an der BGU immer wieder zu kurzen Staus: Die Rettungsfahrzeuge sind schneller unterwegs, als hier Patienten aufgenommen werden können.

Zwei Stationen und eine Turnhalle

In der BGU stehen für die Neuankömmlinge zwei Stationen und eine Turnhalle zur Verfügung. Letztere hat sich in ein Bettenlager verwandelt: Dicht an dicht liegen hier die Patienten in den Betten. Pflegepersonal und Ärzte wuseln umher und versorgen die Kranken mit Medikamenten, Getränken und Essen, kümmern sich um kleine und größere Sorgen.

Duisburger Klinik geräumt

Weil neben dem Klinikum Duisburg eine zehn Zentner schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde, ...
Weil neben dem Klinikum Duisburg eine zehn Zentner schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde, ... © WAZ FotoPool
...musste am Dienstagmorgen auch ein großer Teil des Krankenhauses an den Rehwiesen geräumt werden. (Fotos: Lars Fröhlich/WAZ FotoPool)
...musste am Dienstagmorgen auch ein großer Teil des Krankenhauses an den Rehwiesen geräumt werden. (Fotos: Lars Fröhlich/WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool
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Die Patienten aus den Gebäudeteilen, die geräumt werden müssen, brachten Rettungs- und Krankenwagen... Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Die Patienten aus den Gebäudeteilen, die geräumt werden müssen, brachten Rettungs- und Krankenwagen... Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
...vom frühen Morgen an in die Unfallklinik in Buchholz.
...vom frühen Morgen an in die Unfallklinik in Buchholz. © WAZ FotoPool
Unterstützt wird der Rettungsdienst der Stadt bei dieser Mammutaufgabe von den Feuerwehren und Hilfsorganisationen der Nachbarstädte und -kreise.Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Unterstützt wird der Rettungsdienst der Stadt bei dieser Mammutaufgabe von den Feuerwehren und Hilfsorganisationen der Nachbarstädte und -kreise.Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Bereits um kurz nach 11 Uhr, rund eine Stunde vor dem geplanten Ende, waren die 100 Patienten in Buchholz angekommen.
Bereits um kurz nach 11 Uhr, rund eine Stunde vor dem geplanten Ende, waren die 100 Patienten in Buchholz angekommen. © WAZ FotoPool
Der Rettungsmittel-Halteplatz am Klinikum Duisburg.
Der Rettungsmittel-Halteplatz am Klinikum Duisburg. © WAZ FotoPool
Über 50 Rettungs- und Krankenwagen von Feuerwehr, DRK, ASB, Maltesern und Johannitern sind im Einsatz.
Über 50 Rettungs- und Krankenwagen von Feuerwehr, DRK, ASB, Maltesern und Johannitern sind im Einsatz. © WAZ FotoPool
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...in der die BGU-Patienten normalerweise Reha-Sport machen.
...in der die BGU-Patienten normalerweise Reha-Sport machen. © WAZ FotoPool
Außerdem stehen zwei derzeit nicht genutzte Stationen zur Verfügung.
Außerdem stehen zwei derzeit nicht genutzte Stationen zur Verfügung. © WAZ FotoPool
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Intensivmedizinisch betreute Patienten blieben aber in der Kalkweg-Klinik und wurden in die übrigen Gebäudeteile verlegt.
Intensivmedizinisch betreute Patienten blieben aber in der Kalkweg-Klinik und wurden in die übrigen Gebäudeteile verlegt. © WAZ FotoPool
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Nach der Entschärfung, die um 13 Uhr beginnen soll, geht es für die Patienten des Klinikums dann wieder zurück an die Wedau.Fotos: Lard Fröhlich/WAZ FotoPool
Nach der Entschärfung, die um 13 Uhr beginnen soll, geht es für die Patienten des Klinikums dann wieder zurück an die Wedau.Fotos: Lard Fröhlich/WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
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In der Schule an der Kranichstraße...
In der Schule an der Kranichstraße... © WAZ FotoPool
...warteten einige Anwohner darauf in ihre Häuser zurückkehren zu dürfen.
...warteten einige Anwohner darauf in ihre Häuser zurückkehren zu dürfen. © WAZ FotoPool
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Um punkt 13 Uhr begann Feuerwerker Peter Giesecke auf diesem Grundstück mit seiner Arbeit.
Um punkt 13 Uhr begann Feuerwerker Peter Giesecke auf diesem Grundstück mit seiner Arbeit. © WAZ FotoPool
Gefunden wurde der zehn Zentner schwere Blindgänger bei Luftbildauswertungen des Geländes.
Gefunden wurde der zehn Zentner schwere Blindgänger bei Luftbildauswertungen des Geländes. © WAZ FotoPool
Nach 25 Minuten hatte Peter Giesecke seine Arbeit getan. Die Bombe war entschärft.
Nach 25 Minuten hatte Peter Giesecke seine Arbeit getan. Die Bombe war entschärft. © WAZ FotoPool
Peter Giesecke vom Kampfmittel-Räumdienst, hier mit der Eigentümerin des Baugrundstücks, Tanja Rönsch.
Peter Giesecke vom Kampfmittel-Räumdienst, hier mit der Eigentümerin des Baugrundstücks, Tanja Rönsch. © WAZ FotoPool
Kurz darauf konnte auch mit dem Rücktransport der Patienten begonnen werden.Alle Fotos: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Kurz darauf konnte auch mit dem Rücktransport der Patienten begonnen werden.Alle Fotos: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
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Vielfach ist es aber auch einfach das freundliche Wort oder die gehaltene Hand, was die Patienten im Massenzimmer jetzt brauchen, weiß Hannelore Dommain von den grünen Damen, die gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Kolleginnen in der BGU an diesem Tag im Einsatz ist. Immer wieder suchen sie den Kontakt zu jenen Patienten, die die Evakuierung hat unruhig werden lassen: „Das lange Warten setzt manchen zu.“

"Viel besser als immer nur Fernsehen"

Ganz entspannt ist Rainer Obrikat – wie alle Klinikpatienten trägt er einen Zettel um den Hals: „Damit jeder weiß, wo ich lag und wo ich hingehöre.“ Der Remscheider musste wegen eines Oberschenkelhalsbruchs operiert werden. Ihn freut die Abwechslung im Patientenalltag: „Viel besser als immer nur Fernsehen.“ Anstrengend ist dieser Tag trotzdem: Schon um vier Uhr sei er aufgestanden, vorbereitet worden, nach vorgezogenem Frühstück „begann die Warterei“. Seit einer Stunde ist er nun hier und sieht der Bombenentschärfung entgegen.

Um 13.25 Uhr ist dann klar, dass der Kampfmittelräumdienst seine Sache tadellos gemacht hat: Die Bombe ist entschärft. Alle am Einsatz Beteiligten atmen auf, nicht nur, weil die Bombe „ohne Komplikationen“ binnen 25 Minuten unschädlich gemacht werden konnte. Der Evakuierungstrupp ist besonders glücklich, dass die logistisch so komplizierte Räumung des Krankenhauses so reibungslos vonstatten ging.

"Perfekter Einsatz"

Feuerwehreinsatzleiter Stephan Steinkamp zieht Zwischenbilanz: „Es haben alle wunderbar Hand in Hand gearbeitet. Bei keinem der Patienten hat die Situation, dazu geführt, dass sich der Zustand kritisch verschlechtert hat.“ Wenn der Rücktransport genauso problemlos klappt, könne man von einem „perfekten Einsatz“ sprechen. Und tatsächlich: Um 15.45 Uhr sind alle Patienten wieder auf „ihren“ Stationen im Klinikum Duisburg.